Den als „Nirvana Reunion“ betitelten Auftritt von Dave, Kris, Pat und ein paar wechselnden Sängerinnen angeschaut. Seltsam unge- und unberührt gewesen; vielleicht weil es einfach so absofuckinlutely absurd ist, wenn da ein Saal mit Menschen ist, die geordnet in Reihen sitzen, während ihnen diese Musik zusammen mit Kim Gordons oder Joan Jetts Stimmbandfetzen um die Ohren fliegt.
Mir fehlt da etwas, wenn im Vordergrund keine Langhaarigen in Flanellhemden und Docs oder Chucks durchs Bild fliegen.
Zweiunddreißig Jahre ist es jetzt her, dass Kurt gegangen ist und inzwischen ist seine Wut, seine Trauer, seine Aggression und sein Frust halt Mainstream. Denn getreu dem Motto, „habe Deine Freunde bei Dir, Deine Feinde aber noch näher“ verleibt sich der Kapitalismus ein, was ihn angreift. Und dann spielen Nirvana plötzlich auf einer FireAid-Gala vor Reihen von Anzugträgern und alle finden es normal.
Und wer heute rebellische Musik macht, die trägt dabei wenigstens einen Minirock und bezeichnet als es als feministischen Akt, wenn sie sich auf OnlyFans räkelt. Den Typen, die auf ihre ausgedruckten Bilder wichsen und die Bilder davon in Foren teilen, denen ist das zwar egal, aber nun denn; vielleicht bin ich auch nur ein alter Mann.
Ich glaube nicht, dass Kurt je normal sein wollte. Also nicht mehr als wir alle, die halt anders sind, als die, die nicht dazugehören, weil sie das Spiel nicht mitspielen können. Weil sie die zehn Gebote ernst nehmen und dann mit denen aneinander geraten, die die zehn Gebote aufgeschrieben haben, weil sie die nicht vetshen, dass die selbst ihren Regeln ja gar nicht folgen wollen. Weil sie daran verzweifeln, weil sie daran verzweifeln, dass die, die die Macht haben bestimmen können, wer dazu gehört und wer nicht. Wer normal ist oder nicht. Ich glaube also, dass Kurt sehr gerne normal gewesen wäre, dass er nichts lieber gewollt hätte, als dass er auch normal hätte sein dürfen. Eben normal so wie er war und nicht ausgeschlossen, weil die Definition von „nomal“ zu eng ist.
Wir können gerade zusehen, was die tun, die wenig Skrupel aber ein sehr enges Bild von „normal“ haben. Was die tun, die die Regeln immer dann eng im Blick haben, wenn sie sie benutzen können, um andere zu unterdrücken. Gott will nicht, dass Frauen reden. Gott will nicht, dass es queere Menschen gibt. Nicht, dass Mexikaner im heiligen Sauerlan…oops, in den heiligen USA leben – und nur wenn man so ein guter Mensch ist wie der eine oder der andere, dann gelten die Regeln nicht.
Und der erste, der das Wort bigotter Wichser in den Mund nimmt, wird wegen schlechten Benehmens des raums verwiesen. Noch; eingesperrt wird erst später wieder.
Ich denke viel über „normal“ nach dieser Tage und darüber wie es die, die sich in meinen Augen als einzige absolut nicht normal verhalten, einsetzen, um einfach mal alle anderen zu unterdrücken. Ausländer und Queere, Frauen, Arme, Kranke und behinderte Menschen, alle, die halt nicht mitkommen wollen, die die nicht mitkommen könne, alle die sich nicht tief genug bücken, die nicht zackig genug grüßen, die mit der falschen Hautfarbe, Haarfarbe, Augenfarbe, es gibt kein Ende, wenn man erst einmal begonnen hat, die Welt in normal und unnormal, in menschlich und egal einzuteilen.
Tragischerweise denken schon seit immer die, die gerade eben noch normal genug sind, dass es sie ja nichts angeht. Hurra, ich bin ja nicht queer, ja kein Ausländer, kein psychisch kranker, und gottseidank keine Frau denken sie, wenn sie ihren Sauerlände… oops, Präsidenten feiern.
Ich bin nun nach offzieller Definition psychisch krank, kann mir das also nicht einreden und während ich in den letzten Jahren langsam tatsächlich begann zu glauben, dass sich die Welt ändert, dass das keine Beleidigung und keine Herabwürdigung mehr sein muss, macht es mir jetzt so Angst, dass ich nicht schlafen kann und mir permanent der Magen weh tut.
Gott, war ich naiv.
Ich habe so unfassbare Angst.
Kurt hätte das nicht so gewollt. Aber gottseidank haben wir ihn ja zum Mainstream gemacht, normal genug gemacht, dass wir ihm nicht mehr zuhören müssen. Und Kurts Asche ist weit genug verstreut, dass niemand hört, wie er sich im Grab immer noch die Stimmbänder rausschreit.