Sie wissen ja, dass ich ein Google-Doc für Fragen habe und schon länger steht darin eine Frage, die mich vor überraschende Probleme stellte. Sie lautet:
Darf ich fragen, was bei Ihnen so für Geräte in der Hifi-Ecke stehen bzw wie Sie überhaupt Ihre Musik so hören und vielleicht auch wie Sie sie verwalten?
… und weil das vermutlich ziemlich special interest ist, gibts jetzt hier gleich einen Link zum Weiterlesen, denn das wird länger. Und wenn es Sie interessiert, dann können Sie ja klicken.
Warum Probleme? Sollte nicht für einen Musik-Liebhaber die Aufforderung über sein Lieblingshobby zu sprechen, der Himmel sein? Endlich mal wie im Autoquartett alle Leistungsdaten aufzählen, die Vorteile nennen, die dazu geführt haben, dass jetzt eine TKX – 45 B mit den guten verdröppten Wüllen hier steht und nicht die jüngere 45 C-Reihe, bei denen die nur noch gelufft sind?
Sollte man meinen, ja.
Ist aber nicht so. Ich habe mich von diesen – meist doch typisch männlichen – Gesprächen schon so lange verabschiedet, dass ich nicht mal im Lieblingsladen vor Ort sagen kann, was ich schon habe und was ich will, ohne es mir aufzuschreiben. Mein Kopf verweigert das Merken dieser Buchstaben-Kombinationen komplett weil ich es quasi nur aus Schwanzvergleichsgesprächen kenne.
Dazu kommt, dass ich lange kein Geld für dieses Hobby – was sehr, sehr teuer werden kann wenn man will – übrig hatte und ich andererseits genau weiß, dass „echte Audiophile“ über mein Equipment die Nase rümpfen werden. Während andere, die auch gut Musik aus der Tschibo-Boombox hören, wahrscheinlich erschrecken, wie viel Geld da rein geht – eine komplette Lose-lose-Situation also irgendwie, wenn mir wichtig ist, wie andere über mich denken. Zumal es ja auch ein vollkommen unnötiges, leicht anachronistisches Hobby ist und ich wirklich sehr ungern protze.
Trotzdem will ich die Frage natürlich ernst nehmen und … naja, ich fang mal an.
Das Konzept
Ich fang mal im Großen an: Ich habe in meinem Büro einen kleinen Server stehen, auf dem alle meine Musik in Form von verlustfrei komprimierten flac-Dateien gespeichert ist. Alle CDs, die ich mal besaß, sind dort wieder als Dateien gespeichert und wenn ich neue Musik kaufe, landet sie da auch.
Auf dem Server läuft auch Plex* und damit kann ich, wo immer ich möchte, alle diese Musik hören: Im Wohnzimmer steht ein Apple-TV, im Büro läuft ja eh ein Computer, beim Saugen ist Plex auf dem Handy und wenn ich es möchte via VPN auch im Auto.
Ich mache mir die Mühe, die Dateien ordentlich zu taggen, wobei XLD (womit ich CDs rippe) da fast komplett perfekt die Arbeit übernimmt.
*) Eine Software, die auf der Website ein bisschen den Eindruck vermittelt, eine Art ultimativer Streaming-Dienst zu sein und auch schon mal arg in Verruf geriet, weil man damit seine eigenen Daten (illegal) an andere Plex-Nutzer weiter streamen kann. Man kann sich aber auch einfach nur an der guten Oberfläche zum Streamen der eigenen Daten an alle möglichen Endgeräte erfreuen.
Im Wohnzimmer stehen außerdem ein Plattenspieler und ein paar LPs – das sollen wieder mehr werden – was vollkommen dieses tolle Konzept einer zentralisierten Struktur mit sauber getaggten Dateien ohne Dopplungen sprengt. Aber es macht halt einfach so viel Freude, Platten zu hören.
Auf den Platten liegt beim Hören ein Gewicht und darunter eine Kork-Slipmat, aber die ist für mich optische Spielerei
„Listening-situations“
Es gibt zwei Orte, an denen ich bewusst Musik höre. Oder sagen wir: Anderthalb. Im Büro am Schreibtisch (meist bei der Arbeit, daher zählt das nur halb) und im Wohnzimmer auf der Couch. An beiden Stellen steht ein guter klassischer Verstärker mit je zwei Boxen zu einem Stereo-Dreieck drapiert – call it „Stereoanlage“ – im Wohnzimmer ergänzt von einem Subwoofer, einem Center und zwei kleinen Boxen hinter der Fernseh-Couch, so dass da auch Kino im Surround-Modus geht.
