19.8.2023 – [ohne Worte]

Eigentlich hatten wir heute nochmal einen Tag ans Meer gewollt. Uneigentlich kränkelt hier jemand und wir fuhren nicht. Sie sehen: Der Tag hatte gleich von Beginn an Potential.

Vor ein paar Wochen teilte mir die DomainFactory, bis dato der Webhoster meiner Wahl, freudig mit, dass sie das Produkt „E-Mail“ signifikant verbessern würden. Bei einem Dienst der älter ist als ich, machte mich das misstrauisch und tatsächlich fand ich im Kleingedruckten hinter den verlinkten FAQ ein paar Punkte, die aus dem Angebot wegfallen – alle für mich leider nicht diskutabel. Für Menschen, die einfach nur eine E-Mail-Adresse haben und die mit einem oder 2 Geräten abrufen, ist das alles vermutlich ok – für mich nicht.
Also: Webhosterwechsel.
Heute wollte ich anfangen. Das Wichtigste zu Beginn ist ja ein guter Plan – vor allem, wenn man keine Daten verlieren und nur so kurz wie möglich offline sein möchte.
Als ich etwa auf der Hälfte der zu planenden Schritte war, Zeile 55 der Liste begann und abschätzte, dass jeder einzelne Schritt in etwa 15 Minuten dauern würde, (excuse my french) kotzte ich im Strahl. Als ich dann merkte, dass ich erst noch eine Supportanfrage stellen musste und das alles heute also nahezu garantiert nichts werden würde, wurde auch nichts besser.

Next try: Bisher hatte ich eine VisaCard, die mir irgendwann mal amazon in Zusammenarbeit mit der LBB angeboten hatte. Ohne in die Einzelheiten zu gehen, hatte ich auch da kürzlich eine kleine Umstellung mitgeteilt bekommen, die einen Anbieterwechsel nötig machten. Zwei Versuche heute liefen auch ins Leere und dann beschloss ich, heute einfach nichts mehr anzufangen.

Decken wir also dem Mantel der Barmherzigkeit über diesen Tag, immerhin gab es Torte. Ich hab hier noch ein bisschen …

Zeugs

Heiko ist in Kopenhagen und es macht viel Spaß, das zu lesen – vor allem, wenn man sich dafür interessiert, wie ein Land seinen Einwohnerinnen mit der Planung und Architektur seiner Städte das Leben besser machen kann. Alle Teile seines Reiseberichts gibts hier zu lesen.
Das in Teil 1 erwähnte Müllheizkraftwerk lernte ich btw schon 2015 kennen, als ich für den Kunden eines Kunden die online-Ausgabe eines Magazins umsetzte und dort das erst Mal davon las, was die Dänen da bauen. Das vor meiner intensiveren Beschäftigung mit dem Land und ich fand das damals sehr beeindruckend.
Außerdem begriff ich bei Heiko einen der Gründe, warum ich in Dänemark immer das Gefühl habe, dass sie dort irgendetwas komplett anders machen:

Einer der Hauptgründe, warum Kopenhagen und andere dänische Städte so sind, wie sie sind […]: Jan Gehl. Der Architekt und Stadtplaner hat seit den 1960ern zuerst damit angefangen Städte neu zu denken und dann neu zu planen. Wobei: so neu waren seine Ideen gar nicht, man hatte es zwischerndurch nur vergessen. Zwischendurch, als man die autogerechte Stadt entlang der Charta von Athen gebaut hat. Architektur, die Jan Gehl Vogelkot-Architektur nennt, weil sie aus der Luft superschön geordnet aussieht, wenn man aber eintaucht und die menschliche Perspektive einnimmt, nicht lebenswert ist.
[…]
Sein Ansatz war und ist: Städte für Menschen. Vom Menschen aus gedacht und geplant. Städte, in denen man im Kleinen alles beieinander hat, was man zum Leben braucht. Arbeit, Freizeit, Geschäfte, Schule. Die 15-Minuten-Stadt, in der niemand Auto fahren muss.
[…]
Kopenhagen hat vor über 30 Jahren damit angefangen, die Stadt umzubauen und neue Prioritäten für Menschen zu setzen. Wenn wir unsere Städte in Deutschland einigermaßen gerecht und an den Klimawandel angepasst gestalten wollen, dann werden wir das auch machen müssen. Experten sind sich da eigentlich größtenteils einig. Ob wir als Gesellschaft so weit sind, muss sich zeigen.

