30.9.2023 – another day, another lake

Nein. Ist gelogen. Es war gar kein lake, sondern ein Stück Ruhr zwischen zwei lakes.

(Wir frühstückten erst hier – das war etwas rentnerig trubelig – und liefen dann in Richtung Harkortsee und zurück)

Drumherum gemastert – seit gestern wissen Sie ja, was ich da tue, nicht wahr – und gecodet. Ich habe zwar wie erwartet von dem Job, der Ende des Monats fertig sein soll, nichts mehr gehört, aber trotzdem beschlossen, dass es für aller Wohlbefinden besser ist, wenn ich meinen Teil so weit wie möglich fertig habe. Und da ich ja vorgestern abends die Lösung für den kniffeligen Teil – outgesourced an den Hinterkopf – gefunden habe und mit Freude und fast schon Flow dabei war – dann ist mir auch egal, ob Samstag ist oder nicht. Am Ende wird eine wunderschöne Benutzeroberfläche für einige Redakteurinnen in einer Agentur stehen, die deutlich mehr WYSIWYG brauchen als ich es gedacht hatte. So ist jedenfalls der Plan; mal sehen, was der Realitätsabgleich am Ende bringt.

Außerdem voller Freude rumgesessen und mit der Liebsten begonnen, Pläne für die Apokalypse zu schmieden (zweiteres etwas weniger voller Freude).

Zeugs

Der Umgang mit Krankheit in unserer Gesellschaft ist eher einer, der von Verdrängung bestimmt ist – sowohl, wenn kranke Menschen aus dem eigenen Umfeld getilgt werden als auch, wenn die Folgen von Krankheiten aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Dabei – und es klingt paradox – werden uns die Entwicklungen in der Medizin immer mehr kranke Menschen bringen; einfach weil wir länger leben und nicht an jeder Krankheit sofort sterben*. Und Covi… ach ja, das ist ja vorbei, entschuldigung, wie konnte ich. Aber Krankheit bedeutet mehr, als eben nur die Krankheitssymptome selbst – Krankheiten verändern das komplette Leben:

Das ist ein Prozess, der über viele Monate geht. Das nimmt einem einiges an Identität. Es nimmt einem das, worüber man sich definiert hat. Das, was einen ausgemacht hat. Der Beruf bricht weg, ich habe in der Freizeit immer sehr viel Sport gemacht, das geht alles nicht mehr. Man muss sich im Grunde neu definieren, sich neue Inhalte und Ziele suchen. Das dauert.
[…]
Ich habe gemerkt, dass es für Nicht-Betroffene extrem schwer ist, die Beschwerden nachzuvollziehen. Man kann fast sagen: unmöglich. Man muss viel mit Betroffenen zu tun haben oder selbst an Long Covid leiden, weil diese Beschwerden für uns neu sind und wir sie aus anderen Krankheitsbildern nicht kennen.

hessenschau.de:
Interview mit Ärztin und Autorin „Mit Long Covid muss man sich neu definieren“

*) Gleiches Paradoxon: Wenn Sie das Land mit dem besten Gesundheitssystem suchen, dann nehmen Sie das mit der höchsten Krebs-Sterblichkeitsrate.


Sie haben sich doch auch schon hin und wieder mal gefragt, was eigentlich mit den Menschen los ist? Haben vielleicht auch Freundinnen, mit denen Sie noch gefühlt gestern bei einem schönen Glas Spätburgunder beim gemeinsamen Familienurlaub Urlaub in der Toskana die Unterdrückung der armen Menschen in der dritten Welt diskutiert haben und die jetzt auf einmal Seite an Seite mit Nazis gegen Tempolimit und Asylpolitik marschieren?
Lasse Thiele bei analyse und kritik* hat durchaus nachvollziehbare Erklärungsmodelle:

So stürzt der Liberalismus in eine Repräsentationskrise. Sein Versprechen – soziale Stabilität bei immer weiter gesteigerter Prosperität – wirkt immer hohler. Zwei Reaktionen sind zu beobachten: erstens die aggressive Statusverteidigung mittels Abwehr der Teilhabeansprüche Marginalisierter. Die Instrumente dieser egoistisch-zweckrationalen Reaktion reichen vom Ausbau der Festung Europa und rassistischer Polizeigewalt über Austeritätspolitik und offene Armenverachtung bis zu Antifeminismus und Queerfeindlichkeit. Wo Privilegien bedroht sind, schlägt der Liberalismus um ins Autoritäre bis Faschistische.

