23.3.2024 – the doors of perception are wide open

Um das vielleicht nochmal kurz nachzureichen, ich fürchte, ich war da gestern nicht klar genug: Ich finde die KSK eine sehr, sehr prima Idee. Ich finde es auch ziemlich prima, dass Firmen, die prinzipiell künstlerische Arbeit in Anspruch nehmen, dafür einen „Arbeitgeberanteil“ für Künstlerinnen zahlen, der dann in einen großen Solidartopf kommt.
Mein Problem mit der KSK-Abgabe ist also kein grundsätzliches, sondern eher jeweils ein anekdotenhaftes. Und zwar immer in dem Moment, wenn meine Kundinnen davon erfahren.
Diese Abgabe ist gesetzlich seit guten 40 Jahren geregelt, ich bin nicht mal in der KSK, ich bin kein Steuerberater oder Buchhalter – also sehe ich es nicht als meine Aufgabe meinen Kundinnen zu erklären, dass es sie gibt. Ich erkläre ja auch nicht, dass sie die von mir aufgeführte Umsatzsteuer wiederum in ihre Umsatzsteuervoranmeldung aufnehmen sollten oder dass sie Steuern zahlen, wenn sie – unter anderem durch meine Arbeit – am Ende mit ihrer eigenen Dienstleistung Geld verdienen.
Im Gegensatz zu Einkommens- oder Umsatzsteuer, ist diese Abgabe aber total unbekannt und wenn dann die KSK bei einer Kundin anfragt, dann fühlt die sich gern mal von mir betrogen – so als ob ich jetzt hinten rum, neben dem Angebot her noch ein bisschen extra Kohle absahnen wollte. In der dann folgenden Unterhaltung bin ich oft in einer Situation, in der ich mich für etwas verteidigen muss, mit dem ich nichts zu tun, keine Verantwortung dafür oder persönlichen Nutzen davon habe.
Das wiederum – also so ein Solidarprinzip – ist unserer Gesellschaft nur so mittel populär und ich daher dann in einer schlechten Position, ein Reframing einzuleiten; bei den Kundinnen bleibt nämlich emotional oft nur hängen „Wir musste für Herrn Fischer nochmal Geld bezahlen“.
Das dann mit einem frohen „Aber ist das nicht toll, dass dieses Geld prekär lebenden Künstlerinnen ihre Arbeit oft überhaupt erst möglich macht?“ zu kontern, klappt meist nicht so gut.

Ehrlich gesagt gibt es auch noch das zweite Problem, dass die KSK mich erst wegen meines Jobs wegen meines Gewerbescheins nicht rein ließ, aber das ist eine andere Geschichte die mehr mit persönlichem beleidigt-sein zu tun hat und die ich versuche, da rauszuhalten.

Außerdem klingelte in dem Moment, als ich das hier tippte, der Paketbote und brachte ein Überraschungspäckchen mit dem Worten „… und hoffe, damit eine Freude zu machen“ auf dem beiliegenden Zettelchen. Da kann man ja gar nicht mehr beleidigt sein. Ja! Ja natürlich, eine große Freude!

