7.2.2025 – ich bin kein Star, aber holt mich hier raus

Ja aber Du hast doch keine Angst, dass Du abgeschoben oder weggegsperrt wirst, Christian?“ fragte mich gestern jemand. Und abgesehen davon, dass ein Blick über den vielzitierten großen Teich reicht um live zuzugucken, wie schnell ein kompletter Umbau einer demokratischen Gesellschaft vor den Augen der erschreckend unbeteiligten Weltöffentlichkeit geschehen kann – nein. Im Moment noch nicht.
Ich habe Angst vor dem Klima, das Sätze wie sie im Moment fallen schafft.
Ich weiß nicht ob Sie schon einmal mit jemand zu tun hatten, dem Sie angemerkt haben, dass er Sie nicht für voll nimmt, nicht für voll nehmen wird und er sich deswegen auch nicht wirklich mit Ihnen einlassen will und wird. In der Schule bei den wirklichen Scheißlehrern kann einem so etwas passieren. Oder beim ALG-II-Fallberater. Oder beim Arzt, wenn man etwas außerhalb der Norm hat. Oder bei einem unangenehmen Chef.
Je enger wir sie die Definition von „normal“ ziehen lassen, desto mehr Situationen wird es geben, wo wir andere Menschen so behandeln können. Oder so behandelt werden – je nachdem, ob wir jetzt zufällig drin oder draußen stehen im großen normal-oder-nicht-Spielchen.
Wenn Sie zusehen wollen: Abends um viertel nach acht läuft im Moment IBES und da ist sich die ganze Gruppe gerade einig, dass eine nicht normal ist. Es ist Kehle-zuschnürend, welche Macht eine Gruppe von vier Menschen gegen eine fünfte hat, wenn sie erstmal beschlossen haben, dass die nicht mehr dazugehört. Aktuell finden sie es durchaus nicht abwegig zu sagen, dass die eine zaubern kann – oder aber mindestens Gehirnwäsche – weil ein sechster, noch neutral nicht ganz mitmacht in ihrem Gruppenhass.
Kann die aber nicht. Die hat einfach nur ADHS und reagiert in der Stress-Situation halt ADHS-ig.

Wir werden noch viel mehr solcher Situationen erleben, wenn nach der Wahl unser Land hier erst einmal wieder sicher und normal gemacht wird. Die Lager standen auch damals nicht am Anfang – zuerst wurde „wir gegen die“ so richtig salonfähig gemacht.


Darüber hinaus – dies ist ja immerhin auch ein Tagebuchblog– habe ich es irgendwie geschafft, meine Website endlich fertig* zu bekommen. Wenn Sie also mal schauen wollen, dann gerne hier entlang. Ich arbeite gerade noch an einem Angebot speziell für Privatkunden – mit Festpreis und den Dingen dabei, die die meisten Menschen, die auch so vor sich hin bloggen zum Beispiel fragen, wenn sie mich erstmal angerufen haben.
Dann löste sich eine Druck-Situation bei einer Kundin in Luft auf und der tag war tatsächlich einigermaßen gelöst. Bis der Brief von den Stadtwerken kam. Aber irgendwas ist ja immer.

*) „Ferti“g bedeutet hauptsächlich, dass die Dinge, die mir noch auffielen eher hinter den Kulissen und nicht für die menschlichen Besucher auf den ersten Blick erkennbar waren und ich heute noch gut beschäftigt war. It’s only human, I guess

Mittags klingelte ein Paketmännchen und brachte ein Päckchen mit einer kleinen Freude, die ich mir gegönnt und dann wieder vergessen hatte – so hatte ich dann heute zum zweiten Mal etwas davon!
We travel the world in search of rare or previously unreleased recordings by legendary artists.
Using our unique restoration process, we bring this priceless heritage back to life.
“ – so beschreibt The Lost Recordings selbst, was sie tun und ich hatte mir eine Aufnahme von Stan Getz und Astrud Gilberto gegönnt. Eine Aufnahme, die von 1966 bis 2021 in den Archiven des RBB vergessen gelegen hatte und meine Güte, das war aber mal jeden der vielen Cents wert. Schon das Cover – kennen Sie diese matten Oberflächen, die sich so ein bisschen samtig in der Hand anfühlen und die man schon wegen der Haptik gar nicht mehr weglegen möchte? Ich hab kurz reingehört und werde mir dafür so richtig Zeit nehmen. Und freu mich sehr vor.

Wir leiteten das Wochenende dann mit einer soliden Waffel ein. Can recommend.