Diese Brutalität gerät mit dem liberalen bürgerlichen Selbstbild in Konflikt. Sie (und die Klimakrise selbst) sind zu unangenehm, um sich ehrlich damit zu konfrontieren, zumal die Welt absehbar auch für diejenigen ungemütlicher wird, die in den Verteilungskämpfen Oberwasser behalten. Insofern folgen zweitens »irrationale« Erscheinungsformen des Widerstands nach dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. So werden explizite Klimaleugnung und Pseudowissenschaft wieder salonfähig, der Statuskonsum der Sportwagenraser zur Essenz der Zivilisation erhoben, im besten Fall gibt man sich grünen Technikillusionen hin – der eben noch verlachten Wissenschaft wird schon was einfallen. Wenn das alles nichts hilft, geht es mahnenden Wissenschaftlerinnen oder »zivilisationsbrechenden« Klimakleberinnen an den Kragen

Lasse Thiele auf akweb.de:
Ist das schon der Klima-Faschismus?

*) Ja, das ist ein selbstbetitelt linkes Medium. Falls Ihnen das aufstößt: Haben Sie mal überlegt, wann Sie begonnen haben, links mit sozialistisch, sozialistisch mit kommunistisch und kommunistisch mindestens mit der DDR oder besser mit Stalin gleichzusetzen und wer Ihnen dieses Framing eingeredet hat?


Wir waren ja vor nicht allzu langer Zeit im Sauerland und ich staunte, wie wenig man sich dort auf die geänderten Zeiten einrichtet. In den Alpen sieht’s überraschenderweise nicht besser, aber vielleicht besser erforscht aus, wie der bayrische Rundfunk sehr anschaulich beschreibt:

Muren oder sogenannte Murgänge sind laut Michael Krautblatter, Professor für Hangbewegungen an der TU München, die größte Gefahr in Bayern. „Das liegt daran, dass sie sehr schnell sind, sie werden häufig 20 bis 60 km/h schnell, also schneller als Leute wegrennen können.“ Er hat diese Muren untersucht und festgestellt, dass sie vor allem auch eine extreme Wucht haben, wenn sie den Berg hinabrinnen. Denn anders als Wasser, das um ein Objekt herumfließt, hat die Mure eine solche Mächtigkeit, dass sie mitten durch Brücken oder Häuser durchschießt. In Bayern gibt es laut Michael Krautblatter 200 bis 300 murfähige Gerinne. Das heißt, Bachrinnen oder Bergrinnen in denen sich bei Starkregen Muren lösen können. Und seine Prognosen sind beunruhigend: Forscher schätzen, dass durch den Klimawandel Starkregen etwa doppelt so häufig vorkommen werden. Dann erwartet Michael Krautblatter nicht doppelt so viele Muren, sondern sechs- bis siebenmal so viele

Nicolette Renz auf br.de:
Aufgeheizte Alpen: Folgen der Klimakrise für den Bergtourismus

Danke an die Kaltmamsell!

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29.9.2023 – die AI hat alles unter Kontrolle, gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen.

Als ich gestern Abend aus dem Büro runterkam, fragte die Liebste „Na, fertig?“ und ich entgegnete: „Nö. Ich bin da gerade auf ein Problem gestoßen über das ich nachdenken müsste – und da hab ich keine Lust zu, das soll mein Hinterkopf ohne mich tun“ Und so geschah es: Eine Stunde später hatte ich die Lösung, ganz ohne dabei verzweifelt auf einen Bildschirm gestarrt zu haben; dafür schon mit leckerem Essen im Bauch und Schlumperhose an den Beinen.
Ich erzähls nur mal so, vielleicht kann der Freundeskreis „Auf leeres Papier starren“ ja was damit anfangen.