Außerdem stehen neben den Boxen auf dem Schreibtisch noch zwei große Standboxen im Raum, die aber kaum noch benutzt werden.
Für die Boxenständer habe ich mir im Baumarkt vier Platten auf das Maß der Box und zwei Klötzchen sägen lassen. Alles in schwarze Dekofix-Folie eingepackt, aufeinander geschraubt und Filzgleiter drunter geklebt. Wiegt viel und ist daher stabil und sieht ausreichend ok aus.
„Mobile situations“
Fürs Staubsaugen oder spontane nächtliche dringende Musik-Bedürfnisse habe ich mir zuletzt auch noch einen Noise-Cancelling-Bluetooth Kopfhörer zugelegt und nutze ihn erstaunlich oft.
Zahlen, Namen, Fakten, Herr Fischer!
Na gut. Im Wohnzimmer ist die Zentrale ein Denon AVR-X1600H Receiver. Rechts und links stehen zwei Argon Audio ALTO55 Mk2 (vier Monate später wurden die durch Dali Oberon 5 ersetzt) Standboxen und in der Mitte eine missbrauchte JBL Control 1 als Center (Surround ist mir kaum wichtig und die Control 1 lag hier noch einsam rum, nachdem ihr Partner verstorben war).
Dann noch ein Paar ca 10x10x10cm Canton-Würfel für hinten, keine Ahnung wie sie heißen, sie sind weiß. Surround ist mir echt nicht wichtig, ich freue mich, wenn hinten ein bisschen Athmo ist. In der Mitte steht ein Dali SUBE9F Subwoofer.
Dann steht da auch noch ein Denon CD-Player, aber nur noch als Fallback und ich weiß nicht wie er heißt.
Der aktuelle Plattenspieler ist ein Reloop Turn 2 mit dem mitgelieferten Ortofon OM10 Abnehmer.
Das Ganze ist über die Einmeß-Funktion des Denon eingemessen und angepasst, ich höre aber zB Platten immer direct. Der Subwoofer übernimmt erst unter 80Hz und ist nicht laut, der stützt wirklich nur unten ein bisschen. Meine Hosenbeine müssen nicht flattern, this ain’t no techno club.
Im Büro steht ein ziemlich alter Sony-Verstärker STR-DB 940 – Baujahr 2000 sagt das Internet. Daran rechts und links auf dem Schreibtisch zwei DALI SPEKTOR 2, die sich still, haha: nein, gar nicht still aber heimlich zu meinen Lieblings-Speakern im Haus entwickelt haben; sie sind so unfassbar warm und musikalisch, ich liebe, liebe, liebe das. Die Argons im Wohnzimmer kommen da – seit der Subwoofer da ist – fast ran, brauchen aber schon viel Lautstärke für diese Musikalität. Die Oberons im Wohnzimmer bekommen das aber auch sehr, sehr gut hin.
Wie gesagt stehen da auch noch zwei Standboxen im Raum, konkret JBL ES 80 die ich als erste große Boxen kaufte, nachdem ich lange Jahre nur Musik über Control Ones gehört hatte und dachte, dass ich den klaren, neutralen JBL-Sound mögen würde. Tja. Jetzt sind sie mir zu kühl.
Vom Laptop und vom Desktop-Rechner führt jeweils ein Kabel in ein kleines Mischpult und von da eins in den Sony. Auch an anderen Stellen vermeide* ich Bluetooth- oder andere Funk-Verbindungen um Sound zu transportieren, auch wenn es ginge.
*) Der Denon kann zB als AirPlay-Speaker fungieren und das könnte ja schön sein – aber als ich mal miterlebte, wie mitten im Musikhören der Subwoofer in Standby ging und lernte, dass bei dieser Verbindung alle Frequenzen unter 80 Hz also offensichtlich verloren gehen, beschloss ich endgültig, lieber mit Kabeln zu arbeiten.
Der Schreibtisch ist außerdem der Platz, an dem ich auch Musik mache – die Dalis sind also auch meine Abhöre. Klar, das ist Home-Studio-Frickelei vom feinsten, aber wenn man weiß, wie sie klingen, kann man auch mit nicht neutralen Speakern abhören. Außerdem arbeite ich da viel mit einem AKG K702-Kopfhörer und dem Sonarworks Sound Id Reference-PlugIn, das die Charakteristik der Kopfhörer neutralisiert und mir beim Abhören wieder etwas Raum in die Kopfhörer simuliert. Geht gut, finde ich.
