4.7.2022 – von Einsen und Nullen und Schulen und Autos

Wissen Sie, wenn ich mich mit Lehrerinnen über „Digitalisierung“ unterhalte – und das geschieht gelegentlich – dann stehen diese Gespräche recht schnell vor einem Problem: Wir sprechen über vollkommen verschiedene Dinge. Sie möchten sich darüber unterhalten, mit welcher App ich denn dies oder jenes mache* und ich möchte mich darüber unterhalten, wie sie denn in Zukunft ihre Rolle im Unterricht sehen. Und dann gucken wir uns komisch an und dann fällt irgendjemandem auf, dass das Bierglas auch schon wieder leer ist.

*) Keine Ahnung, denn auch ds ist Digitalisierung: Ich probiere es halt aus.

Ich komme gerade darauf, weil der Chef von VW ein kleines bisschen gegen Apple gerantet hat …

Man habe zwei Möglichkeiten: die Softwareentwicklung aufzugeben und sich zu Blechbiegern degradieren zu lassen, oder die Software eben selbst zu entwickeln.

… und eine eigene Vision ausbreitete:

Es ist nicht das erste Mal, dass Diess eindringlich davor warnt, die Softwareentwicklung zu vernachlässigen. Schon 2020 sagte er, „die Zeit klassischer Automobilhersteller ist vorbei“. Als Vorbild sah der VW-Chef den US-Autobauer Tesla, der verstanden habe, dass das Auto in der Zukunft das wichtigste „Mobile Device“ sein werde.

(beide:
t3n: Absage an Apples Next-Gen-Carplay: VW will sich nicht zum Blechbieger degradieren lassen

Abgesehen davon, dass man über das Konzept „Individualverkehr“ mit selbstgekauften Autos ja eh gerade an manchen Stellen streitet, muss ich persönlich über diese Vision von VW ein bisschen lachen, denn sie beginnt sie in my humble opinion ein paar Jahre zu spät, ein paar deutliche Jahre.

Anekdotische Evidenz: Ich durfte im letzten Jahr zwei verschiedene Autos probefahren und habe in beiden sehr unterschiedliche Erfahrungen mit der Software gemacht. Im Polestar unterhielt ich mich einfach mit dem Auto und wusste ohne Einweisung, dass ich die Sitzheizung der Liebsten mit einem freundlichen „Google, Sitzheizung Beifahrerseite auf 2“ anstellen können würde. Übrigens fand dann beim Stop auf einem Parkplatz auch im Menu den richtigen Schalter und hatte nach einer Stunde Testfahrt nicht im mindesten das Gefühl, irgendetwas an diesem Auto nicht bedienen zu können.
Im Golf hingegen habe ich nach zwei Tagen, die ich die Kiste fuhr, bis zum Schluss irgendetwas nicht heraus bekommen – und ich halte mich weder für besonders ungeübt mit grafischen Benutzeroberflächen noch habe ich mir beim Suchen nicht wirklich Mühe gegeben.
Trotz der langen Suche kam ich einfach nur zu dem Schluss, dass VW aufgrund der katastrophalen UI für mich aus dem Kreis der potentiellen Autos ausgeschieden ist. (Um den Sumpf des Anekdotischen zu verlassen: Ich bin da nicht allein)
Nicht nur wegen dieser Erfahrungen kann ich mir nicht vorstellen, dass es ein deutscher Autobauer noch schaffen kann, gegen die unangefochtenen Großmeister im UI-Design auch nur halbwegs aufzuholen.

Aber, und das meine ich vollkommen ernst: Spät oder nicht, da jemand immerhin irgendwann ansatzweise begriffen, was Digitalisierung meint und dass man die mitgestalten muss, wenn man überleben will.
Buchhändler, die Schallplattenindustrie, die berühmten NewYorker Yellow Cabs um mal einige zu nennen haben das nicht begriffen, die sind alle einfach gefressen, äh Verzeihung: disrupiert worden.

