24.9.2023 – another day, another Ausflug

Nach einer Nacht, die alptraum- UND schlaflosigkeitsmäßig alles gegeben hatte, dem Eskapismus ergeben und dahin gefahren, wo niedliche Tiere in die ersten Sonnenstrahlen blinzeln.

Noch nicht ganz fertig mit der Überlegung, ob der Bärenhintern nicht mein nächstes Profibild an den Stellen sein sollte, an denen man ein Profilbild braucht. Oder wenigstens auf X.

Sozialstudien in einem Zoo mitten im Ruhrgebiet betrieben und mit vielen Fragen ratlos zurück geblieben: Warum sprechen Eltern mit ihren Kindern als seien sie blöd?
Warum reden so viele Väter nur in Dad-Jokes? („Nach jedem fünften Menschen wird die Brücke einmal runter zu den Bären gelassen und guck mal, vier waren schon – also geh jetzt vor!“)
Warum muss für Kinder alles verniedlicht werden? („Siehst Du die Äuglein von dem Teddy?“)
Warum erzählen Eltern lieber Blödsinn(„Mama, wie heißen die Tiere?“ — „Dieter und Paul.“) als zuzugeben, dass sie keine Antwort haben – oder mit den Kindern zusammen auf einer der reichhaltig verteilten Erklär-Schilder zu schauen?

Lieblings-Dialog des Tages:
Mutter: „Schau mal, dahinten sitzt der Teddy!“ — Tochter, sehr empört: „Mamaaa. Das ist ein Braunbär und kein Teddy!

Nachmittags Schreibtisch. Man kann ja wenigstens anfangen, die Dinge zu tun, die Ende der Woche eventuell vielleicht vermutlich-doch-nicht-aber-wer-weiß fertig sein sollen könnten; auch am Sonntag.
Außerdem hat jemand hier Lieblingskuchen gebacken und jemand anderes sich darüber sehr gefreut.

Und während wir in unserem Friends-Rewatch die Folgen schauten, wo Rachel ihr Kind bekommt, trudelten Bilder vom neuen Großneffen ein und das war eine seltsame Parallelität der Ereignisse.

Sie fragen, Christian antwortet

Wie und wo haben Sie denn eigentlich Politik gemacht? Sollte man das auch tun?

Aus dem Wunsch-Doc

Oha. Ich denke ich versuche mal, mich an alles für den ersten Teil der Antwort zu erinnern und hoffe, ich habe am Ende dann auch eine Antwort auf den zweiten. Los gehts:
Ab 1997 war ich im erweiterten Kreis des hiesigen Arbeitskreis Asyl und habe dort im Laufe der Jahre diverses gemacht: Nachtwachen, als die örtlichen Nazideppen mit Brandanschlägen drohten, Deutschunterricht in den Erst-Unterkünften und eins zu eins, die (Überraschung!)Website, einen Sommer lang Orga und Stand-Dienst an einem Mais-Labyrinth, das uns ein Bauer gepflanzt hatte.
Ab ca. 1998 war ich hier in Menden regelmäßig in der Ratsfraktion der Grünen; ich hatte zwar keinen Sitz im Rat oder einem Ausschuss, habe aber oft an den Sitzungen teilgenommen und so mitgearbeitet.
2000 habe ich als Verantwortlicher zusammen mit zwei offiziellen Mitstreitern und diversen dutzend engagierten Helferinnen ein Bürgerbegehren gegen einen Ratsbeschluss der damals absoluten Mehrheit der CDU im Ort durchgeführt. Wir haben rechtlich zwar „verloren“, aber unsere Ziele durch den Öffentlichkeitswirbel zu 4/5 durchgesetzt.
Nach der nächsten Wahl hatte ich dann auch einen Sitz in einem Ausschuss, den ich aber schon vor Ablauf der Legislaturperiode abgegeben habe – Ausschuss-Arbeit war nicht meins.
Außerdem war ich ein paar Jahre Mitglied der LAG Digitales & Medien in Düsseldorf, habe ein paar Seminare für die GAR gegeben und auch Fachartikel für das damalige Mitgliedermagazin zum Thema „Wahlkampf im Web 2.0“ geschrieben.
Nach dieser aktiveren Zeit habe ich noch jahrelang ehrenamtlich die Website der Grünen hier im Ort betreut und auch immer mal wieder Wahlkampf- oder Infomaterialien konzipiert und gestaltet. Ähnlich für die stellvertretende Grüne Fraktionsvorsitzende Katja Dörner für die ich ihre gesamte Berliner Zeit hindurch die Website betreut und gelegentlich noch andere Materialien erstellt habe – bis sie dann zurück nach Bonn ging, um dort Oberbürgermeisterin zu sein.

