Nachdem die Einleitung wieder zu lang wurde – dies sind eigentlich zwei Teile: Einmal meine Geschichte mit der Sendung „Sing meinen Song“ und dann meine Geschichte mit den aktuell so erfolgreichen jungen „Liedermacher“-Männern in den Charts.
Ich komme hier ja überhaupt nicht mehr nach. Dienstag Abend lief „Sing meinen Song“ und ich habe während der Sendung viel nachgedacht und wollte das die ganze Zeit aufschreiben aber dann kam das Kino dazwischen und jetzt kommt eben eine TV-Besprechung drei Tage zu spät, aber ich bin total sicher Ihr schafft das.
Warum ich überhaupt über diese Sendung nachdenke? Nun denn, ich denke Ihr wisst alle, wie wichtig mir mein ganzes Leben lang schon Musik ist. Und so verfolge ich auch seit ich denken kann Musiksendungen, wo immer es geht. Dabei geht es mir gar nicht so sehr darum, einfach Musik zu hören – das geht ohne Bild meist besser. Spannend sind Sendungen, die über das reine Abspielen hinaus gehen:
Andere Versionen (ich erinnere mich heute noch daran, als ich Clapton damals „Layla“ spielen hörte) oder interessante Auseinandersetzung mit Musik und den Personen (es gab mal eine Sendung, in der Smudo, Loretta Stern und Tim Renner eine Playlist bekamen und dann anhand der Songauswahl rieten, wer die Playlist zusammen gestellt hatte).
Ich möchte die Menschen hinter der Musik kennen lernen und möchte wissen, was sie mir mit ihrer Musik sagen wollen.
„Sing meinen Song“ wäre also exakt mein Konzept. Die erste Staffel traf mich dann auch mit voller Wucht – die Versionen, die dort auf die kleine Bühne gezaubert wurden, die Liebe, mit der sich die einzelnen Künstlerinnen den Songs der anderen widmeten und auch wie weit sich einzelne dort aus ihrer Komfortzone heraus trauten – das war bislang einzigartig. In den Unterhaltungen auf der Couch kam man den einzelnen deutlich näher als je irgendwo zuvor und oft entstanden Versionen von Songs, die an Tiefe oder Intensität die Originale weit überstrahlten. Den Muskel-Ösi konnte ich ausblenden.
Warum also „wäre“? Staffel zwei krankte meiner Meinung nach dann schon daran, dass Künstler festgestellt hatten, dass die sehr erfolgreiche Sendung eine prima Plattform war, um wieder mal ins Gespräch zu kommen. Oder einfach eine neue Platte zu promoten – man sah ja Sarah Connor, die nach der Sendung, plötzlich wieder mit einem vollkommen neuen Stil, aus der Versenkung hatte auftauchen können.
Also wollte jeder auf die Couch und das nachmachen.
Aber wenn man dann halt nicht Musiker von Herzen ist, sondern eine Band-GmbH betreibt, in der Sänger und Band nicht mehr miteinander sprechen* und die nur noch pures Geschäftsverhältnis ist – dann bleibt man eben auch auf der Couch unsympathisch. Dünnes Eis.
Die nächsten Staffeln hinterließen also im besten Fall zwiegespalten: Ach guck, was ist Frau C. fähiger als ich es dachte! — Mein Gott, Herr E. ist ja wirklich ein pures Stück Unsympathie. — Oh, Herr N. hält sich ja wirklich für Bob Dylan. —Meine Fresse, was steckt denn alles in Rapper S.? — Oh, Frau L. ist wirklich noch uninteressanter als ihre Lieder. — Haha, Herr S. hält sich tatsächlich für einen Rock’n’Roller!
Immer hin und her und teilweise schlecht auszuhalten.
*) Sagt die Nachbarin meiner Schwägerin, die mit dem Keyboarder gelegentlich Musik macht.
Dann kam Staffel vier und flashte mich wieder total. Keine Ausreißer, nur äußerst positive Überraschungen, selbst Mützenmann M. ging erstaunlich gut.
Ihr seht: Viel Erwartungen aber auch viel Sorge, dass sie in der aktuellen Staffel wieder mal enttäuscht würden.