Heiko:
Kopenhagen Tag 2 ••• (alle Tage hier)

Nochmal Stadtplanung: Als ich vor ein paar Wochen in München war, da hatte es mich Dank der Wahl des Hotels in die Messestadt Riem verschlagen und – ich sags mal wie es war: Sobald ich zu Fuß das Hotel verließ, fand ich es dort seltsam. Es wirkte auf mich alles wie ein misslungenes Stadtplanungs-Experiment aus den 80ern, und war froh, dass das Hotel eigentlich nur Bett und Garage für meine Ausflüge boten. Beim Stadtneurotiker fand ich ein paar interessante Einblicke:

In dem Viertel ist städteplanerisch so ziemlich alles falsch gemacht worden, was man nur falsch machen kann. Sinnbildlich steht dafür die Betonwüste mit Einkaufszentrum Willy-Brandt-Platz. Das ist „München für Fortgeschrittene“ und entfaltet seine Blüte an grauen Novembertagen so richtig. Platz, ja sogar öffentlichen Raum, gibt es eigentlich genügend, aber es wird nichts daraus gemacht. Er ist nicht attraktiv. Auf Beton und Stein hält man sich eben auch im öffentlichen Raum ungern auf – im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt. Und mangelnde Wertschätzung für eigentlich nicht vorgesehene Nutzende drückt sich auch in Vandalismus aus.
Was die Messestadt rettet, ist der Riemer Park mit See. Ein im Nachhinein gelungenes Ensemble mit Schönheitsfehlern als Abfallprodukt einer erfolglosen, weil typisch für München überambitionierten Bundesgartenschau.

Der Stadtneurotiker:
„Ist das wirklich umsonst?“

Themenwechsel. Oder? Als ich klein war, lernte ich ein Weltbild, welches offensichtlich linear auf die von uns gelebte Kultur ausgerichtet war: Wir (Westeuropa, Amerika) waren die zivilisierte Welt, quasi der Goldstandard, daneben der böse Osten (die anders waren weil sie unterdrückt wurden) und die unzivilisierten Länder – je Süden, desto unzivilisiert. Ja, im Groben so lernte ich es. Zum Schrecken meiner Eltern und Lehrerinnen begann ich ja früh, Dinge zu hinterfragen und auch dieses Konzept fand ich irgendwann seltsam. Nicht nur ich:

Diese Vorstellung von „Zivilisation“ beginnt bei den alten Griechen und Römern, die die Welt ebenfalls in „ziviliserte“ Völker einteilten, deren Gesellschaft ähnlich aufgebaut war, wie ihre eigene, mit der Polis oder Civitas, der Stadt also, als Zentrum… und in unzivilisierte, „barbarische“ Völker, die anders lebten, als die „zivilisierte“ helenistisch-römische Welt.
Diese Definition von „Zivilisation“, nach der ein geringeres Maß an Zentralisierung, Bevölkerungsdichte und -Ballung, Arbeitsteilung, komplexer Verwaltung, Infrastruktur, öffentlichen Großprojekten und Imperialismus nicht einfach als „anders“, sondern als „minderwertiger“, „schlechter“, „weniger zivilisiert“ gesehen wird, hat sich in der Geschichte und im Blick mächtiger „zivilisierter“ Reiche auf andere Kulturen als extrem hartnäckig und schädlich erwiesen.
Manchmal wird statt „weniger zivilisert“ von „weniger fortschrittlich“ oder sogar „weniger weit entwickelt“ gesprochen.
Ein hohes Maß an „Zivilisation“ nach den obigen Maßstäben wird also als der logische Endpunkt einer Entwicklung gesehen, die eigentlich jede Kultur anstreben muss und sollte.

Es ist genau diese Vorstellung von Zivilisation, die in der Vergangenheit zur Rechtfertigung von Absolutismus und Imperialismus („nur so können wir ein höheres Maß an Zivilisation erreichen!“) verwendet wurde, ebenso wie zur Rechtfertigung von Kolonialismus und Sklaverei („Wir bringen diesen Leuten die Zivilisation! Die müssen unter unserer Herrschaft und Führung erstmal lernen, wie man ziviliert ist, bevor wir sie als gleichrangig behandeln können.“).
Und es ist diese Vorstellung von Zivilisation, die heute noch Rassismus befeuert

In Foro – Städtisches Leben um 1300:
Von „zivilisierten“ und „weniger zivilisierten“ Kulturen… und warum wir diese Unterscheidung nicht mehr machen

Aber Segregation – elegante Überleitung, nicht wahr? – ist ja nun mal die Basis unserer Weltanschauung und das führt uns direkt weiter zu dem unangenehmen Fakt, dass wir die Gefahr durch Corona ja nicht medizinisch, sondern durch Umbenennung von „Pandemie“ in „Gott sei Dank Pandemie vorbei“ gelöst haben. Gefährlich ist Corona ja nur für die, für die es gefährlich ist und die können ja schließlich zu Hause bleiben. Aber langsam wird es Herbst, Menschen werden sich wieder eher drinnen als draußen treffen und als Bonus-Leckerchen gibts eine neue Variante (jaja, das sind alles Worte, die wir lange nicht mehr gehört haben):