Zeugs

Annette Schwindt hat eine Blogparade gestartet zum Thema #SoSollWeb. Ich hatte lustigerweise ja letztens schon begonnen über die offenen Protokolle die die DNA des Web bilden zu sinnieren und nun hat Johannes für diese Blogparade exakt alles das aufgeschrieben, was ich eigentlich hatte sagen wollen. Teilweise exakt bis auf die einzelne Formulierung herunter das, was ich noch so im Kopf herum drehte:

Wie also sollte das Internet sein? Die Antwort ist einfach: Es sollte so sein, wie es ursprünglich gedacht war. Ein Ort der Freiheit, der Offenheit und der Vernetzung. Ein Ort, an dem wir die Hoheit über unsere Daten haben und selbst entscheiden können, wie wir uns vernetzen und kommunizieren.

Johannes:
SoSollWeb: Ein Appell für ein freies, dezentrales Internet

Ich muss nochmal nachdenken, ich will da auch mitmachen.


Volker Weber zieht Konsequenzen:

Wer erinnert sich an den Film War Games und den berühmten Satz “the only winning move is not to play”? So komme ich mir mittlerweile bei der Internet-Nutzung vor. Jede App und jedes Plugin, die man nicht installiert, ist ein Gewinn. Jeder Account, den man nicht einrichtet, ist eine Erleichterung. Jede Option, die man ausschaltet, jedes smarte Gerät, dem man keinen Netzzugang gewährt, macht das Leben einfacher. Und Benachrichtigungen? Aus, aus, aus.

Vowe:
Appstinent

Und Johnny schreibt seinen ersten Newsletter seit anderthalb Jahren. Er schreibt, wie wir alle uns fühlen – müde. Aber auf der Suche nach Hoffnung und ich halte es da mit der Kaltmamsell: Lesen Sie den ganzen Text, den kann ich nicht durch ein Zitat angemessen zusammen fassen. Danke, Johnny.
Johnny Häusler: Spreeblick News #50

Vi ses. Hoffentlich.

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
Schreiben Sie’s auf!

Alle bisherigen Antworten finden Sie übrigens hier.

6.2.2025 – here we are, now entertain us

Den alsNirvana Reunion“ betitelten Auftritt von Dave, Kris, Pat und ein paar wechselnden Sängerinnen angeschaut. Seltsam unge- und unberührt gewesen; vielleicht weil es einfach so absofuckinlutely absurd ist, wenn da ein Saal mit Menschen ist, die geordnet in Reihen sitzen, während ihnen diese Musik zusammen mit Kim Gordons oder Joan Jetts Stimmbandfetzen um die Ohren fliegt.
Mir fehlt da etwas, wenn im Vordergrund keine Langhaarigen in Flanellhemden und Docs oder Chucks durchs Bild fliegen.

Zweiunddreißig Jahre ist es jetzt her, dass Kurt gegangen ist und inzwischen ist seine Wut, seine Trauer, seine Aggression und sein Frust halt Mainstream. Denn getreu dem Motto, „habe Deine Freunde bei Dir, Deine Feinde aber noch näher“ verleibt sich der Kapitalismus ein, was ihn angreift. Und dann spielen Nirvana plötzlich auf einer FireAid-Gala vor Reihen von Anzugträgern und alle finden es normal.
Und wer heute rebellische Musik macht, die trägt dabei wenigstens einen Minirock und bezeichnet als es als feministischen Akt, wenn sie sich auf OnlyFans räkelt. Den Typen, die auf ihre ausgedruckten Bilder wichsen und die Bilder davon in Foren teilen, denen ist das zwar egal, aber nun denn; vielleicht bin ich auch nur ein alter Mann.

Ich glaube nicht, dass Kurt je normal sein wollte. Also nicht mehr als wir alle, die halt anders sind, als die, die nicht dazugehören, weil sie das Spiel nicht mitspielen können. Weil sie die zehn Gebote ernst nehmen und dann mit denen aneinander geraten, die die zehn Gebote aufgeschrieben haben, weil sie die nicht vetshen, dass die selbst ihren Regeln ja gar nicht folgen wollen. Weil sie daran verzweifeln, weil sie daran verzweifeln, dass die, die die Macht haben bestimmen können, wer dazu gehört und wer nicht. Wer normal ist oder nicht. Ich glaube also, dass Kurt sehr gerne normal gewesen wäre, dass er nichts lieber gewollt hätte, als dass er auch normal hätte sein dürfen. Eben normal so wie er war und nicht ausgeschlossen, weil die Definition von „nomal“ zu eng ist.