Einen schönen Blick auf die kommenden Freuden mit dem, was heute vollmundig als AI betitelt wird, bekam ich gestern Abend beim Feierabend-Blick ins RabbitHole YouTube, Unterabteilung Musikproduktion – ich verweile wenig überraschend gerne mal dort.

Evtl nötiges Technik-Wissen: Musikproduktion ist nicht nur „Schreib eine schöne Melodie und spiel dazu hübsche Akkorde und nimm das alles auf“, sondern (vereinfacht) auch „Mische die Lautstärken Deiner Instrumente so ab, dass man alles gut hört“ (= „Mixing“) und „Sorge dafür, dass alle Deine Lieder angenehm klingen und eine zueinander passende Klangfarbe und Lautstärke haben“ (= „Mastering“).
Technik-Wissen Ende.

Spätestens das Mastering ist keine einfache Sache und man kann Sound Engineering ganz oldschool als Ausbildung lernen. Aber wozu lernen, wenn es doch auch AI gibt, nicht wahr? Wir haben doch auch alle keine Zeit.
Der Markt ist überschwemmt mit Programmen, die einem AI-gestütztes Mastering mit einem Klick versprechen und gestern Abend stieß ich auf ein Video, in dem zwei Produzenten einen Einblick in ihren Produktions- und Mastering-Prozess gaben. Für die, die doch lernen wollen, aber aus Gründen keine klassische Ausbildung wählen können oder wollen.
Durchaus löblich die Idee, so kann man viel lernen.
Nur leider: Die beiden zeigten ihre DAW – also das Programm in dem Musik, Mix und Master entstehen – gingen dort die einzelnen Schritte durch und kaum übertrieben war beim Mastering dann jeder zweite Satz: „Ja, dann haben wir noch das PlugIn XY genommen, ich weiß gar nicht was das macht, irgendwie mehr Klarheit glaub ich und ich hab die Standardeinstellungen genommen
In anderen Worten: Sie hatten ohne weitere Ahnung einfach möglichst viele der gängigsten (oder best beworbensten?) Programme eingesetzt, hintereinander geschaltet, im Angesicht der jeweiligen vielen, vielen Einstellungsmöglichkeiten kapituliert und es bei den Standard- bzw. den (so called) AI-Einstellungen belassen. Warum auch nicht, ihr Lied war in den Charts gelandet und in neoliberalen Welten gibt der Erfolg schließlich Recht nicht wahr? Aber wenn Sie einen Grund suchen, warum Musik immer gleicher klingt, dann haben Sie ihn gerade gelesen.
Wenn das mal nicht eine schöne Allegorie auf unsere Zeit ist, dann weiß ichs auch nicht.

(heute nichts fotografierwürdiges gemacht, aber heute vor drei Jahren hats geregnet)

Bevor Sie übrigens denken, ich würde hier technikfeindlich: Ich benutze so ein PlugIn natürlich auch. Vielleicht habe ich sogar drei oder vier davon (die beiden hatten alleine in dem einen Song 15) aber ich nutze die so: Ich wähle eins, lasse die „AI“ ihre Arbeit tun und danach drehe ich an jedem Regler um herauszufinden, was der tut und warum ein Algorithmus ihn so eingestellt hat.
Vielleicht klingt alles richtig mies, was ich tue, garantiert klingt es nicht Chart-kompatibel oder modern, aber es klingt so, wie ich’s gemacht habe. Es ist mühsam, es hat mich vier oder fünf Mastering-Durchgänge gekostet weil ich in jeder Runde so viel lernte, dass ich nach Song zehn bei Song eins wieder neu beginnen musste. Es gibt garantiert immer noch 1000 Optimierungsmöglichkeiten und mindestens 10 grobe Fehler. Aber es sind meine Fehler.
Ich werde also gar nicht technikfeindlich. Ich werde menschenfeindlich, das ist ein wichtiger Unterschied!