Und jetzt zu den „Liedermachern“
Die ersten beiden Folgen drehten sich um Johannes Oerding und Wincent Weiss; beide gern als Germanistenpopper verschrien. Ich habe gegen die Musik aller dieser neuen deutschen Song-Poeten ein diffuses Ablehnungsgefühl und war skeptisch.
Die Liebste meinte aber, ich solle nicht nur motzen, denn das würde ihr die Sendung versauen und ich schwieg so weit möglich still, nahm mich zusammen und versuchte, mir die Sendung ansehen und mich meinen Vorurteilen zu stellen.
Die beiden blieben diffus unsympathisch, aber nach zwei Sendungen ließ sich mein Gefühl auf eine Frage destillieren: Haben die eigentlich nichts zu sagen?
Da sitzen zwei jungen Männer, beide geben sich verzweifelt eine Rocker- / schweres Leben- / Trinker-Attitüde. Beide Leben in einer Zeit, in der die Welt mit dem ganzen Schwung der letzten Jahre auf den Abgrund zurast – und ich finde davon exakt nichts in ihren Liedern.
Sie drehen um sich selbst, um die guten Tage, die möglichst wie früher sein sollten und manchmal darum, dass der Moment gerade aber mal kräftig zu feiern ist. Ein Hoch auf uns an Tagen wie diesen!
Soweit das eingegrenzte Gefühl.
Im Vergleich erinnere ich mich daran, wie wütend Musik früher sein konnte, was für eine Kraft da mal war. Seit Dekaden war Musik doch immer ein Sprachrohr für die Unzufriedenen – vom Blues über die Protestsänger der Sechziger, über Punk und Grunge …?
Ich wollte ein Experiment wagen. Denn in ehrlichen Momenten fragte ich mich natürlich auch: Ist das wirklich so? Haben die mehr zu sagen gehabt oder war das nur mein zwanzigjähriges, weltschmerziges ich?
Der Standard für „wütender Protest“ ist meiner Meinung nach immer noch das erste Rage Against The Machine-Album – also habe ich folgerichtig zwanzig Texte der beiden und die zehn von RATM jeweils in ein Wordle geworfen.
Fassen wir die Kernaussagen zusammen: „Welt ist ich/mich und Du nicht“ gegen „Minds (of) steel take the power back“.
Ich muss gestehen: Ich habe mich zu Dreck gelacht, als ich das Ergebnis sah.
Natürlich: Als ich begann, diesen Artikel zu schreiben hatte ich eine gedachte Stoßrichtung. Es war mir ein Anliegen mich darüber aufzuregen, dass diese jungen Männer nur um sich selbst drehen in ihren Texten – und das mit Worten, die so deep erscheinen, dass es niemandem auffällt.
Ich wollte dagegen daran erinnern, dass es doch mal Musik gab, die sich aufregte, die sich an einer Gesellschaft abarbeitete, die wütend war und mehr zu sagen hatte.
Ich wollte überlegen, ob diese Musik damit nicht das perfekte Abbild unserer Zeit ist, in der sich jeder nur noch um sich selbst dreht und ob das nicht der Grund ist, warum ich damit einfach nichts anfangen kann.
Aber ich dachte: Gib ihnen eine Chnace, vielleicht bist Du ein grumpy old man. Dann kam ich auf die Idee mit dem Wordle und schöner kann man es nicht zeigen was ich meine. Ich muss gar nichts mehr schreiben.
Zur „Methodik“:
Ich habe sehr willkürlich Texte der beiden genommen und hintereinander in ein Dokument kopiert. Refrains, die ja nun naturgemäß für Dopplungen sorgen habe ich nur jeweils einmal aufgenommen. Bei RATMs Texte genau so; dort habe ich noch gängige amerikanische Abkürzungen per Suchen&Ersetzen ausgeschrieben („You’re“ -> „you are“ u.ä.), um für Vereinheitlichung zu sorgen.
Einmal habe ich mich dabei vertippt, deswegen hat „with“ noch ein zweite „H“ am Ende.
Dann habe ich alles in ein Wordle-Programm kopiert.
Beide Wordles haben in der Ausgabe ein Wortlimit von 100 Worten.
FunFact am Rande: Das Programm hat ein Wortlimit in der Eingabe. 20 deutsche Songs zusammen haben das nicht erreicht, 10 Songs von RATM haben es überschritten. Die haben echt nichts zu sagen.
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