(Bild: Pexels)

Und daher denke ich, um im großen Bogen zurückzukommen immer: Mein Gefühl ist, dass es in der Schule noch gaaanz knapp Zeit sein könnte, digital zu agieren statt auf die Digitalisierung anderer zu reagieren. Nein, keine Whiteboards und iPads, auf denen dann die gleichen Arbeitsblätter ausgefüllt werden, die wir als stinkende Matritzenabzüge schon 1980 hatten. Sondern Ideen, was Lehrerinnen eigentlich einzigartig macht und die Konzentration darauf. Schülerbindung, Emotionalität, echte Reaktion auf Befindlichkeiten oder so etwas, ich bin kein Fachmann mehr.

Aber, liebe Lehrerinnen, niemand von Ihnen, und ich meine das ernst: Niemand von Ihnen ist die beste darin, die Siebener-Reihe oder den Zitronensäurezyklus zu erklären. Es wird immer jemand besseren geben – in der nächsten Schule, im nächsten Kreis, im nächsten Bundesland, im nächsten Land. Und ich fürchte, die beiden allerbesten, die sitzen schon bei Google und Apple und machen gerade Videos davon.

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2.7.2022 – day 4

Wir waren am See gewesen.

Außerdem in einem Gastronomiebetrieb, in dem es Burger und Cocktails gab und mehr ist zu dem Tag zum Glück auch gar nicht zu sagen.

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
Schreiben Sie’s auf!

29.6.2022 – Day 1

oder: „Man soll ja den Urlaubstag nicht vor dem Systemhaus loben“. Aber das war nur eine kurze, wenn auch absurde Episode, die da nachmittags an meine Urlaubsadresse geschickt wurde – und eigentlich ist es viel erzählenswerter, dass die kleine Schwester und ich uns heute wieder mal unseren alten Bestzeiten genähert und über vier Stunden telefoniert haben. Das war anregend, interessant, lustig, lehrreich, unterhaltsam, gut für Seelchen und Ego und überhaupt auch sonst alles, was man sich vom Treffen mit dem Herzensmenschen so erhofft.

Wären Sie hier gewesen, hätten Sie mich außerdem 10 Minuten lang die Einfahrt herunterschleichen sehen können. Beziehungsweise heranpirschen, denn im Vogelhaus der Nachbarn saß ein wohlgenährter Dompfaff und nährte sich da sehr wohl und als ich nahe genug dran war, um mit voll ausgefahrenem Zoom ein Bild zu machen, teilte mir die Kamera mit, ich habe keine Speicherkarte eingelegt.

Vorher noch Rechnungen geschrieben und den Schreibtisch aufgeräumt, nachher kurz genickert und mit der Liebsten ein Ründchen durchs Städtchen gemacht und ein bisschen an der DAW gesessen und mehr braucht so ein Ferientag doch auch gar nicht?

Später übrigens dann die Karte wieder gefunden und wieder in die Kamera gesteckt.

28.6.2022 – der Igel hat gelandet

Punktlandung. Die Energie reichte exakt soweit, dass ich erst in dem Moment beim Eingang einer weiteren Mail vor Erschöpfung und „lasst mich doch bitte in Ruhe“ losheulte, als ich schon den Text für den Autoresponder in der Zwischenablage hatte. Und diese eine Mail einfach von Hand mit Hinweis auf meinen Urlaub pseudo-autorespondete. Und dann den Autoresponder scharf schaltete.
„Scharf schalten“ auch so ein anachronistischer Begriff, den Menschen gerne benutzen, wenn ihnen „launchen“ oder veröffentlichen nicht einfallen.
Dabei hatte der Tag so nett angefangen und man attestierte mir, das CMS sähe „beinahe zu einfach und logisch“ aus. Das mochte ich.

Die Frage ist natürlich, ob der Urlaubsbeginn so exakt passend auf das Ende der Kraft gelegt war, oder ob die Kraft halt bis exakt 99,999% der noch laufenden Arbeitszeit reichte. Bei anderen Menschen weiß ich die Antwort, danke, antworten sie nicht.

Die etwas anstrengende Zusammenarbeit mit einem Dienstleister hat zumindest einen Status erreicht, dass alle Domains wieder auf Websites verweisen – sogar auf die richtigen. Und alles andere dann in ein paar Wochen.