Irgendwo in einer anderen Welt schaue ich derweil zu, wie Menschen Community-Funktionen annehmen und benutzen, die ich mit-konzipiert und dann programmiert habe. Vor ein paar Tagen sind wir in eine Art geschlossene Beta-Phase gegangen und es ist wunderschön. Aus Gründen musste ich dort zeichnen und das habe ich seit Dekaden nicht gemacht – also raus aus der Komfortzone und mitten rein in den Kreis derer, die das beruflich tun.
Fail. Get up. Fail again. Repeat. And again! And again! And …
Aber: Das ganze unter Anleitung und es zeigte sich mal wieder, was eine gute Anleitung wert ist – am Ende failte ich mit deutlich mehr Ahnung als zu Beginn.

Die Liebste hat seit heute Mittag Herbstferien und das ist so gut, das können Sie sich gar nicht vorstellen.

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28.9.2023 – Chronistenpflicht

Es gibt nicht viel zu erzählen: Die Gesundheit stabilisiert sich sich scheinbar, ich richte mich ganz gut ein, ich kann recht gut arbeiten und das ist gut und mehr ist auch eigentlich nicht.
Und ich schätze das.
Aber ein Tierfoto hab ich Ihnen mitgebracht, Tierfotos gehen ja immer, so sagt man.

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
Schreiben Sie’s auf!

24.9.2023 – another day, another Ausflug

Nach einer Nacht, die alptraum- UND schlaflosigkeitsmäßig alles gegeben hatte, dem Eskapismus ergeben und dahin gefahren, wo niedliche Tiere in die ersten Sonnenstrahlen blinzeln.

Noch nicht ganz fertig mit der Überlegung, ob der Bärenhintern nicht mein nächstes Profibild an den Stellen sein sollte, an denen man ein Profilbild braucht. Oder wenigstens auf X.

Sozialstudien in einem Zoo mitten im Ruhrgebiet betrieben und mit vielen Fragen ratlos zurück geblieben: Warum sprechen Eltern mit ihren Kindern als seien sie blöd?
Warum reden so viele Väter nur in Dad-Jokes? („Nach jedem fünften Menschen wird die Brücke einmal runter zu den Bären gelassen und guck mal, vier waren schon – also geh jetzt vor!“)
Warum muss für Kinder alles verniedlicht werden? („Siehst Du die Äuglein von dem Teddy?“)
Warum erzählen Eltern lieber Blödsinn(„Mama, wie heißen die Tiere?“ — „Dieter und Paul.“) als zuzugeben, dass sie keine Antwort haben – oder mit den Kindern zusammen auf einer der reichhaltig verteilten Erklär-Schilder zu schauen?

Lieblings-Dialog des Tages:
Mutter: „Schau mal, dahinten sitzt der Teddy!“ — Tochter, sehr empört: „Mamaaa. Das ist ein Braunbär und kein Teddy!

Nachmittags Schreibtisch. Man kann ja wenigstens anfangen, die Dinge zu tun, die Ende der Woche eventuell vielleicht vermutlich-doch-nicht-aber-wer-weiß fertig sein sollen könnten; auch am Sonntag.
Außerdem hat jemand hier Lieblingskuchen gebacken und jemand anderes sich darüber sehr gefreut.

Und während wir in unserem Friends-Rewatch die Folgen schauten, wo Rachel ihr Kind bekommt, trudelten Bilder vom neuen Großneffen ein und das war eine seltsame Parallelität der Ereignisse.

Sie fragen, Christian antwortet

Wie und wo haben Sie denn eigentlich Politik gemacht? Sollte man das auch tun?

