Sie fragen, ich antworte

Da fand ich gerade eine spannende Frage im Wunschdokument:

Nehmen wir mal an, es gäbe Paralleluniversen und in einem anderen wärest Du an irgendeiner Stelle anders abgebogen. Wie wäre Dein Leben dort realistischerweise verlaufen? (keine Idealwunschvorstellungsbeschreibung)

Denn mir fallen da sofort zwei Stellen ein, an denen mein Leben vermutlich eine extrem andere Richtung genommen hätte.

Abbiegung eins:
Ich hätte mit 24 die Über-Eck-Einladung zum Vorspielen bei F.* angenommen und wäre genommen worden.
Dann hätte ich das Studium an den Nagel gehängt, und wir wäre ein paar Jahre durch Deutschland und Europa getourt. Wie man weiß, konnten F. zwar nie mehr an den Erfolg des Durchbruch-Albums anknüpfen, trotzdem gab es da bis zur Bandauflösung noch ein paar ziemlich fette Jahre. Ob ich da als „der Neue“ finanziell noch so richtig was von gehabt hätte – schwer zu sagen. Aber es wären noch gute zehn Jahre im deutschen Rock’n’Roll-Zirkus gewesen und ich vermute, auch danach hätte ich einen ganz guten Namen in der deutschen Session-Musiker-Szene gehabt. Oder ich wäre als Produzent in irgendeinem Studio gelandet.
Seit 2017 wäre ich dann jetzt auf der von Corona unterbrochenen aber wegen der Begeisterung der Fans immer wieder fortgesetzten Reunions-Tournee und würde jeden verdammten Morgen jeden einzelnen Knochen im Leib spüren, weil touren mit Ende zwanzig eben einfacher war als mit Anfang 50. Aber geil wärs schon, da abends auf der Bühne; ich würde diese Tage niemals vergessen.

Abbiegung zwei:
Ich hätte dieses Lehramts-Studium irgendwie noch beendet und wäre nicht mit 27 in das kalte Wasser der Selbstständigkeit gesprungen.
Da fallen mir mehrere Möglichkeiten ein. Vielleicht wären wir dann heute eine relativ widerliche, Barbourjacken- und Waschbär-tragende Lehrerfamilie mit hohem Gerechtigkeitssinn für die eigenen Privilegien und einem genervten Blick auf alles da draußen, was immer schlimmer wird. Wir hätten einen Golf Diesel und ein Wohnmobil und wären dreimal im Jahr in der Toskana.
Viel wahrscheinlicher aber hätte mir das Referandariat vollständig das Genick gebrochen und ich hätte die entscheidenden drei Jahre später vor den Trümmern meines beruflichen Lebenslaufs gestanden. Statt die erste Online-Begeisterung zu erleben, wäre die New Economy-Blase schon geplatzt gewesen und ich hätte mich bestimmt nicht dafür entschieden, Webdesigner zu werden. Und was ich dann gemacht hätte, das kann ich mir nun wirklich überhaupt nicht vorstellen.

*) F. war eine damals sehr, heute in manchen Generationen** wieder ziemlich erfolgreiche deutsche Rockband, deren Name hier nichts zur Sache*** tut. Als die damals einen neuen Bassisten suchten, fragte mich ein Bekannter, ob er mich vor den eigentlichen Auditions mal vorstellen solle, er habe da Kontakte. Ich hatte jedoch gerade erlebt, wie die Musikindustrie Freunde von mir aufgefressen, durchgekaut und ausgespuckt**** hatte und wollte mit dem Musikbusiness nichts zu tun haben und lehnte dankend ab.
**) Es hat ja jede Generation so ihre eigenen … äh: Vorlieben. Ich hab halt meine.
***) Wers unbedingt wissen will und Rätsel mag, findet im Text Andeutungen.
****) Das klingt auf englisch ja auch viel besser.

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4 Kommentare

  1. Coole Frage, danke für die Antwort 😊

    Und wenn ich jetzt richtig kombiniert habe, finde es schon irgendwie lustig, dass du dir mit dem Band-Bassisten, der du nicht geworden bist, den Vornamen teilst 😅

  2. Meine Frage hast Du ganz wunderbar beantwortet. Ein bisschen Sehnsucht schwingt ja immer mit bei diesem Waswärewennspiel. Und bestenfalls kommt man (sprich: ich und auch jetzt Du) zum Ergebnis, das es eigentlich auch gut so ist, wie’s ist. Weil halt die Vorstellung kaum Platz für die Art Querschläge hat, die dann der Lebenskoch für uns zusammenmischt, während wir müde im eigenen Sud rumköcheln (voll plagiatsicheres Lennonzitat).

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