Aus Gründen verschlug es mich nach dem Abi zum Zivildienst damals nach Aachen – und ich hatte Glück: Ich landete in einer Kirchengemeinde und fand so etwas wie eine Familie für ein Jahr. Natürlich sprachen wir auch da schon viel über Musik und der dortige Zivildienstberater zeigte mir ein Live-Doppelalbum namens „Live 1980/86“. Es sammelte verschiedene Auftritte eines Menschen namens Joe Jackson von dem ich vorher noch nie gehört hatte und mir gefiel die Mischung aus kraftvollem NewWave mit Salsa-, Piano-Balladen- und Klassik-Anflügen sehr gut.
Heute Abend waren M. und ich auf einem Joe Jackson-Konzert. Der tourt gerade nämlich zum Anlass des 40. Jubiläums seines ersten Albums und ich hatte spontan beschlossen hinzuwollen – und M. ebenso spontan, mich zu begleiten.
Ja, das war nicht gerade die kürzeste Anfahrt zu einem Konzert, ja, wir saßen echt schlecht da auf der Treppe, ja, es war heiß, ja das hätte alles besser sein können, aber: Meine Fresse, was haben diese vier Herren da gestern abgeliefert.
War. Das. Krass.
Großartig. Grob geschätzt brachten die vier über 250 Jahres Lebensalter mit, Herr Jackson selbst und sein Gitarrist glänzten außerdem mit einem bezaubernd schlechten alte-Männer-Modegeschmack aber die Energie und der Spaß den alle hatten – das hat mich echt umgehauen.
Und ich habe noch nie einen so lauten Drummer gehört.
Früher hat Joe Jackson wohl auch mal sein Publikum beschimpft und mit seinem Perfektionismus ganze Konzerte ruiniert, aber das scheint eine wunderbaren Altersmilde gewichen zu sein; er hatte sichtlich sehr dankbare Freude an unserem Spaß, versaute zwischendurch auch mal einen Einsatz weil er einen Lachflash bekam und nahm es auch mit einem Schulterzucken, als der Einatz der hervorgezauberten Melodika irgendwie doch einfach nur doof war und er das Solo halt abbrach.
Außerdem – und das wird jetzt vermutlich nur die kleine Schnittmenge aus musikmachenden hmbl-Leserinnen mit Joe Jackson-Vergangenheit wertschätzen können: Graham Maby war dabei, Leute, Graham Maby! Den nochmal live gesehen zu haben war für mich genauso beeindruckend, wie Joe Jackson selbst.
Ach ja, apropos „lange Anfahrt“: Das Konzert war in Aachen* und das fand ich eine sehr schöne Klammer um diese Geschichte.
*) Jaja, in Würselen, aber von meinem Sauerländer Blickpunkt aus ist das quasi das selbe.
Einen Sonderpunkt in Sachen Unterhaltungsfaktor bekommt übrigens die junge Frau mit dem Blumenkleid, die mit dem einen Herrn und einem befreundeten Pärchen zum Konzert kam und zwischendurch für 10 Minuten mit dem anderen Herrn auf der Toilette verschwand. Und mit zerrissenen Kleid zurück kam.
Ich gebe zu, ich bin neidisch. Nicht auf das unterstellte Nümmerchen auf dem Dixiklo, aber dafür, dass Du ganz offensichtlich einen Fuck auf allerlei gibst.
Auf dem Rückweg piepte mich der Reifendrucksensor meines Autos an und das ist etwas, was man nachts um halb eins auf der Autobahn nicht erleben möchte – vor allem, wenn man in den letzten zehn Wochen schon zwei Platten hinter sich hat. Es war dann wohl eine Fehlfunktion des Sensors, aber ich bin die 80km wie auf rohen Eiern gefahren.
Kommen wir zu den Leseempfehlungen. Das ist jetzt ein Cooldown aber nun:
Es wird seit Jahren versucht, Rechtspopulisten argumentativ zu entlarven, sie wurden durch Zeitungen, auf Bühnen gehoben und in Talk Shows eingeladen, aber es ist offensichtlich: sie wurden argumentativ nicht entkräftet, sondern: je mehr AfD und Konsorten zu sehen waren, desto mehr wurden sie gewählt.
franziskaschutzbach.wordpress.com: Rechtspopulismus und Rechtsextremismus lassen sich mit Argumenten nicht entkräften
Sie gewinnen ihre Sympathien nicht, weil niemand bessere Argumente formuliert hätte; sie gewinnt, obwohl bessere Argumente überall gegenwärtig sind. Rechtspopulisten werden nicht gewählt, weil sie argumentativ nicht entkräftet wurden, sondern weil sie menschenfeindliche Positionen vertreten und projektive Ängste schüren.
Das Erstarken rechter und konservativer Positionen und Parteien sowie die Zunahme von offen ausgesprochenem Rassismus auch im Freundes-, Kollegen- oder Familienkreis stellen uns vor Herausforderungen und werfen Fragen auf: Wie kann mit rechten und rassistischen Positionen und Sprüchen klar und angemessen umgegangen werden? Wann hat es Sinn, mit meinem Gegenüber zu diskutieren – wann nicht? Welche Argumentations- und Gesprächstechniken sind in der konkreten Situation hilfreich?
www.rosalux.de: Haltung zeigen! Gesprächsstrategien gegen Rechts