Aus dem Wunsch-Doc

Oha. Ich denke ich versuche mal, mich an alles für den ersten Teil der Antwort zu erinnern und hoffe, ich habe am Ende dann auch eine Antwort auf den zweiten. Los gehts:
Ab 1997 war ich im erweiterten Kreis des hiesigen Arbeitskreis Asyl und habe dort im Laufe der Jahre diverses gemacht: Nachtwachen, als die örtlichen Nazideppen mit Brandanschlägen drohten, Deutschunterricht in den Erst-Unterkünften und eins zu eins, die (Überraschung!)Website, einen Sommer lang Orga und Stand-Dienst an einem Mais-Labyrinth, das uns ein Bauer gepflanzt hatte.
Ab ca. 1998 war ich hier in Menden regelmäßig in der Ratsfraktion der Grünen; ich hatte zwar keinen Sitz im Rat oder einem Ausschuss, habe aber oft an den Sitzungen teilgenommen und so mitgearbeitet.
2000 habe ich als Verantwortlicher zusammen mit zwei offiziellen Mitstreitern und diversen dutzend engagierten Helferinnen ein Bürgerbegehren gegen einen Ratsbeschluss der damals absoluten Mehrheit der CDU im Ort durchgeführt. Wir haben rechtlich zwar „verloren“, aber unsere Ziele durch den Öffentlichkeitswirbel zu 4/5 durchgesetzt.
Nach der nächsten Wahl hatte ich dann auch einen Sitz in einem Ausschuss, den ich aber schon vor Ablauf der Legislaturperiode abgegeben habe – Ausschuss-Arbeit war nicht meins.
Außerdem war ich ein paar Jahre Mitglied der LAG Digitales & Medien in Düsseldorf, habe ein paar Seminare für die GAR gegeben und auch Fachartikel für das damalige Mitgliedermagazin zum Thema „Wahlkampf im Web 2.0“ geschrieben.
Nach dieser aktiveren Zeit habe ich noch jahrelang ehrenamtlich die Website der Grünen hier im Ort betreut und auch immer mal wieder Wahlkampf- oder Infomaterialien konzipiert und gestaltet. Ähnlich für die stellvertretende Grüne Fraktionsvorsitzende Katja Dörner für die ich ihre gesamte Berliner Zeit hindurch die Website betreut und gelegentlich noch andere Materialien erstellt habe – bis sie dann zurück nach Bonn ging, um dort Oberbürgermeisterin zu sein.

Ob ich das empfehle?
Meine Erinnerungen an diese Zeit sind gleichzeitig sehr gute und sehr gruselige. Ich glaube, dass es gut war, diesen Betrieb mal von innen anzusehen – vor allem, da ich ja noch das Glück hatte, auf kommunaler, Landes- und Bundesebene hinter die Kulissen schauen zu können. Das führt dazu, dass ich heute sowohl manchmal denke „naja, Politik funktioniert schon echt anders“, wenn gerade im Netz Forderungen laut werden, von denen ich dann denke, dass sie halt utopisch sind – dass ich aber mindestens ebenso oft denke „Oh Gott, Politik funktioniert schon echt anderes“ wenn ich zwischen den Zeilen einer Pressemitteilung herauslese, was da wirklich an Klüngel und Inkompetenz passiert ist.
Es ist sicher sehr gut zu verstehen, warum Politik so funktioniert.

Was ich – vor allem im Rückblick – schlimm finde: Außerhalb des Bürgerbegehrens habe ich in all der Zeit kein einziges Mal „etwas verändert“ – dummerweise aber dauerhaft das Gefühl gehabt, ich säße ja an der Stelle, wo Dinge verändert werden. Was sicherlich an zwei Dingen lag: Ich saß immer etwas „nur an der Schwelle“, habe auch nie wirklich an die Stellen gewollt, wo ich vielleicht mehr hätte gestalten können – denn ich habe nun einmal eine schreckliche Aversion gegen Gruppen und Vereine. Selbst Schuld also.
Die Liebste, die „weiter drin“, deutlich aktiver und zum Schluss auch Fraktionssprecherin war, hat da rückblickend andere Erinnerungen – und das ist ja auch sehr gut so, denn halten wir fest: Die Stelle an der über unser Kaff hier entschieden wird, das ist nunmal unser Stadtrat. Und wenn man was verändern will, dann muss man eben mitarbeiten.
Zum zweiten – ich erwähnte die absolute CDU-Mehrheit damals – war ich als Grüner hier im Ort auch einfach in der falschen Partei, um gestaltender Politiker und nicht nur Opposition zu sein