Nachdem die Schilde hochwaren, fuhren wir in die Stadt zu einer Schnell-Ladesäule, liefen eine Runde, holten uns ein Eis – so wie man es in der ersten Urlaubsstunde eben tun sollte. Zurück am Auto sprach uns eine ältere Dame an. Sie hatte einen Autoatlas in der Hand und suchte Wickede, also einen der Nachbarorte; beim Blick auf die Kart bekam ich die vage Idee, dass der gewählte Maßstab vielleicht Teil des Problems sein könnte, denn zwischen ihrem Abfahrtort Leipzig und ihrem aktuellen Standort Menden lagen gerade einmal 4cm. 4cm für 400km also und Menden und seine Nachbarorte verschwanden irgendwie alle unter dem senkrechten Strich vom D von Dortmund und natürlich hatte sie sich in dem einzigen Stück Mendens, in dem es zwei Spuren aber dafür nur eine Fahrtrichtung gibt vollkommen festgefahren.
Wir erklärten ihr den Weg, der von da aus wirklich einfach ist: erste Ampel links, zweite Ampel links, dritte Ampel rechts und dann 15 Minuten immer geradeaus. Sie wirkte trotzdem überfordert und wir boten an, bis zu dem Moment wo sie immer nur noch geradeaus fahren musste, vor ihr herzufahren – oh, das sei aber sehr, sehr nett, wir entstöpseten also den Fiat, fuhren los, sie hinterher, erste Ampel links, ja, geklappt, zweite Ampel links, auch geklappt, dritte rechts, auch geklappt, wir bogen in eine Tankstelle ab und winkten, sie winkte zurück, wir drehten und sahen sie im Rückspiegel blinken und falsch abbigen. Also ziemlich genau 15 Minuten vor Wickede. Nun.
Ich dachte darüber nach, wie anstrengend das damals ohne diesen Supercomputer mit GPS in der Hosentasche war und hatte etwas Mitleid.

Außerdem: In irgendeiner Upload-Wartezeit erinnerte ich mich an ein Stück liegengebliebene Musik und habs mal eben gemastert. Hirn, Du seltsames Ding.

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Ach .com, wenn wir doch einmal bei Musik sind – hier ist ein Cover von Sledgehammer und ich bin mir nicht sicher wie ich es finde. Ist es ein Sakrileg, irgendetwas von Herrn Gabriel anzufassen? Ist es gut gemacht? (Zweifelsohne.) Ist es irgendwie eigen? (Auch zweifelsohne.) Ist es so sperrig, weil Gabriels Kompositionen eben so eine eigene Liga sind? Ach, hören Sie doch selbst.

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25.6.2022 – die USA und der deutsche Mann

So, nun hat also das oberste Gericht in den USA das Recht auf straffreien Abbruch einer Schwangerschaft gekippt. Kann mir doch eigentlich egal sein, so als deutscher Mann. Kann mir egal sein, so als deutscher Mann?
Naja, in Polen ists ja auch so und in Frankreich ist diese rechte Frau auch nur knapp am Wahlsieg vorbei geschrappt und die Briten spinnen auch komplett, wenn man mal ehrlich ist und die AFD hat es auch geschafft, dass sich der Diskurs in Deutschland immer weiter nach rechts verschiebt und es brauchte schon eine Lusche wie Laschet, um in Deutschland ein fragiles Bündnis aus Rot-Grün-Gelb an die Regierung zu bringen und wer weiß, vielleicht kann es mir als Deutscher ja doch auch nicht egal sein. Scheint ja doch nicht so zu sein, dass unsere Gesellschaft automatisch immer liberaler und aufgeklärter wird.

Naja, aber als Mann, ich werd ja nun nicht schwanger und ich persönlich habe mich auch immer um Verhütung gekümmert, ich war immer ein guter. Da kann mir das doch egal sein?
Nun, das erste Gericht in irgendeinem Redneck- oder Bible-Belt-Staat hat ja schon angekündigt, man wolle sich in einem Aufwasch auch gleich mal die gleichgeschlechtlichen Ehe und überhaupt die Schwulen und Lesben ansehen und vielleicht geht ja überhaupt nicht nur um Frauen. Vielleicht kann es mir als Mann ja auch nicht egal sein, wenn ultra-konservative und/oder religiöse Kräfte ihren Backlash da weiter treiben?

