Ach guck, wir (ich) treten offensichtlich wieder in eine Alptraumphase ein*. Also immer nur im Stundentakt geschlafen und dann aus Mord und Totschlag hochgeschreckt – dementsprechend etwas müde, als die Liebste zur Schule gebracht werden will; ihr Auto stand nämlich seit gestern Abend schon für die Inspektion vor der Werkstatt.
Exakt diese Werkstatt rief dann eine Stunde später an und überraschte mit diversen Kleinigkeiten sowie der freudigen Mitteilung darüber, dass wohl irgendwer mal in das Auto reingefahren war und ein paar Dinge verzogen hinterlassen hatte. Ich erschrak, fuhr hin, guckte und war dann erfreut, als wir nur knapp in den vierstelligen Kostenrahmen reinrutschten – nach der ersten Schilderung hatte ich da bestimmt das vierfache befürchtet.
Aber sehr wach war ich dann.
*) Die habe ich regelmäßig, insgesamt so ca zwei bis drei Fünftel des Jahres – dies nur so als Info für die Freunde des Arbeitskreises „ach, wir haben doch alle ein Trauma“
Vomittags am Schreibtisch noch ein paar Korekturen und ein Kennenlern-Telefonat mit einem sehr netten Menschen mit dem zusammen ich in ein kleines Dilemma gerutscht war, weil er eine Website übernehmen soll, der Eigentümer sich aber nicht zurückmeldet, um die Übergabe freizugeben. Wir haben Lösungen gefunden.
Nachmittags am Schreibtisch tatsächlich mal wieder im Grafikprogramm begonnen, etwas zu gestalten. So ganz von Grund auf. Also: Das zu tun, was alle die sich unter meinem Beruf vorstellen, die nicht denken, ich sei Programmierer.
Außerdem eine Mail geschrieben, bei der ich mich ertappte, die Worte „ich finde das ebenso unhübsch wie aussagelos“ zu tippen. Und dann genau richtig fand und abschickte.
Und schließlich noch ein Zoom mit der weltbesten Projektgruppe, um den Stand der Dinge mal anzusehen und weitere Pläne zu schmieden.
Gestern noch ein Video von Scott Devine, „meinem“ online-Bass-Lehrer gesehen, in dem er „the genius of Duff McKagan“ bespricht. Duff war der Basssist von Guns & Roses und … wie sag ichs vorsichtig: ich fand an seinem Spiel eigentlich immer wenig, was ich damals in meinen Bands nicht auch so ersonnen oder gespielt hätte – und ich bin nie ein wirklich guter oder besonders einfallsreicher Bassist gewesen. Mein Maßstab allerdings hängt aber auch natürlich bei den ganz großen Jazz-Bassisten und ihrem Spiel.
Scott aber feiert Duff kräftig, ich wunderte mich ebenso kräftig und mittendrin erzählte er die Geschichte, dass ein damals wichtiges Magazin (empörter Tonfall) noch Schulnoten für Alben und auch (noch empörter) für die Musiker vergeben hätten.
Ich bin alt genug, dass ich das noch vollkommen normal finde, komme aber ins Nachdenken: Gut, so richtig genial ist Duffs Spiel in meinen Maßstäben nicht, aber er ist ja kein hudeliger Jazzer, sondern ein Rock-Bassist und sein Job sind nicht filigrane Kontermelodien und Harmonie-Definition zum atonalen Saxophon-Solo, sondern kräftig Druck in die Magengrube und das tat er immer absolut perfekt für jeden Song und vielleicht, vielleicht, vielleicht ist einfach mein Maßstab kaputt.
Jedenfalls: Ich dachte noch kurz über die Konzepte „Bewerten“ und „Empowern“ nach und werde wohl demnächst meine Medienkonsum-Artikel nicht mehr mit Sternchen versehen. Sie können eh rauslesen, wie und was mir an Film oder Serie gefallen hat oder nicht und Sie haben ja auch alle einen eigenen Geschmack.