Wir können gerade zusehen, was die tun, die wenig Skrupel aber ein sehr enges Bild von „normal“ haben. Was die tun, die die Regeln immer dann eng im Blick haben, wenn sie sie benutzen können, um andere zu unterdrücken. Gott will nicht, dass Frauen reden. Gott will nicht, dass es queere Menschen gibt. Nicht, dass Mexikaner im heiligen Sauerlan…oops, in den heiligen USA leben – und nur wenn man so ein guter Mensch ist wie der eine oder der andere, dann gelten die Regeln nicht.
Und der erste, der das Wort bigotter Wichser in den Mund nimmt, wird wegen schlechten Benehmens des raums verwiesen. Noch; eingesperrt wird erst später wieder.

Ich denke viel über „normal“ nach dieser Tage und darüber wie es die, die sich in meinen Augen als einzige absolut nicht normal verhalten, einsetzen, um einfach mal alle anderen zu unterdrücken. Ausländer und Queere, Frauen, Arme, Kranke und behinderte Menschen, alle, die halt nicht mitkommen wollen, die die nicht mitkommen könne, alle die sich nicht tief genug bücken, die nicht zackig genug grüßen, die mit der falschen Hautfarbe, Haarfarbe, Augenfarbe, es gibt kein Ende, wenn man erst einmal begonnen hat, die Welt in normal und unnormal, in menschlich und egal einzuteilen.

Tragischerweise denken schon seit immer die, die gerade eben noch normal genug sind, dass es sie ja nichts angeht. Hurra, ich bin ja nicht queer, ja kein Ausländer, kein psychisch kranker, und gottseidank keine Frau denken sie, wenn sie ihren Sauerlände… oops, Präsidenten feiern.
Ich bin nun nach offzieller Definition psychisch krank, kann mir das also nicht einreden und während ich in den letzten Jahren langsam tatsächlich begann zu glauben, dass sich die Welt ändert, dass das keine Beleidigung und keine Herabwürdigung mehr sein muss, macht es mir jetzt so Angst, dass ich nicht schlafen kann und mir permanent der Magen weh tut.
Gott, war ich naiv.
Ich habe so unfassbare Angst.

Kurt hätte das nicht so gewollt. Aber gottseidank haben wir ihn ja zum Mainstream gemacht, normal genug gemacht, dass wir ihm nicht mehr zuhören müssen. Und Kurts Asche ist weit genug verstreut, dass niemand hört, wie er sich im Grab immer noch die Stimmbänder rausschreit.

4.2.2025 – We’ll say goodbye to flesh and blood

(Tag 15)

Heute ist sie dann übergeschwappt, die Welle, also: Über mir. Als ich diesen Post bei Instagram sah begriff ich, warum ich so müde bin, warum mir der Magen so weh tut, warum ich so schlecht schlafe. Also nicht, dass mir das vorher nicht klar gewesen wäre, aber manchmal gibt es ja einen Unterschied zwischen Wissen und Wissen.
Begleiten Sie mich also noch kurz beim stupid walk for my stupid health ins Feld. Da hab ich ein bisschen die wenigen Dinge, die dort stehen, fotografiert.

Stranded starfish have no place to hide
Still waiting for the swollen eastern tide
There’s no point in direction we cannot
Even choose a side

Danach ein paar Eingangskanäle deaktiviert und auf der Couch gelandet. Mit Tee und Wärmekissen.
Vis ses. Hoffentlich.

3.2.2025 – I’m your fire, at your desire

(Tag 14)

Vorgestern abends staunend in der Einfahrt gestanden und in den Himmel geguckt. Die App verriet mir, dass ich neben Mond und Venus, die ich da sah, auch noch Uranus und Saturn nicht sah, weil die von der Mondsichel überstrahlt wurden.
Sehr hmbl gefühlt. Es sollten öfter Menschen da hoch gucken.
Aber dieser Kanzlerkandidat guckt ja nicht mal auf den beim vorvorletzen Sturm nieder gemähten Wald auf dem Hügel gegenüber, wenn er aus der Haustür tritt. Und glauben Sie mir – hier in der Gegend werden Sie weniger eindrückliche Beispiele für die Folgen von Extremwetter-Situationen finden als diese kahlen Hügel.

Auch die Nachbarn standen draußen, weil die fast-schon-Schulkind-Tochter wissen wollte, wie der helle Stern da heißt. Es sind nicht alle schlecht.