Naja, aber ich bin ja nun ziemlich heterosexuell und schon lange verheiratet, da kann mir das doch nun wirklich egal sein. Da kann mir das doch egal sein? Guck ich mir so typische konservative Männerbünde an, die mit derartig veralteten Meinungen um die Ecke kommen, da geht es dann ja irgendwie ganz schnell nicht mehr nur um Schwule und Lesben sondern um alle, die irgendwie verdächtig sind, nicht hart genug zu sein. Künstler, Freigeister, Langhaarige, Faulenzer, Menschen mit Unkraut im Vorgarten.

Naja, lange Haare hab ich ja schon lange nicht mehr und mein kleines Fotoblog ist ja nun nicht wirklich was künstlerisches, mehr so ein Hobby und die Songs, herrje, ich muss die ja nicht veröffentlichen. Ich bin immerhin erstmal selbstständig, ein freier Unternehmer quasi, eine Stütze der Gesellschaft.
Kleinstunternehmer aber nur und Stütze der Gesellschaft, nun ja. Zu schwach für die große Wirtschaft, nicht hart genug für die Ellbogen in den Männerrunden und diese PTBS kostet mich ja nun auch immer viel Kraft und ups, vielleicht möchte ich ja gar nicht wegen einer Diagnose, die mir vor vielen Jahren ein patriarchalisches Arschloch mit seinen harte-Männer-Phantasien eingebrockt hat, meinen Beruf nicht mehr ausüben dürfen.

Vielleicht geht es mich ja doch etwas an?

Sie wussten natürlich schon seit drei Absätzen, wo ich hinwollte und treue Leserinnen wissen auch, dass ich mich schon im ersten Absatz nicht wirklich fragte, was es mich angeht.
Aber ich wollte den Weg einmal skizzieren, den Weg, bei dem ich nie verstehe, warum ihn sonst so wenige zu sehen bereit sind. Das Wesen solch einer Denke, die anderen verbieten will, die andere kontrollieren will, die in stark und schwach denkt und schwach ausmerzen will – das Wesen solch einer Denke ist es nicht, irgendwann aufzuhören. Solch eine Denke sucht sich immer die nächste Gruppe. Sind die Ausländer raus, kommen Schwule und Lesben dran. Dann die Frauen. (Reihenfolge beliebig) Dann die schwachen Männer. Dann die mittelschwachen Männer. Dann die starken, die Konkurrenz sein könnten.
In dieser Denke muss immer irgendwer unterdrückt werden und dass man bei (vermeintlich) Schwächeren anfängt ist nicht Zufall, sondern System, denn so wächst mit jedem „Sieg“ die eigene Macht.

Und im Ernst: jeder Leser (nein, nicht Leserin) weiß, wie es in Männerbünden – ob es nun die Schulhof-Bully-Clique oder die Führungsetage ist – zugeht. Wie man dort ständig in Unsicherheit lebt, wie man nie weiß, ob die eigene Stellung gerade sicher ist oder man im nächsten Moment das Messer in den Rücken bekommt, weil der vorherige BestBuddy sich beim Oberbully einschmeicheln will.
Weil es kein Miteinander ist, sondern ein zufälliger Bund von einzelnen, die ihre Machtphantasien leben wollen und dazu andere benutzen.

Ich verstehe Menschen einfach nicht, die nach einem starken Führer oder einer starken Führungs-Elite rufen – denn ihr Ruf kann doch nur auf dem Missverständnis beruhen, dass der Führer rein zufällig exakt zu 100% ihre Meinung vertritt. Gerade die Mauler, Meinungsbrüller und Selfcare-Egomanen, die würden doch als erste dritte weg sein.

Und – nur der Vollständigkeit halber: Genau deswegen geht es mich etwas an, was dort gestern in den USA passiert ist. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass alle Menschen gleich sind und gleich behandelt gehören – und dazu gehört auch, dass niemand dem anderen ohne größte Not in seinen oder ihren Körper reinreden darf.
Deswegen geht es uns alle etwas an. Auch Sie, liebe weiße, männlioche Mitleser. Das Privileg als weißer deutscher hetererosexueller Mann ist es nur, zufällig in der letzten Gruppe zu sein, die von ultra-koservativen Kräften unterdrückt werden würde.

Eigentlich vollkommen logisch, aber es schien, als müsse es mal gesagt sein.

(Twitterbild: Pexels, EKATERINA BOLOVTSOVA)

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