Was bisher diese Woche so geschah:
Montag. 10.2.
Montagmorgen die Tasche gepackt und gegen elf auf den Weg gen Hamburg gemacht. Die Fahrt verlief beeindruckend unaufgeregt; aus dem Radio unterhielt mich der schon öfter für lange Fahrten empfohlene Podcast „Alles gesagt“ der Zeit – diesmal mit Lena als Gast. „Ach, die gibts noch?“, werde ich gern mal gefragt, wenn ich erwähne, dass ich ihre Karriere immer noch mit großem Interesse und viel Freude beobachte. Ja, die gibts noch, die ist eine von Deutschlands erfolgreichsten Musikerinnen und das hätten viele auch damals nicht gedacht. Außerdem hat sie den Ruf, etwas zickig zu sein, was vermutlich daran liegt, dass sie meist sehr locker-flockig-flippig daher kommt und dann gelegentlich, bei manchen Themen, eine sehr klare Grenze zieht. Das kommt nicht so gut an; wir werden auf so ein Phänomen aber heute nochmal zurückkommen.
In Hamburg angekommen parkte ich 30m hinterm Hotel (secret Superpower: in vollen Innenstädten Parkplätze vor der Tür finden), checkte ein, powernapte mir noch die Fahrt aus den Knochen und brach wieder auf, denn zuerst hatte ich eine Verabredung mit der besten Nichte der Welt. Die lebt inzwischen in Hamburg, ziemlich aufem Kiez, und so saß ich die nächsten Stunden in einem Hipstercafé und trank Minzblätter in heißem Wasser und unterhielt mich mit einem Menschen, den ich mit drei Jahren kennen gelernt habe und die mich dazu brachte, ihr hinterher zu schreiben, was für ein großartiger Mensch sie geworden wäre. Das ist natürlich schlimmster Onkel-Style aber das musste ich mal sagen. Selten jemand so kluges mit so einem open mind erlebt.
Wir drehte noch eine Runde durch St. Pauli und dann schickte sie mich los in Richtung Konzert. Hamburg, wir müssen reden: Du bist zu kalt für jemanden, der nicht die dicke Jacke anziehen wollte weil er ja noch ins Konzert geht.
Andererseits: Deine Laeiszhalle ist schon echt schön. Und Dein Publikum, Alter, Dein Publikum! Ich war schon bei so vielen Konzerten von Tina dass ichs nicht mehr zählen kann aber Ihr wart das beste, wärmste, liebevollste, lauteste, feierndste Publikum das ich je erlebt habe. Inklusive Aarhus, jawoll. Thanx for that. Schon die Liebe, die Ihr dem Support gegeben habt, die langt in Dortmund mit seinem Pop-Abo-Publikum für Tina selbst. Und dass ein komplettes ehrwürdiges Konzerthaus-Publikum ab der Hälfte steht und tanzt und sich auch nicht mehr hinsetzt, das hab ich auch erst einmal erlebt.
Den HeimHotelweg teilte ich mir mit zwei Frauen, die ich über die Arbeit an der Fanpage kennen gelernt habe und das war sehr, sehr nett und dann musste ich mich noch höchstens eine Viertelstunde warmduschen und dann war die Nacht für fremdes Bett eigentlich ganz ok.
Dienstag 11.2.
Trotzdem war ich um fünf wach und warum sollte ich dann nicht um sechs auschecken und nach Hause fahren? Irgendwie war ich da schon eine Stunde mit der Faszination des Ekels an RTL2 hängen geblieben und wollte das a) beenden und b) flammte mein alter Wunsch wieder auf, mal Fernsehsender und die von ihnen vermittelten Weltbilder zu untersuchen. Ich denke, da käme Interessantes bei raus.
Die Rückfahrt war ebenfalls wieder bemerkenswert unaufgeregt, Lena und die beiden Menschen von der Zeit hatten auch noch ein paar Stunden zu reden und das blieb interessant.
Zu Hause fiel ich dann doch ins Bett und bleib da auch länger. Dann mit der Liebsten ausgetauscht, was wir die letzten Zeit so getan hatten, immerhin hatten wir uns über 24h nicht gesehen.
Ein bisschen am Remix gearbeitet und sehr viel gegessen, denn ich wusste ja, dass ich mittwochs nichts würde essen können. Und die Mischung Angst und Hunger wollte ich nicht.
Mittwoch 12.2.