Zeugs
Bei der geschätzten Kaltmamsell einen Artikel von 1974 aus dem Spiegel gefunden, in dem über die „Einführung der Mengenlehre“ berichtet wird – bzw genauer über den erbitterten Widerstand von Eltern, Lehrerinnen und Wisenschaftlern dagegen. Bzw gegen das, was sie darunter verstehen wollten und so ging die ganze Sache dann schließlich den Bach runter und wenn Sie jünger sind als ich, dann haben Sie in der Grundschule schon keine Kreise mit Dreiecken und Quadraten mehr angeguckt.
Ebenso interessant wie mich-ratlos-hinterlassend: Auch da schon spielten Wissenschaft und Fakten deutlich weniger Rolle als gesundes Volksgefühl und Empörung, gemischt mit komerziellen Interessen.
Wie sollen wir das bloß in den Griff bekommen?
»Schluß mit dem Reformwahnsinn«, telegraphierte Handwerksmeister Lunz aus dem fränkischen Weißenburg nach Stuttgart, als der Südfunk Mitte März eine Fernsehsendung »Pro und contra Mengenlehre« ankündigte. »Wir sind für Abschaffung der Mengenlehre«, meldete die »gesamte Elternschaft Frauenchiemsee« per Fernschreiben. […]
Aus dem DER SPIEGEL 13/1974:
Bundesbürger aller Klassen und aller Grade von Bildung, in allen Parteien und in allen Provinzen empören sich über ein Schulfach, das »Neue Mathematik« heißt und als »Mengenlehre« verdammt wird, am liebsten in alle Ewigkeit.
Für »Blödsinn« erklärt sie Bauer Josef Sabisch aus dem niedersächsischen Lühnde, der Zwiebeln und Kohl anbaut.
Mengenlehre: »3 + 5 = 5 + 3«
Dazu passend eine kleine Meldung, darüber, dass der Widerstand gegen die Gurtpflicht erst aufhörte, als ein Bussgeld eingeführt wurde (Quelle verschusselt) oder auch ein Sharepic aus der Apothekenumschau(!), das unfassbar sachlich und unaufgeregt Studien und Sinnhaftigkeit einer gendserensiblen Sprache (vulgo „Gendern“) aufführt – worunter die meisten Kommentare mit „also ich finde das Blödsinn“ beginnen und (paraphrasiert) mit „weil ich das nicht mag“ oder mit irgendwas mit „linksgrünversiffter Mist“ enden. In verschiedenen Beleidigungs- und Empörungsgraden natürlich.
Weil ich gerade eine Phase habe, in der ich mich in sowas wieder mal einmische (jaja, man soll das nicht tun, aber ich bin nicht sooo unerfolgreich), bekam ich einen Link zu CNN …
While their exact targets and arguments vary, proponents of anti-gender ideology generally agree that the concept of ‘gender’ is dangerous because it is changing the way our societies are structured. They view “traditional” social units – such as the male-headed nuclear family of a husband, wife, and children – as the only true or moral way to live. […] Notably, anti-gender movements are also connected to the political shifts being witnessed around the globe, away from liberal democracy and towards right-wing populism
CNN:
Opposition to gender equality around the world is connected, well funded and spreading. Here’s what you need to know about the anti-gender movement:
…sowie diesen zu einer Doku der NGO „Gate“ (pdf) in denen eine Ländergrenzen-überschreitende, gut organierte Front gegen das „Gendern“ skizziert wird. Naiv, wie ich war, hatte ich tatsächlich den Widerstand gegen ein Sternchen, einen Doppelpunkt oder einen Glottisschlag noch nicht in den weltweiten Backlash eingeordnet, sondern als einzelnes, nahezu lustiges weil so dummes Phänomen gesehen. Hm.
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Apothekenumschau offensichtlich stark unterschätztes Medium (gleich nach Teen Vogue): Großen Dank für den Link.