Wer mir auf Kleinanzeigen folgt, weiß, dass es andere Speaker, andere Verstärker und auch einen anderen Plattenspieler davor gab. Ich habe (natürlich) rumprobiert und erst im Laufe der Zeit gemerkt, dass ich zum Beispiel lieber einen warmen musikalischen Klang möchte, als den klinisch perfekt neutralen. Argon-Speaker werden bei Dali im Haus gebaut und – wie gesagt: Dali und ich, das passt schon gut.
Ach ja: Die Bluetooth-Headphones sind Bowers Wilkins Px7 S2 – überraschenderweise ging ich mit dem festen Kaufplan, Dali-Kopfhörer zu besitzen, in den Laden rein – aber zum Glück haben die da ja gute Beratung und man kann Dinge testen.
Wünsche?
Ich streiche aus Gründen, die oben vielleicht anklingen, um Standboxen von Dali fürs Wohnzimmer herum (die Standboxen von Dali sind inzwischen da, jetzt muss ein größerer Verstärker her), aber auch den Reloop Turn X finde ich sehr attraktiv, da ich irgendwie direkt angetriebene Player mag. Und sechs Kilo Unterschied werden vermutlich auch einen Unterscheid machen.
Und dann noch:
Was ich noch dringend sagen wollte: Das ist ja alles Geschmacksache und das sollte auch so bleiben. Mein Lieblingsladen ist es geworden, weil er eben weder esotherisches Zeug verkauft, noch preiswerte Geräte und ihre Käufer automatisch verachtet. Ich kann dort sowohl eine Stunde lang verschiedene Kopfhörer testen als auch nur für Spaß und ohne jede Kaufabsicht mir die 18.000€-Super-Speaker anhören und mit dem Verkäufer krass klingende Musiktipps austauschen. In allen bisher von mir besuchten Filialen (Hamburg, Essen, Aarhus) traf ich ausschließlich nette Menschen, die gerne Musik hören und dieses Hobby wieder fördern wollen, statt es weiter in die Nerd-Ecke zu befördern.
Mir hat es vor allem sehr geholfen, da Platz zu haben um meinen Geschmack zu finden und mir diese Zeit zu nehmen – ja, auch in unserer Zeit der prime 24h-Lieferungen kann ich’s nur empfehlen. In Läden mit so einer Philosophie findet man auch preiswerte Lösungen und auch welche, die nicht prominent im Raum stehen müssen – wenn man gar keine Lust auf eine sichtbare Stereoanlage hat.
Wenn Sie sich im Hifi-Laden unwohl fühlen, ist der Verkäufer Schuld.
Ich weiß, wir alle haben das Musikhören verlernt, wir hören oft Musik sogar nur noch mono, aber: probieren Sie’s echt mal aus: Da können ein iPhone und die kleinen Ohrstöpsel noch so viele Softwaretricks anwenden und das klingt ja auch alles nicht schlecht. Aber im Stereodreieck zu sitzen und mit der Musik in einem Raum zu sein, ist etwas anderes.
Natürlich sind „steril“, „analytisch“, „warm/kalt“ oder „musikalisch“ erst einmal Begriffe, die quasi nichts aussagen. Aber ich glaube, dass die meisten Menschen es hören können, wenn sie den Vergleich haben. Auch die Liebste, die immer zuerst „ich habe ja keine Ahnung davon“ rufen würde, konnte bei Vergleichstest immer schnell sehr klar sagen, was ihr gefiel und was nicht.
Und auf mehr kommt es in my humble opinion nicht an.
Natürlich weiß ich, dass gerade der HIFI-Markt auch sehr von Spinnern besetzt ist, denen man für viel, viel, viel Geld jeden Scheiß andrehen kann, wenn man ihn nur schick genug betextet und die natürlich auf jeden herunter gucken, der nicht behauptet, in der Lage zu sein, den Unterschied zwischen verschiedenen Mehrfachsteckdosen zu hören. Würde ich auch tun, schon alleine, um meine Steckdosenleiste für 700,- vor mir selbst zu rechtfertigen.
Ich denke dann gerne an die Geschichte mit der Farbe auf dem Rand der CD und grinse.
Abschließen will ich diesen kleinen philosophischen Absatz mit einem Satz, der mir letztens auf einem Sharepic begegnete: „Musik-Liebhaber nutzen eine gute Anlage, um Musik zu hören – Audiophile nutzen gute Musik, um ihre Anlage zu hören“
Und deswegen bin ich nicht audiophil.