Was ich ja an Twitter besonders mag, ist seine Fähigkeit, feinfühlig und differenziert mit Situationen und vor allem Menschen umzugehen. Ach nee, das war ja Hitler, Twitter kann das ja gar nicht.
Letztes Wochenende zum Beispiel hat sich Charlotte Roche im Fernsehen (Echt Vorsicht vor dem Klick: live-Piercen, echte Schmerzen) vier Haken durch den Rücken tackern lassen, hat sich ein Bungeeseil an die Haken gebunden und ist eine Brücke runter gesprungen. „Na und?“ könnte man denken, aber erstens hat sich Charlotte schon durch ihre Bücher einen gewissen Ruf erarbeitet und zweitens hat sie das natürlich nicht freiwillig gemacht, sondern für eine Fernsehsendung und zwar eine, in der zwei Männer ihre spätpubertären Spaßphantasien zelebrieren.
Die eine Hälfte von Twitter war sich einig: Untergang des Abendlandes, Untergang des Feminismus und Charlotte geht eh gar nicht und „wieso geben wir der Bitch eigentlich noch Aufmerksamkeit indem wir über sie reden“.
Blöd nur, dass die andere Hälfte von Twitter Charlotte gerade feiert wie nix Gutes, weil die nämlich unter die Podcasterinnen gegangen ist und zusammen mit ihrem Mann seit ein paar Wochen den Podcast Paardiologie macht. Der ist sehr beliebt „und phantastische, feministische Unterhaltung von zwei Menschen, denen man anmerkt, dass sie hart an ihrer Beziehung arbeiten, um ein gleichberechtigtes Leben zu führen“ und deswegen ist Charlotte die allerbeste Frau der Welt.
Die dritte Hälfte von Twitter hat eh Celebrity-Sperre, guckt nie Fernsehen und fragt betont gelangweilt elitär, wer die Dame denn überhaupt wäre, während die vierte Hälfte Charlotte auch auf Instagram folgt und gerade davon beeindruckt ist, wie Charlotte ihre Reichweite dort hat dazu nutzt um eine Petition an den Werberat voran zu treiben, der dann truefruits für seine letzte Kampagne rügt. Und jetzt mit ihren Followern Supermarkt-Regale umräumt um den Scheiß da aus dem Blickfeld zu bekommen. Wer sowas tut ist natürlich ebenfalls die allerbeste.
Ich könnte jetzt noch erzählen, dass Frau Roche beste Freundin von Lena ist und ihr vermutlich sehr geholfen hat – aber dann geht die gleiche Geschichte mit Lena los und mich macht das so müde.
Wenn es nicht gleich darum ginge, dass jemand zu 120% super oder zu 120% scheiße ist, wenn man andere nicht gleich zu 100% verdammen oder hypen müsste – sondern es vielleicht auch irgendwo in diesem Internet Platz für einen differenzierten Umgang mit Personen oder Dingen gäbe, dann wäre das alles nicht so schwer.
Muss man wirklich jemanden komplett und für immer aus dem Leben tilgen und das wütend ins Web schreien? Muss man Jahrzehnte Arbeit – ob künstlerisch oder anders – verdammen weil es jetzt gerade eine Aktion gibt, die man nicht gutiert?
Sonst bejubeln wir doch auch alles, was man mit dem schicken Wörtchen „divers“ betiteln könnte so sehr.
Mein Tag heute war übrigens durchwachsen. Things I knew, und zwar schon länger: Eine Panikattacke kann ähnliche Symptome hervorrufen wie ein Herzinfarkt. „Und was ist, wenn ich dann mal einen wirklichen Infarkt habe?“ fragte ich folgerichtig meine Ärztin und sie antwortete mit großer Ruhe: „Das merken Sie dann.“
Things I learned today: Es gibt noch weitere Symptome, die kein Infarkt sein müssen, auch wenn es sich alles anders als sonst anfühlte und damit ja dieses Kriterium „Das merken Sie dann“ durchaus hätte treffen können.
Jedenfalls geht es meinem Herz weiterhin super – und das ist die Hauptsache – auch wenn es sich nicht so anfühlte.
Danach, als ich vom Arzt wieder zu Hause war, viele Stunden Erschöpfungsschlaf.
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Der erste Satz ist irgendwie groß! Olle Pennnase! :-)