Ob ich das empfehle?
Meine Erinnerungen an diese Zeit sind gleichzeitig sehr gute und sehr gruselige. Ich glaube, dass es gut war, diesen Betrieb mal von innen anzusehen – vor allem, da ich ja noch das Glück hatte, auf kommunaler, Landes- und Bundesebene hinter die Kulissen schauen zu können. Das führt dazu, dass ich heute sowohl manchmal denke „naja, Politik funktioniert schon echt anders“, wenn gerade im Netz Forderungen laut werden, von denen ich dann denke, dass sie halt utopisch sind – dass ich aber mindestens ebenso oft denke „Oh Gott, Politik funktioniert schon echt anderes“ wenn ich zwischen den Zeilen einer Pressemitteilung herauslese, was da wirklich an Klüngel und Inkompetenz passiert ist.
Es ist sicher sehr gut zu verstehen, warum Politik so funktioniert.

Was ich – vor allem im Rückblick – schlimm finde: Außerhalb des Bürgerbegehrens habe ich in all der Zeit kein einziges Mal „etwas verändert“ – dummerweise aber dauerhaft das Gefühl gehabt, ich säße ja an der Stelle, wo Dinge verändert werden. Was sicherlich an zwei Dingen lag: Ich saß immer etwas „nur an der Schwelle“, habe auch nie wirklich an die Stellen gewollt, wo ich vielleicht mehr hätte gestalten können – denn ich habe nun einmal eine schreckliche Aversion gegen Gruppen und Vereine. Selbst Schuld also.
Die Liebste, die „weiter drin“, deutlich aktiver und zum Schluss auch Fraktionssprecherin war, hat da rückblickend andere Erinnerungen – und das ist ja auch sehr gut so, denn halten wir fest: Die Stelle an der über unser Kaff hier entschieden wird, das ist nunmal unser Stadtrat. Und wenn man was verändern will, dann muss man eben mitarbeiten.
Zum zweiten – ich erwähnte die absolute CDU-Mehrheit damals – war ich als Grüner hier im Ort auch einfach in der falschen Partei, um gestaltender Politiker und nicht nur Opposition zu sein

Warum nicht tiefer rein? Politik – gerade aus kommunaler Ebene – ist ein furchtbarer Klüngel. Sie wird halt von einer sehr seltsamen Gruppe Menschen gemacht: Sie müssen Zeit genug haben, sich zu engagieren (die Lehrerdichte ist hoch), sie müssen genug selbstbewusstes Sendungsbewusstsein haben, sich engagieren zu wollen aber gleichzeitig unfähig genug sein, um schnell in Kreis- oder Landespolitik aufzusteigen.
Und außer Sendungsbewusstsein gibt es natürlich auch noch Machtgeilheit als Grund in die Politik einzusteigen – vor allem in der Kleinstadt kann man ohne einen Hauch von Sachkenntnis oder sonstiger Ahnung sehr schnell an einen Posten kommen, der von außen irgendwie wichtig wahr genommen wird. Haben Sie dann noch eine große Klappe und ein bisschen Talent zu polarisieren, dann werden Sie sich schon oft genug selbst in der Zeitung sehen.
Ich kenne Menschen, die durch die Fraktionen tingelten und gegen die Garantie eines guten Listenplatzes ihre Mitarbeit und eine gewisse Anzahl Wähler anboten – man habe da einen Ruf und sei sicher, man würde gewählt. Politische Überzeugung sieht anders aus.
Und ich kenne Menschen, die seit 30 Jahren hier im Rat sitzen und glauben Sie mir: Da diskutieren Sie lieber auf Twitter mit einer Gruppe misogyner Trolle über Feminismus als mit diesen Personen über irgendetwas.

Noch ein Grund, der es mir schwer machte: Politik ist furchtbar langsam. Unsere gesamte Bürokratie stammt ja zum Teil auch aus der Idee, das mehrere Instanzen sich gegenseitig kontrollieren sollen, damit 1933 nie wieder passieren kann (how little did they know), aber das kostet alles sehr viel Zeit, die man – gerade wenn man digitales, agiles Arbeiten gewohnt ist – nur schwer aufbringen kann. Also ich. Schon vor ein paar Jahren habe ich das ja an einem Beispiel mal illustriert, wie das Tempo unserer Lokalpolitik war.

Fazit: Ich entscheid mich für jein (soll ich’s wirklich machen oder …). Es ist gut, sich zu engagieren und es ist sogar schon gut, hinter die Kulissen zu schauen: Es ist nur oft furchtbar, wie es da aussieht. Sie müssen sicher eine gewisse Dickfälligkeit mitbringen – oder die Kraft, sehr starre Systeme langsam aufzuweichen. Und ich kenne hier im Haushalt zwei Personen, die zwischendurch ernsthafte gesundheitliche Schäden davon getragen haben. Denn wir beide, wir waren natürlich aus dem Team „Überzeugungstäterin“.

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
Schreiben Sie’s auf!

Alle bisherigen Antworten finden Sie übrigens hier.

Die Website setzt 1 notwendiges Cookie. Ich nutze Matomo, um zu sehen, welche Artikel Sie interessieren. Matomo ist lokal installiert es werden keine Cookies gesetzt, so dass Sie dort vollkommen anonym bleiben. Externe Dienste werden erst auf Ihre Anforderung genutzt.