Hat geklappt mein Plan: Ich war nicht hungrig. Seltsamerweise war ich auch nicht ängstlich, wirklich gar nicht. Das war zwar ungewohnt, aber ermöglichte noch ein bisschen Arbeit am Remix und einen Kurzausflug zur Post, denn ich hatte für ein paar Menschen in Hamburg CDs gekauft. Tina hat gleich zwei neue CDs mit auf die Tour mitgebracht, aber eben: nur auf die Tour. In der Gruppe der Fanpage entstand ein wildes Gesuche nach Menschen, die vielleicht CDs besorgen konnten und ich hatte auch ein paar Menschen versorgt.
Mittags kam die Liebste aus der Schule und wir fuhren los – gen Zahnklinik. Immer noch keine Angst. Und als wir ankamen und ich mich gerade hinsetzen wollte – kein schlechter Moment, um dann doch endlich mal Nerven zu zeigen – da rief mich schon der Anästhesist, führte das obligatorische Gespräch mit mir, führte mich rein, fand erst keine Vene, dann aber doch und dann wachte ich wieder mit der Liebsten neben mir auf.
Und das war alles sehr unspektakulär und ich bin unfassbar froh, es hinter mir zu haben. Eine Ursache für meine Beschwerden haben sie wohl auch gefunden und ich bin zwar lustig geschwollen, hab aber kaum Schmerzen. Und genieße gerade, dass ich vorsichtshalber die ganze Woche das Büro zugemacht habe und so jetzt quasi zwei Urlaubstage entstehen. Und: Besser so als wenn ich jetzt hier zugedröhnt und angestrengt arbeiten müsste.
Ich dümpelte also ziemlich viel rum. War super gewesen.
Wir verlassen das Tagebuchbloggen
Währendessen – ich hatte ja erwähnt, dass ich nochmal darauf zurück komme, wenn Menschen, die irgendwie sonst so locker vor sich hin tun an einem Punkt klare Kante zeigen und wie beliebt das ist – währenddessen las ich also bei der Kaltmamsell die Kommentare und das machte mich schon sehr nachdenklich. Sie möchte keine Ratschläge bekommen und ein paar Menschen in den Kommentaren finden das unhöflich und möchten aber Ratschläge geben. Und ich denke darüber nach.
Nee stop: Ich nutze das, um überhaupt über das große allgemeine Dings mit den Ratschlägen nachzudenken. Klar ist erstmal: Wenn jemand sagt „Ich möchte dazu keinen Rat“, dann ist die Sache eh klar. Und aus der Existenz enes Blogs abzuleiten, die Bloggerin müsse jede Form von Kommentar aushalten und dankbar annehmen – das erinnert mich doch arg an „man darf ja nix mehr sagen“. Vollkommen absurd.
Ich las sogar irgendwo das Wort „Zensur“ – Menschen, die so unbedacht von Zensur sprechen, sind ja imho nur vollkommen verwöhnt davon, noch nie echte Zensur erlebt haben zu müssen.
Allgemein also: Wenn ich von jemandem höre, dass es ihr nicht gut geht – dann verstehe ich den Drang helfen zu wollen. Wenigstens mit einer Idee oder einer eigenen Erfahrung.
Aber: Ich kenne auch das Gefühl, dass man gerade keine Ratschläge bekommen möchte. Der alte Spruch „Ratschläge sind auch Schläge“ ist nicht falsch.
Weiter gedacht: Wenn mir jemand in einer eins-zu-eins-Situation von einem Problem erzählt, dann fände ich es unhöflich, nicht darauf zu reagieren. Aber mit der Erfahrung, wie Ratschläge verletzen können, habe ich mir angewöhnt zu fragen, ob die andere Rat möchte – kann ja sein, kann ja nicht sein. Und kostet exakt einen Satz extra und macht alles klar.
Ja, das ist manchmal schwer, weil man es doch so extrem viel besser weiß …
Und in einer eins-an-viele Situation wie in einem Blog? Stelle man sich vor, man läse bei einer Bloglesung und nach der Lesung stellten sich hundert Leute an, um erstmal zu erklären, wie man das Ding mit der Kindererziehung, der Ernährung, der Hüfte oder der anstrengenden Chefin den am besten löse.
Furchtbar, hm?
Lesen Sie auch, was Kiki dazu sagt, die bleibt näher am Thema Blog und hat vollkommen Recht.
Danke für die klugen und einfühlsamen Worte zu den unerwünschten Ratschlägen.