17.-20.7.2023 – wo die wilden Kerle wohnen

Montag:
Ein Tag auf der Autobahn. Es ist wenig zu berichten, außer dass das Batmobil wirklich ein wirklich gutes Reisemobil ist, dass die hier beschriebenen Entspannungseffekte beim Reisen immer noch so eintreten und: Dass ich es beeindruckend finde, auf der Autobahn nach Bayern reinzukommen und zu sehen, wie die Straßen da ausgebaut sind. Holzverkleidete Schallschutzwände, Alter. Selten weniger als sechs Spuren. Da sieht man, wo die Prioritäten liegen.*

*) Andererseits: Die Stadt ist mit Wahlplakaten voll und die CSU prahlt damit, dass Bayern Nummer eins bei den erneuerbaren Energien ist. Heuchler.

Nach acht Stunden Fahrt – nur mit einem kurzen Zwischenstop um die Liebste bei der Verwandtschaft abzusetzen – saß ich im MotelOne in München und atmete mal durch. Ja. Ich in München. So hab ich auch geguckt.

Dienstag:
Schlecht geschlafen (Hotelbett halt), früh aufgewacht. Fenster auf, jetzt wo es noch kühl ist. Als erstes zieht sanfter Cannabis-Geruch durchs Zimmer. Ach ja, in der Tiefgarage stehen viele niederländische Kennzeichen.
Textliches Highlight des Tages: „ein multifunktionaler Event-Cluster von Weltruf“. Aha. ich fahre trotzdem für einen kleinen Morgenspaziergang in den Olympiapark, an den habe ich Kindheitserinnerungen und ich möchte die auffrischen.
Irgendwann im letzten Jahr habe ich eine Doku über die Olympischen Spiele 1972 gehört – gestartet als die heiteren Spiele und allen im Gedächtnis geblieben als die Spiele, die von einer palästinensischen Terrorgruppe unterbrochen wurden. Selbst an diesem Morgen, wo hektisch und laut für irgendein Event aufgebaut wird, kann man auf dem Gelände die Idee von damals spüren. Ich setze mich auf eine Bank und kann mir gut vorstellen, wie damals die Sportlerinnen und Besucherinnen über das Gelände strömten.

Dann aber zu den eigentlichen Grund, der mich die Liebste begleiten und dann nach München weiter fahren ließ: das Franz Marc Museum, ca 1 Stunde südlich der Stadt. Erkenntnis eins: ich bin wirklich noch deutlich blöder als ich dachte und habe echt gestaunt, dass ich von München aus ja schon die Alpen sehe. Dann, dass ich schon in echt hügeliges Gelände komme. Dann dass ich am Fuß der ersten richtigen Berge stehe. Tja.

Aber zu Franz Marc. Wenn Sie schon ein wenig länger da sind, dann erinnern Sie sich vielleicht, dass ich den sehr liebe. Ich hatte mal versucht, das rüber zu bringen.
Kennen Sie das? Da ist etwas, was Sie zuverlässig tief berührt und wenn Sie versuchen, es zu wiederholen, dann setzt plötzlich der erhoffte Kick nicht ein? Ich brauchte ein halbe Etage, während der ich mir viele tolle Bilder ansah, Skizzenbücher dafür bewunderte, wie viel Kraft schon schwarzweiße Bleistiftskizzen hatten, endlich lernte, warum ich Marc mag und Macke nicht so sehr und das war alles prima und toll und auf einmal stand ich dann vor einem Bild und das umging alle Vernunft, alle kognitiven Ebenen und traf direkt ins Herz. Nur für diesen Moment hat die Fahrt gelohnt.

Anschließend fuhr ich aus Versehen noch auf einen dieser richtigen Berge – ok, da oben ists schon recht beeindruckend. Aber trotzdem: Im Zweifelsfall immer: Meer.

Nachmittags Pause im Hotel, denn abends hatten ich mich mit Frau Mellcolm verabredet. Über den Daumen seit zehn Jahren sind wir befreundet und heute haben wir uns das erste Mal getroffen und uns gefreut wie kleine Honigkuchenpferde – etwas was vielleicht nur diese Internetmenschen verstehen. Aber das kann mir ja egal sein, ich fuhr jedenfalls spät und selig grinsend über einen schönen Abend spät wieder ins Hotel. Nur dafür hätte sich die Fahrt gelohnt.

Foto: mellcolm

Mittwoch:
Einen meiner ältesten Freunde habe ich kennen gelernt, als ich noch eine Agentur hatte und er noch ein Praktikum machen musste. Und wir beide noch a full bunch of hair, wie Peter Gabriel einmal so schön über Tony Levin und sich sagte. All das ist lange her und vor ca anderthalb Jahren ist er dann blöderweise so weit weg gezogen, dass wir uns nicht mehr einfach so zwischendurch mal besuchen konnten. Aber immerhin so nah an München, das ich wenigstens jetzt mal auf einen verlängerten Kaffee hinfahren konnte. Und das war auch sehr schön – Freundschaften, die 20 Jahre überleben, die wollen ja auch gelegentlich mal gepflegt werden. Nur dafür hätte sich die Fahrt gelohnt.

Auf dem Weg brauchte ich Strom und landete an einem TruckStop, der gerade erwachte. Und ich liebe so etwas. Alte „Auf Achse“-Romantik oder so, aber ich konnte da die halbe Ladezeit zugucken. Na gut, und die andere Hälfte mich daran erfreuen, dass das Batmobil mit dem letzten Update einen YouTube-Player bekommen hat.

Nachmittags fuhr ich das erste Mal in die Stadt selbst, denn dort war ich mit Anette verabredet. Auch wir kannten uns bisher nur online, aber fanden auch schon länger „wenn Du mal in der Stadt bist, trinken wir mal was zusammen“. Was wir in einem Biergarten taten. Und eine Stadtführung bekam ich. Und lecker gegessen haben wir. Und am Ende standen dreimal so viele Schritte auf dem Schrittzähler wie sonst und die Touri-Attraktionen sind durch und wir haben uns verabredet, dann beim nächsten mal deeper in einzelne Viertel einzutauchen. Und (ja, die Wiederholungen sind Absicht) vor allem bin ich wieder mal sehr froh, diese Internetmenschen zu kennen, denen man dann auch mal begegnen kann und tolle Abende verbringen kann. Nur für dieses Erlebnis hätte sich … Sie wissen schon.

Donnerstag:
Früh aufgestanden, früh ausgecheckt, früh zum Frühstück zur Verwandtschaft der Liebsten gefahren und dann ab auf die Autobahn. In der Mitte ging das GPS verloren und wir mussten die Restkilometer auf Basis von Autobahnschildern berechnen. Wie so Neandertaler. Dafür das noch mal wieder tun zu müssen, hätte diese Fahrt echt nicht sein müssen.

Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
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3 Kommentare

  1. Ich möchte vorschlagen, dass das Wort ,,Cluster“ immer mit dem schönen Wort ,,Klumpen“ übersetzt wird.

  2. „…wir mussten die Restkilometer auf Basis von Autobahnschildern berechnen.“ Das hat die Fahrt doch erst zu einem richtigen Abenteuer gemacht. Eine Westfale traut sich nach Bayern und findet ohne Hilfe den Weg wieder raus.

Kommentare sind geschlossen.

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