Ich wache von einem Geräusch vor dem Fenster auf: Ein Kreuzfahrtschiff fährt in den Hafen. Ordinär streckt es seinen dicken Hintern voraus und schiebt sich langsam rückwärts ins zu klein wirkende Hafenbecken. Wir sind hier im achten Stock und ich kann nicht mal auf das obere Deck dieser stinkenden Hässlichkeit sehen.
Ich setzte mich und tue nichts, außer diese Absurdität zu beobachten. Nachdem es angelegt hat, ergießt sich ein Schwarm Touristen an Land wie der Praecox eines achtzehnjährigen, der noch nicht weiß, wie Liebe geht und nur schneller, öfter, schneller zum Abschuss kommen kann und will.
Fitnesscenter! Mall! Drei Pools! Elf Clubs! Eine Bordbrauerei! Die Menschen, die da herausfließen, die wissen gar nicht, dass sie in Aarhus sind, die könnten ebenso gut in Kiel geblieben sein, am besten vielleicht abends in Kiel eingestiegen, nachts aufs Meeer raus, gedreht, zurück, morgens in Kiel wieder angelegt, „meine Damen und Herren, wir wünschen Ihnen viel Vergnügen in Aarhus“ – „schau Sabine, Aarhus, da sieht es aus wie bei uns, sogar Deichmann gibts“ – „ja, aber es ist schon teurer hier“ – „stimmt, Sabine, da lassen wir unser gur verdientes Geld besser im eigenen Land!“, es wäre egal, man könnte ihnen bestimmt sogar eine komplette Nordkap-Fahrt verkaufen und sie viermal in Kiel aussteigen lassen. Sie wollen es gar nicht wissen, sie wollen nur abgelenkt werden von der riesigen Leinwand und Bailando in Hafenlautstärke und sie wollen denken können, sie wären auf dem Meer gewesen und sogar in einem anderen Land.
Aber zu unserem Tag: Wir waren erst ein bisschen im Städtchen, die Liebste wollte mir noch in zwei Läden Dinge zeigen und zusammen überlegen, ob sie mitnahmewürdig waren. Als Beweisstück dient ein Umkleidekabinen-Selfie.
Danach waren wir im botanischen Garten – der gehört zur Uni und ist leider genug Sehenswürdigkeit, dass dort auch Kreuzfahrer gruppenweise ihr Unwesen trieben. Ist man hier in Dänemark mit einer Gruppe deutscher Boomer-Touris konfrontiert, merkt man erst, wie unauffällig rücksichtsvoll und freundlich die Dänen so im Alltag miteinander sind. Wir sprachen aus Scham und um keinesfalls mit den Gruppen in einen Topf geworfen zu werden, die ganze Zeit kosequent englisch miteinander.
In der Stadt konnten wir diesen Trupps immerhin noch einigermaßen gut aus dem Weg gehen, aber hier waren die Wege zu eng.
Außerdem muss ich gestehen: Ich kann – Sehenswürdigkeit hin oder her – nur so mittelviel mit botanischen Gärten anfangen. Ich hab mal fotografiert, was interessant aussah – und das kuppelförmige Gebäude von außen, denn das ist schon ein bisschen spacig.
Im Park kann man außerdem von oben in Den Gamle By schauen, also in die Attraktion, die den meisten zuerst beim Namen Aarhus einfällt. Wenn Sie mich fragen: Schon ok, aber mir fallen andere Dinge zuerst ein. Also, falls Sie mal hier hoch wollen. Ich glaub, ich versuche am Ende eh mal eine Sammlung mit allgemeinen Tipps, was meinen Sie?
Spätnachmittags erst ein wirklich guter Burger in der Streedfood-Zeile am Hafenbecken …
… und danach nochmal an den Strand. Die erste Aida war auch schon wieder weggefahren – was bedeutet: Das Schiff war keine acht Stunden hier vor Anker. Bleiben – abzüglich Aus- und Einsteigen, Shuttle Bus hin und zurück – netto also vermutlich sechs Stunden Zeit für die Menschen, die Stadt zu sehen.
*SlowClap*
Aber Hauptsache, ich bekomme von meinem Vizekanzler gesagt, ich müsse kürzer duschen, damit hier der Schweröl-Diesel* die ganze Zeit durch laufen kann.
Am Strand war der Frieden. Und als wir zurück kamen, war die andere Aida auch weg. Puh.
*) Ich lernte inzwischen, dass die AIDAs konkret nicht mehr mit Schweröl fahren, sonden mit LNG. Akzeptiert man, dass es Kreuzfahrtschiffe geben sollte, dann ist das natürlich eine Verbesserung. Guckt man mal ein bisschen übern Tellerrand, dann ists halt nicht so dolle. U choose.
Nachtrag am 12.7. beim Veröffentlichen: Gestern Abend haben wir mal geschaut, was so ein Kreuzfahrt-Trip kostet und was da eigentlich so passiert. (Viel, nichts)
Unpopular opinion: Verbieten. Einfach verbieten. Niemand hat „sich das aber schon verdient“, auf Kosten der Umwelt so zu handeln und zusätzlich ist es pures Opium fürs Volk.