Warum nicht tiefer rein? Politik – gerade aus kommunaler Ebene – ist ein furchtbarer Klüngel. Sie wird halt von einer sehr seltsamen Gruppe Menschen gemacht: Sie müssen Zeit genug haben, sich zu engagieren (die Lehrerdichte ist hoch), sie müssen genug selbstbewusstes Sendungsbewusstsein haben, sich engagieren zu wollen aber gleichzeitig unfähig genug sein, um schnell in Kreis- oder Landespolitik aufzusteigen.
Und außer Sendungsbewusstsein gibt es natürlich auch noch Machtgeilheit als Grund in die Politik einzusteigen – vor allem in der Kleinstadt kann man ohne einen Hauch von Sachkenntnis oder sonstiger Ahnung sehr schnell an einen Posten kommen, der von außen irgendwie wichtig wahr genommen wird. Haben Sie dann noch eine große Klappe und ein bisschen Talent zu polarisieren, dann werden Sie sich schon oft genug selbst in der Zeitung sehen.
Ich kenne Menschen, die durch die Fraktionen tingelten und gegen die Garantie eines guten Listenplatzes ihre Mitarbeit und eine gewisse Anzahl Wähler anboten – man habe da einen Ruf und sei sicher, man würde gewählt. Politische Überzeugung sieht anders aus.
Und ich kenne Menschen, die seit 30 Jahren hier im Rat sitzen und glauben Sie mir: Da diskutieren Sie lieber auf Twitter mit einer Gruppe misogyner Trolle über Feminismus als mit diesen Personen über irgendetwas.

Noch ein Grund, der es mir schwer machte: Politik ist furchtbar langsam. Unsere gesamte Bürokratie stammt ja zum Teil auch aus der Idee, das mehrere Instanzen sich gegenseitig kontrollieren sollen, damit 1933 nie wieder passieren kann (how little did they know), aber das kostet alles sehr viel Zeit, die man – gerade wenn man digitales, agiles Arbeiten gewohnt ist – nur schwer aufbringen kann. Also ich. Schon vor ein paar Jahren habe ich das ja an einem Beispiel mal illustriert, wie das Tempo unserer Lokalpolitik war.

Fazit: Ich entscheid mich für jein (soll ich’s wirklich machen oder …). Es ist gut, sich zu engagieren und es ist sogar schon gut, hinter die Kulissen zu schauen: Es ist nur oft furchtbar, wie es da aussieht. Sie müssen sicher eine gewisse Dickfälligkeit mitbringen – oder die Kraft, sehr starre Systeme langsam aufzuweichen. Und ich kenne hier im Haushalt zwei Personen, die zwischendurch ernsthafte gesundheitliche Schäden davon getragen haben. Denn wir beide, wir waren natürlich aus dem Team „Überzeugungstäterin“.

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23.9.2023 – großer Onkel

Zwei Wochentage, die so langsam die Beschreibung „weitgehende Normalität“ verdienen. Ganz viel von dem Kleinkram weggearbeitet, der da so lag und ich könnte arbeitstechnisch fast entspannt sein, wenn da nicht dieser eine Job wäre, der Ende des Monats fertig sein soll und der überraschenderweise mehr als eine Woche brauchen wird. Andererseits sollte der zwischendurch auch schon April, Mitte des Sommers und Ende August fertig sein und mal sehen.