Heute das erste Mal dieses Jahr die Jalousien vorsichtig genau an die Grenze herunter gelassen, dass noch so viel Sonnenschein wie möglich durchs Fenster kommt, aber die Schattenlinie exakt an der Kante der Schreibtischplatte liegt – damit ich noch was sehe und die Geräte nicht in der Sonne stehen.
Made my happy.

Das erste Mal dieses Jahr die kleinen bunten Flecken auf dem Boden, an der Wand oder auf dem Schreibtisch gesehen, die die kleine Prisma-Kugel willkürlich irgendwohin wirft, wenn die Sonne scheint.
Made me very happy.

Three makes a row, oder? Dann habe ich seit heute Morgen eine Reihe von kleinen Sporteinheiten in meine tägliche Routine … Entschuldigung, ich muss kurz lachen … in meine tägliche Routine eingebaut. Überraschend wohltuend.
Als ob ich eine Routine hätte, also bitte.

Vermutlich jemanden mit einer Absage überrascht. Er ist bei einer langjährigen Kundin, die ich eh aufgrund von fehlendem Zusammenarbeitswille in den letzten Jahren abgeschrieben hatte als Marketing-Dings eingestiegen. Als erstes teilte er mir mit, dass er natürlich sein eigenes Netzwerk hat – fand ich ok. Dann war aber noch was ganz dringendes und ich sollte nochmal schnell ran – gut, eine Stunde kann man ja noch machen, wenn es da brennt. Es folgte heute die nächste brandwichtige Sache und ich fand das einen guten Moment um daran zu erinnern, dass wir uns doch eigentlich schon getrennt hatten.
Ich habe die vage Idee, dass ihn das überrascht hat.

Noch ein paar Feinheiten an der responsiven Darstellung meiner neuen Website poliert. Erinnern Sie sich, als ich letztens schrieb „nur noch responsive, dann kann ich launchen“. Haben Sie da schon so gelacht? Ich inzwischen auch, jaja.

Und sonst so? Diesen Monat läuft meine Kreditkarte ab. Ich hab also heute an ein oder zwei oder vielleicht auch deutlich mehr Stellen die neuen Daten eingetragen. Dann war es auch schon dunkel.

Sie fragen, Christian antwortet

Warum schreiben Sie eigentlich nichts über Trump oder Merz oder überhaupt aktuelle Politik?

… lese ich im
Fragen-Doc

… und abgesehen davon, dass ich es heute ja ein wenig tat, ist die Antwort einfach: Ich halte es nicht aus. Ich denke, das Sie alle meine politischen und gesellschaftlichen Ansichten eh kennen und meine Kraft reicht im Moment nicht aus, mich weiter in diese Untiefen hinein zu begeben. Überraschenderweise macht es erstaunlich müde, wenn man drei Dekaden lang vor den Gefahren warnt und dann plötzlich doch alles schlimmer kommt. Ich habe eh jede Nacht Alpträume vor Angst und muss sehr auf mich achten.

Zeugs

Aber Christian, Du glaubst doch nicht wirklich, dass die auch in der gesetzlichen Krankenkasse noch ein zwei-Klassen-System einführen – je nachdem, ob man ihnen Daten gibt oder nicht“ sprach der alte Freund. Der queere Freund übrigens, der auch kein Problem darin sah, dass die A*D irgendwo angefragt hatte, ob es Listen darüber gäbe, wie viele homosexuelle Menschen in der Stadt leben würden – also nehmen wir es ihm nicht übel, er hat die Weitsicht einfach nicht.

Wohin die Reise mit den Gesundheitsdaten geht, scheint sich mit dem Start der „elektronischen Patientenakte für alle“ immer mehr abzuzeichnen. Während Polizisten Zugang zu den Daten zur Strafverfolgung wünschen, spricht sich Friedrich Merz (CDU) in einer Wahlkampfrede über einen finanziellen Vorteil für diejenigen aus, die ihre Gesundheitsdaten spenden. Zwar steht dieser Punkt nicht im Wahlprogramm, dennoch spielt er mit diesem Gedanken und lässt potenzielle Wähler daran teilhaben. Wer laut Merz all seine Gesundheitsdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte speichert, „bekommt 10 Prozent weniger Krankenversicherungsbeiträge als derjenige, der Angst hat und sagt, ich will das nicht“.

heise.de:
Merz: Wer Daten bereitstellt, zahlt 10 Prozent weniger Krankenkassenbeiträge

Vi ses. Hoffentlich.

Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.

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