Die neue Corona­variante Eris ist in Deutschland angekommen. Die Sorge vor einer neuen Welle wächst – dabei ist das Land nicht gut vorbereitet.
[…]
Nicht mehr pandemisch, aber trotzdem noch gefährlich: Meldungen über die neue Variante EG.5.1. scheinen diese Analyse zu bestätigen. EG.5.1. (Eris)
[…] in Großbritannien, China und den USA nimmt der Anteil von Eris stetig zu, in Deutschland weisen Zahlen aus dem Abwassermonitoring darauf hin, dass die Eris-Welle sich aufbaut.
[…]
Akut von der sich aktuell aufbauenden Welle bedroht sind Kliniken. Das betrifft insbesondere Kinderambulanzen, die bereits jetzt am Rand ihrer Belastbarkeit stehen. Florian Hoffmann, Generalsekretär der Deutschen Interdiszi­pli­nären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, […]: „Die Lage der Kinder­kliniken ist dramatisch und wird sich eher noch verschärfen.
In vielen deutschen Kinderkliniken können auf den Kinderintensivstationen im Schnitt ein Drittel der Betten wegen Personalmangels nicht genutzt werden. In manchen Kliniken ist sogar die Hälfte nicht mehr belegbar.“ Sobald es zu Infektionswellen komme, habe man keine Chance mehr, alle Pa­ti­ent*in­nen zu versorgen.
Jenseits akuter Belastungen wegen der anstehenden Welle stellt sich die Frage nach langfristigen Belastungen. Nach einer Ansteckung mit Delta entwickelten ungefähr 10 Prozent aller Infizierten Long Covid mit Symptomen, die über drei Monate andauern. Ungefähr 50 Prozent der Menschen war so stark eingeschränkt, dass ein Leben wie vor der Infektion nicht mehr möglich war.

Komisch, klingt alles irgendwie bekannt. Und gleichzeitig fühlt es sich so an als hätte jemand versucht, diese Sätze gründlich aus der Öffentlichkeit auszuradieren. Aber weg von Medizin zu Sozialem:

Sozial gesehen bedeutet nach Auslaufen der Schutzmaßnahmen eine neue Welle die Verschärfung der Segregation von Risikogruppen. Das Credo der Eigenverantwortung sorgt für ihre Verdrängung aus öffentlichen Räumen.
[…]
Ein weiterer möglicher Langzeitschaden der Pandemie wurde hingegen noch kaum untersucht: inwiefern dadurch das Vertrauen in die Politik nachgelassen hat. Aber so viel ist bekannt: Im Jahr 2020 waren dem „Deutschlandtrend“ zufolge 60 Prozent der Bevölkerung zufrieden mit der regierenden Großen Koalition. Die jetzige Ampelregierung kommt in der aktuellen Umfrage auf 21 Prozent Zustimmung.

(alle: taz.de:
Coronavariante EG.5.1.: Neue deutsche Welle

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9 Kommentare

  1. Mein Tipp für eine Visa Card (falls noch nicht entschieden: die GenialCard der Hanseatic Bank. Größtes Plus für mich als oft nach UK also außerhalb der Euro Zone Reisende, dass da keine Wechselkurs Gebühren anfallen. Nutze die seit Anfang 2023 und bin sehr zufrieden

    1. Vielen Dank für den Tipp!
      Hatte gerade endlich Zeit, mir das mal anzuschauen und hab gleich eine beantragt.

  2. Darf ich fragen, was genau die kritischen Punkte bei DomainFactory sind? Wir haben ein paar Websites (inzwischen mehr oder weniger zu Visitenkarten geschrumpft), mehrere E-Mail-Adressen etc.

    Allerdings bin ich derzeit ohnehin etwas genervt, weil Gmail in letzter Zeit die E-Mails, die von meiner Domain kommen, oft verweigert, weil „DKIM checks did not pass“, was auch immer das heißt. Da einige meiner Kunden Gmail benutzen, ist das ungünstig.

    1. Es wird keine E-Mail-Aliasse mehr geben, ebenso keine Filterregeln auf dem Server. Und jede neue e-Mail-Adresse, die nicht vor der Migration angelegt wurde kostet Geld.

      In der Fehlermeldung von Google steht meines Wissens drin, wie man das beheben kann; DF kann die nötigen Einträge (afair SPF-Eintrag) im Bereich Nameserver anlegen.

  3. Lustig. Zu Riem hab ich auch noch einen persönlichen Bezug. Meine Lieblingsbibliothekarin hat es dort hinverschlagen:

    https://bielinski.de/2023/06/vielfalt-im-raum-fuer-alle/

    Deinen Riem-Ersteindruck hatte ich so ähnlich beim ersten Mal dort aus der U-Bahn aussteigen auch.

    1. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann binden sie so ein halbes Office-Ornaizer-Paket an die Adressen und das Gesamtpaket kostet dann Geld.

Kommentare sind geschlossen.

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