24.11.2017: Wie sich die Blogszene kommerzialisierte und warum heute alle Blogs gleich sind.

Frau Brüllens Posting beschreibt meiner Meinung quasi das Problem der Blogs und ihrer Kommerzialisierung in a nutshell.
Blicken wir doch mal zurück: Blogs haben damals nun einmal als persönliche „Tagebücher“, persönliche Kolumnen über Gott und die Welt angefangen. „Damals“ bedeutet übrigens – entgegen der Meinung vieler Blogger heute, die entweder 2009/2010 oder 2005/2006 als „früher“ bezeichnen, eher so 2000/2001. Da fings an mit den Blogs.
Deswegen wurden sie – damals – auch erstmal verspottet.

Dummerweise bedienen Blogs so sehr genau das, was Google sich vom Web wünscht – nämlich regelmäßige Fachartikel in einem Fachumfeld mit vielen Verlinkungen raus und rein und das alles mit mittellanger Textlänge, dass ich jemanden weiß, der auf seiner Papier-Visitenkarte jahrelang stehen hatte: „Google (sein Name)“, weil er eben derjenige war, der dann auf Platz eins kam. Mit seinem Blog. Er war da nicht der einzige, wir anderen hatten nur keine Visitenkarten.

Das haben die Werber natürlich arg gehasst denn auf diesen Platz eins wollten sie ja mit ihren Kunden hin. Nach ein paar Jahren des offenen Hasses (wer interessiert ist, googelt „Klowände des Internet“) haben sie resigniert und haben geguckt, was Blogger eigentlich so tun. Leider haben sie es es großteils nicht verstanden und konnten es nicht kopieren. Zu weit war es von ihrer Denke entfernt.
Also haben sie angefangen, Blogger zu umgarnen und zu vereinnamen – sie haben es aber natürlich „ernstnehmen“ genannt. (Exkurs: Wer an den Anfängen dieser ersten Zusammenarbeit interessiert ist, der googelt „Opelblogger“. Die teilnehmenden und die diskutierenden Blogs sind afaik alle noch online. Exkurs Ende)
Warum blieb ihnen nichts anderes übrig?
Leider fehlt Werbern genau das, was Blogger ausmacht: Leidenschaft. Auch wenn jetzt die Werber unter den Lesern aufjaulen und sich natürlich leidenschaftlich finden – es gibt einen Unterschied, ob ihr mit Leidenschaft zur Arbeit geht, oder ob man dann in Euren Texten über Schraubenfabrik XY die Leidenschaft für die Schrauben spürt. Ihr wisst das auch eigentlich.
Außerdem fehlt ihnen die Zeit: Welcher Kunde zahlt schon über Jahre jeden Tag eine Texter- und eine Fotografenstunde? (Und welcher Kunde hat soviel zu erzählen??)

Nachdem dann die ersten Blogs Geld machten ohne sich dabei aufzugeben (wie die Mama aus Köln oder die coole Sau aus Kiel zum Beispiel) wurde Bloggen als „Beruf“ natürlich attraktiv. Wer, der sich irgendwann in seinem kleinen Zimmer unter der Treppe bei einem Blogdienst angemeldet hatte um ein paar Gedanken zu Papie… äh Bildschirm zu bringen ahnte schon, dass man da Geld mit verdienen könnte? Außerdem waren selbst die miserablen Preise, die Werber für einen Blogtext ausgaben für jemanden, der noch nie mit Werbung und den realen Kosten für Texterstellung zu tun gehabt hatte, vollkommen jenseits dessen, was sie für „ach, ich hab doch nur was geschrieben und es macht mir doch Spaß“ jemals gedacht hätten verdienen zu können.

Es entstand also das Gerücht, man können mit Bloggen Geld verdienen.

Tja, die Folgen sehen wir jetzt. Menschen, deren Antrieb nicht ist „ich möchte schreiben weil mir das gut tut, weil ich Austausch mag und Menschen kennen lerne“, sondern deren Antrieb „Ich möchte Fame und Geld“ ist, nennen sich Blogger oder Influenza.
Der Preis des Ganzen: Dann müssen sie über Werber-Themen reden und nicht über ihre eigenen Inhalte oder ihre Leben. Muss nämlich gerade das neue Buch von Susanne Fröhlich verkauft werden, dann ist es uninteressant, wenn im Blog gerade seitenlang der Fund der signierten Thomas Mann -Gesamtausgabe auf Papis Speicher abgefeiert wird.
So schwindet in den kommerziellen Blogs genau die Vielfalt, die man als Blogleserin eigentlich am Medium schätzt. Deswegen häufen sich Lifestyle- und Family-Blogs, die alle über den gleichen neuen Advents-Dekotrend schreiben. Die, um sich abzuheben, verzweifelt nach SEO-Richtlinien schreiben müssen, weil sie genau wissen, dass ihre sogenannten Kooperationen sofort aufhören, wenn sie nicht genügend Leser nachweisen. („Kooperation“ ist übrigens ein anderes Wort für „schlechtbezahlte Zeitarbeit ohne Kündigungsschutz“.)

Ich garantiere: Die meisten sog. Profiblogger sind heimlich unfassbar neidisch auf die nicht-kommerziellen Blogs, weil sie keine Blogger sondern Werber sind – oder Werbern und ihren Versprechen auf den Leim gegangen sind. Weil sie um jeden Klick kämpfen wie blöde, während Frau Brüllen 19.000.000 Besucher hat mit ihren abendlichen Lilalaune-Postings mit Tippfehlern und Schachtelsätzen out of hell.
Weil sie nicht schreiben können, was sie bewegt, sondern was gerade sogenannter Trend ist. Weil sie Follower und Klicks kaufen müssen um so groß zu erscheinen, dass sie Geld verdienen können.
Merken sie aber nicht selbst, um mal einen typischen Twitterspruch zu verfremden.

Das alles ist übrigens überhaupt nicht wichtig. Ob jetzt die wahren Blogs die sind, die kein Geld machen (wollen) oder die, die sich von einer Kooperation zur anderen hangeln ist so wichtig wie der berühmte Sack Reis in China. Nur wenn man sich auf diesem Feld bewegt, dann ist es schön das alles zu wissen. Damit man zB nicht Blogs und Blogs verwechselt.

Bitte lesen Sie auch diese weiteren Gedanken des Herrn Webrocker.

Dieser Artikel wurde zuerst am 24.11.2017 veröffentlicht im jawl, meinem alten Blog. Das jawl ist geschlossen aber diesen Artikel wollte ich gern behalten und habe ihn deswegen in ein Archiv alter Artikel aufgenommen.

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