Die doors habe ich mit ca 17 kennen gelernt. Bis kurz vorher war ich knappe 2 Jahre halb-ernsthafter Metalhead gewesen und in meinem Kopf gab es eine feste Verbindung zwischen „ehrlich“, „rebellisch“ und „hart&heavy“ beim Thema Musik. Bedenken Sie: Es war die Zeit von Bros und Modern Talking, Kylie Minogues erster, noch sehr uncooler Inkarnation und Rick Astley, als er noch kein Meme, sondern ein ernsthaftes kleines good-vibes-only-Scheißerchen aus dem Schoß von Stock, Aitken und Waterman (nein, das war nichts gutes) war. Es bleib quasi nur Metallica und Maiden (ja, ich bin so alt, dass ich Metallica vor Master of Puppets kannte)
Dann hatte mir ein Freund nacheinander The Police, Peter Gabriel, die frühen Chicago und Steely Dan, überhaupt den Blues und ersten Jazz gezeigt und meinen musikalischen Kosmos sehr erweitert. Nur die Rebellion war irgendwie abhanden gekommen und als er dann mit „eine der skandalösesten Bands“ der 60er ankam, da war ich voller Vorfreude.
Nichts hätte mich mehr enttäuschen können als der (na gut: etwas beschleunigte) Samba-Beat von „Break on through to the other side“. Da konnte in der ersten Runde auch nichts mehr retten, dass der Typ recht fix ziemlich rumschrie.
Ich habe aber dann fix begriffen, wie diese vier das mit den Skandalen und der Rebellion hinbekommen hatten und dass Jim mit seiner Art den Menschen noch 20 Jahre nach seinem Tod Angst machte. Zu Weihnachten hatte ich mir „Die verlorenen Schriften. Wildnis“ von Jim Morrison gewünscht – ein Buch mit Texten und Gedichten von Jim. „Ich bin mir nicht sicher, ob Sie DAS wirklich haben oder sogar verschenken wollen“, hatte die Kleinstadtbuchhändlerin meiner Mutter beim Abholen gesagt und die konnte es natürlich nicht lassen, auch mir das mit auf den Weg zu geben – um klarzustellen, dass sie meinen sozialen und moralischen Abstieg sehr wohl sah und nicht gut hieß.

Kleingeistern Angst machen fand ich immer gut und ich kniete mich voll rein. Eventuell trug ich sogar eine Zeitlang lange Haare, knallenge Lederhosen mit diesen silbernen Scheiben* in der Schnürung und weiße Leinenhemden. Mein Gott, wir taten das alle.

*) ich hab vergessen, wie die heißen

The opening of the trunk
– Moment of inner freedom
when the mind is opened & the
infinite universe revealed
& the soul is left to wander
dazed & confus’d searching
here & there for teachers & friends.

(Jim Morrison)

Inzwischen sind es mehr als 50 Jahre, dass Jim ging und ich finde, musikalisch kann man die doors immer noch sehr gut haben. Und ein bisschen mehr von Jims radikal dionysischem Lebensentwurf täte uns allen heute eh bestimmt mal ganz gut.

Äh, was wollte ich sagen, ich glaube, ich glitt kurz ab … Ach ja: ich habe mich wirklich sehr gefreut.


Gleich fahren wir ins Kino und schauen Stop Making Sense. Tun Sie das ruhig auch mal, wenn der Film in ein Kino in Ihrer Nähe oder in einen Streamingdienst Ihrer Wahl kommt. Ich habe ihn hier auf der Festplatte (aber Kino ist halt geiler), und vor ein paar Monaten, als die Liebste schon schlafen gehen wollte, scrollte ich durch meine Mediathek, sah das Cover, beschloss: Och jo. Und startete den Film.
Sie blieb neben mir stehen, guckte hin, erstarrte, stand, guckte. Ich grinste. Nach dem ersten Song guckte sie mich groß an und fragte: „Was ist das?“ Ich: „Große Kunst“ Sie: „Ja, DAS sehe ich, Du Dödel. Rück mal“ und setzte sich wieder.
Echt. Gucken Sie sich das ruhig mal an. Große Kunst aus einer Zeit als die Lösung für „geileres Konzert“ nicht automatisch „mehr Choreo und mehr Feuerwerk“ hieß, sondern auch mal „mehr Konzept, mehr Kunst“ sein durfte.

Vi ses!

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1 Kommentar

  1. Meine Güte JA! Ich habe den Film damals (!) im Kino gesehen, ich erinnere mich (hier Herzchenaugen denken).
    Seufz. Dafür bekäme man mich vielleicht wieder ins Kino. Würde der Film in der hiesigen Pampa gezeigt…

    Für das „das seh ich selbst, du Dödel“ mag ich die Liebste gar sehr :)

    Ich geh mal die Doors aufn Plattenteller werfen *winkt

    Gwen

Kommentare sind geschlossen.

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