Die Freude eines guten Hausputzes genossen. Ebenfalls aufgeräumt: Den Fernsehempfang. Der TV-Anbieter – auch so ein Wort, das mein jüngeres Ich nicht verstanden hätte – hatte beiläufig mitgeteilt, die Fernsehsender würden neu geordnet und an einem Gerät bedeutete das ich alles neu ordnen musste, um meine Reihenfolge wieder zu haben. Meine Reihenfolge bedeutet hauptsächlich, dass alle Dokusender ganz vorn beieinander liegen, um nachts schnell erreichbar zu sein, wenn Insomnia und Serotoninmangel Ablenkung erfordern.

(Symbolbild „heute“)

Gestern Abend lösten Frau Mellcolm und ich ein paar Kriminalfälle, ich genoss Gesellschaft, Wachsein und gute Laune und wachte logischerweise heute Morgen mit heftiger Migräne auf, die mir auch den ganzen Tag erhalten blieb.
Und mit – und das möchte ich auf keinen Fall zu wenig feiern – mit einem Foto einer erschöpften Nichte auf dem Handy, im Arm einen neuen Menschen und verdammte Hacke, jetzt bin ich Großonkel.

Zeugs

Es gibt ja nicht nur Til Schweiger, es gibt noch weitere Abgründe des deutschen Films

… mit diesen Worten beginnt Wolfgang M. Schmitt seine Analyse der Filmreihe Bibi und Tina und das beides zusammen begeisterte mich natürlich sehr. Und dann höre ich dem FDP-looking jungen Mann zu und bin begeistert, dass sich jemand solche Gedanken macht:
Die kapitalistische Ideologie in BIBI & TINA


Wir erinnern uns: Während der Pandemie wurden wir alle sehr streng wissenschaftlich. Also, jedenfalls, wenn die Wissenschaft das sagte, was wir wollten; wenn die Wissenschaft z.B. sagte, dass Gegenrede gegen Schwurbler auf Twitter sogar kontraproduktiv ist, dann war sie wieder nicht so wichtig aber ich schweife ab und was ich sagen wollte ist, dass Theresa Bäuerlein ein sehr interessantes Gespräch mit einer Forscherin darüber geführt, was einer Wissenschaftlerin so zwischen Shitstorm und dem ungefragten Mitteilen der Masturbationsphantasien des Gegenübers so alles passiert, wenn ihr Forschungsobjekt Porno heißt.

Seit ich mich entschieden habe, Pornos wissenschaftlich zu erforschen, sind und waren permanent Menschen gegen das, was ich tue. Feministinnen. Talkshow-Teilnehmer:innen. Rechte Trolle. Am Anfang sogar meine Mutter. Das war und ist nicht immer einfach für mich. Vom Naturell bin ich eher ein People-Pleaser und hätte mir nie ausgesucht, so viel anzuecken. Schon an der Uni musste ich erleben, dass Wissenschaftler:innen und Promovierende mir meines Themas wegen die Kompetenz abgesprochen haben. Wenn du in einer Runde alteingesessener weißer Herren über Pornos promovieren willst, wirst du entweder sexualisiert oder nicht ernst genommen.

Theresa Bäuerlein interviewt Madita Oeming auf krautreporter.de:
Madita Oeming forscht über Pornos. Dabei hat sie vieles gelernt, das überhaupt nichts mit Sex zu tun hat.

Beim Flusskiesel gefunden: Diese ziemlich spooky Dokumentation, wie rechte Netzwerke und Maskulinisten sich vernetzen und hinter sozial und positiv klingenden Formulierungen gegen Frauen aktiv und nicht unerfolgreich Lobbyismus betreiben:

Krude Thesen, ausgefeiltes Lobbying und jede Menge Frauenhass: Sogenannte Väterrechtler machen vehement Einfluss in Politik und Justiz geltend – und untergraben den Gewaltschutz von Frauen und Kindern. CORRECTIV zeigt, wie ihre Netzwerke funktionieren.

Correctiv:
Väterrechtler auf dem Vormarsch

Und noch was Schönes.

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