Als ich gestern Abend aus dem Büro runterkam, fragte die Liebste „Na, fertig?“ und ich entgegnete: „Nö. Ich bin da gerade auf ein Problem gestoßen über das ich nachdenken müsste – und da hab ich keine Lust zu, das soll mein Hinterkopf ohne mich tun“ Und so geschah es: Eine Stunde später hatte ich die Lösung, ganz ohne dabei verzweifelt auf einen Bildschirm gestarrt zu haben; dafür schon mit leckerem Essen im Bauch und Schlumperhose an den Beinen.
Ich erzähls nur mal so, vielleicht kann der Freundeskreis „Auf leeres Papier starren“ ja was damit anfangen.
Einen schönen Blick auf die kommenden Freuden mit dem, was heute vollmundig als AI betitelt wird, bekam ich gestern Abend beim Feierabend-Blick ins RabbitHole YouTube, Unterabteilung Musikproduktion – ich verweile wenig überraschend gerne mal dort.
Evtl nötiges Technik-Wissen: Musikproduktion ist nicht nur „Schreib eine schöne Melodie und spiel dazu hübsche Akkorde und nimm das alles auf“, sondern (vereinfacht) auch „Mische die Lautstärken Deiner Instrumente so ab, dass man alles gut hört“ (= „Mixing“) und „Sorge dafür, dass alle Deine Lieder angenehm klingen und eine zueinander passende Klangfarbe und Lautstärke haben“ (= „Mastering“).
Technik-Wissen Ende.
Spätestens das Mastering ist keine einfache Sache und man kann Sound Engineering ganz oldschool als Ausbildung lernen. Aber wozu lernen, wenn es doch auch AI gibt, nicht wahr? Wir haben doch auch alle keine Zeit.
Der Markt ist überschwemmt mit Programmen, die einem AI-gestütztes Mastering mit einem Klick versprechen und gestern Abend stieß ich auf ein Video, in dem zwei Produzenten einen Einblick in ihren Produktions- und Mastering-Prozess gaben. Für die, die doch lernen wollen, aber aus Gründen keine klassische Ausbildung wählen können oder wollen.
Durchaus löblich die Idee, so kann man viel lernen.
Nur leider: Die beiden zeigten ihre DAW – also das Programm in dem Musik, Mix und Master entstehen – gingen dort die einzelnen Schritte durch und kaum übertrieben war beim Mastering dann jeder zweite Satz: „Ja, dann haben wir noch das PlugIn XY genommen, ich weiß gar nicht was das macht, irgendwie mehr Klarheit glaub ich und ich hab die Standardeinstellungen genommen“
In anderen Worten: Sie hatten ohne weitere Ahnung einfach möglichst viele der gängigsten (oder best beworbensten?) Programme eingesetzt, hintereinander geschaltet, im Angesicht der jeweiligen vielen, vielen Einstellungsmöglichkeiten kapituliert und es bei den Standard- bzw. den (so called) AI-Einstellungen belassen. Warum auch nicht, ihr Lied war in den Charts gelandet und in neoliberalen Welten gibt der Erfolg schließlich Recht nicht wahr? Aber wenn Sie einen Grund suchen, warum Musik immer gleicher klingt, dann haben Sie ihn gerade gelesen.
Wenn das mal nicht eine schöne Allegorie auf unsere Zeit ist, dann weiß ichs auch nicht.
Bevor Sie übrigens denken, ich würde hier technikfeindlich: Ich benutze so ein PlugIn natürlich auch. Vielleicht habe ich sogar drei oder vier davon (die beiden hatten alleine in dem einen Song 15) aber ich nutze die so: Ich wähle eins, lasse die „AI“ ihre Arbeit tun und danach drehe ich an jedem Regler um herauszufinden, was der tut und warum ein Algorithmus ihn so eingestellt hat.
Vielleicht klingt alles richtig mies, was ich tue, garantiert klingt es nicht Chart-kompatibel oder modern, aber es klingt so, wie ich’s gemacht habe. Es ist mühsam, es hat mich vier oder fünf Mastering-Durchgänge gekostet weil ich in jeder Runde so viel lernte, dass ich nach Song zehn bei Song eins wieder neu beginnen musste. Es gibt garantiert immer noch 1000 Optimierungsmöglichkeiten und mindestens 10 grobe Fehler. Aber es sind meine Fehler.
Ich werde also gar nicht technikfeindlich. Ich werde menschenfeindlich, das ist ein wichtiger Unterschied!
Irgendwo in einer anderen Welt schaue ich derweil zu, wie Menschen Community-Funktionen annehmen und benutzen, die ich mit-konzipiert und dann programmiert habe. Vor ein paar Tagen sind wir in eine Art geschlossene Beta-Phase gegangen und es ist wunderschön. Aus Gründen musste ich dort zeichnen und das habe ich seit Dekaden nicht gemacht – also raus aus der Komfortzone und mitten rein in den Kreis derer, die das beruflich tun.
Fail. Get up. Fail again. Repeat. And again! And again! And …
Aber: Das ganze unter Anleitung und es zeigte sich mal wieder, was eine gute Anleitung wert ist – am Ende failte ich mit deutlich mehr Ahnung als zu Beginn.
Die Liebste hat seit heute Mittag Herbstferien und das ist so gut, das können Sie sich gar nicht vorstellen.
Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.
Danke für den Satz
„Ich werde also gar nicht technikfeindlich. Ich werde menschenfeindlich, das ist ein wichtiger Unterschied!“
Dem ist nach Erlebnissen in dieser Woche nichts hinzuzufügen.
Danke für das schöne Wort ,,Schlumperhose“! Das gefällt mir besser als mein ,,Bollerbuchse“. :-)
,,Schlumperhose und Bollerbuchse auf großer Fahrt“ wäre ein schöner Titel für ein Kinderbuch.
„Bollerbuchse“ ist natürlich hier in dieser Stadt das eingebürgerte Wort, da ist das dann ja alles weitere sehr logisch.