25.5.2023 – wie die SelfCare-Coaching-Bubble gute Ideen tötet

(Ein Rant.)

Wissen Sie, was mich richtig nervt? Wenn gute Konzepte so lange durch die Gehirnwindungen bequem-egoistischer Menschen gedreht werden, bis hinten auf einmal Phrasen-Müll rauskommt. Gestern bei Frau Brüllen – immer mit einem kritischem Blick auf die Heititei-isierung der Welt – gelesen, dass jetzt offenbar auch der Begriff Selbstwirksamkeit seine Runden so weit in die Niederungen der FeelGood-AndGimmeAllYourMoney-Coaches gefunden hat, dass er ihr zum Beispiel auf den Geist geht.
Und das, excuse my french, kotzt mich an. (Also: Dass der Begriff verhunzt wird)

Selbstwirksamkeit zu finden bzw Menschen das Gefühl von Selbstwirksamkeit zu vermitteln, ist sowohl in der Liebsten als auch in meinem Leben auf unterschiedlichen Seiten eines der wichtigsten Themen überhaupt. Sie: arbeitet mit Kindern, denen aus welchen Gründen auch immer vollkommen versperrt ist, sich selbstwirksam zu fühlen. Die schon mit sechs oder sieben Jahren vor allem gelernt und vollkommen verinnerlicht haben, dass es total egal ist, was sie tun – sie werden eh scheitern. Überraschenderweise scheitern sie dann auch bei den geringsten Anforderungen zB in der Schule.
Ich: habe lange Jahre gegen meine PTBS angearbeitet, die mir das gleiche Gefühl vermittelte; ich hatte keine liebevolle Sonderpädagogin, die mir einen Schutzraum in der Schule anbot, sondern ich hatte montags Seelenmassage und durfte da lernen, dass die PTBS lügt (immer) und ich konnte Tricks lernen, um mir selbst zu helfen.

Selbstwirksamkeit zu vermitteln ist eines der wichtigsten Konzepte in Therapie und Pädagogik, sie zu fühlen ist für menschliches Wohlergehen essentiell – aber leider nicht so normal, wie man denken mag. Und ich meine damit nicht das Wohlergehen, dass die Wandfarbe gut zur neuen Ikea-Duftkerze und die wiederum so schön zur Tee-Verpackung passt.
So wie es aussieht, ist Selbstwirksamkeit aber jetzt in den Niederungen der FeelGood- und SelfCare-Szene angekommen und wird als Argument für ein bequemes Leben missbraucht.

Ich habe diesen Niedergang von guten Konzepten vorher schon quasi live beim Begriff Achtsamkeit erlebt. Mit großen Augen stand ich davor und verglich, wie mir montags Achtsamkeit beigebracht wurde. Wie mich diese Achtsamkeit für meine Gefühle erst einmal in die Hölle und zurück brachte, weil ich leider einen großen Teil meiner Gefühle weggesperrt hatte und sie jetzt wahrnehmen und mich ihnen stellen musste – während auf Instagram der Hashtag trendete und unter diesem Label gelangweilte Menschen mit Wochenend-Coaching-Ausbildung Duftkerzen und Badezusätze verkauften. Um danach mit dem Geld nach Thailand zu fliegen, weil „sie ja auch mal auf sich selbst achten mussten, Du“.

Ja, ich bin wütend.
Ich bin wütend, weil diese Simplifizierung dazu führt, dass auch kluge Menschen ablehnend auf solche Begriffe und Konzepte reagieren und damit denen einfach forkin’ Unrecht tun, die sich den wahren, urspünglichen Kern der Konzepte gerade hart erarbeiten um überleben zu können.
Und ich kann es ihnen nicht mal verübeln.
Ich bin wütend, weil es hart an ihren Dämonen arbeitende Menschen auf die gleiche Stufe stellt mit gelangweiltem Pack, das seinen Egoismus wieder unter einem neuen Label ausleben und dabei im schlimmsten Fall von hilfesuchenden Menschen noch Kohle abziehen kann.

Ja, so richtig wütend.

Und beim nächsten Mal erzähle ich Ihnen dann vielleicht mal, was Trigger wirklich sind. Oder dass das originale Konzept der antiautoritären Erziehung nichts, aber auch gar nichts mit Regellosigkeit zu tun hatte. Noch so zwei Konzepte, die vollkommen versaut wurden.

Bis dahin eine Bitte: Versuchen Sie zu unterscheiden zwischen Menschen, die Begriffe leichtfertig zu Modebegriffen machen und denen, die es nicht tun. Oder, noch kürzer: Verdammen Sie nicht die Begriffe, weil sie missbraucht werden. Danke.

Ach ja: Und wenn Sie denken, dass ich jetzt hier wirklich böse über eine Szene spreche, deren Nutzen Sie irgendwie schon auch richtig und nicht ganz unwichtig finden, dann gehen Sie zu Martin Gommels Instagram-Kanal. Dieses Pack, das er da vorführt – das meine ich. Ich hab ja gar nicht allgemein was gegen hübsche Kerzen und Tee.

Sie mögen das, wenn ich auch mal aus dem täglichen Alltags-Einerlei ausbreche und über Gott und die Welt nachdenke? Hier steht eine virtuelle Kaffeekasse!
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist.

24.5.2023 – ohne roten Faden

Mich beängstigt etwas, wie schnell dieser Monat vorbei huscht. Ob wohl etwas mit meinem Zeitgefühl nicht stimmt?

Den Tag am Teich begonnen. Da machten sich gerade die Enten warm für des Tages Mühen; die komplette Runde machten mir die Reste des Hochwassers von vorgestern Abend unmöglich.

Dann: Schreibtisch, Schreibtisch, Schreibtisch. Eine Stunde damit verbracht, eine Einstellung zu suchen, die jemand anderes auf einem Server gemacht hat – dummerweise hat die IT da nicht begriffen, dass auch ich gelegentlich auf dem Webserver arbeiten muss und so habe ich selten aktuelle Zugangsdaten und heute eben mal ein Stündchen mehr Arbeit, weil die IT nicht mit mir spricht, wenn sie dort etwas tut und Standardeinstellungen verändert.

Und weil ja Mittwoch ist, fuhren die Liebste und ich dann ins Nachbarstädtchen und gingen essen. Bei mir leider stimmungsmäßig arg davon getrübt, dass … ach. Familie halt. Und Menschen.
Und ehrlich gesagt auch sehr davon, dass heute eine bayrische Staatsanwaltschaft das Terrorismus-Framing gegenüber der sog. Letzten Generation aus Versehen ein bisschen weiter getrieben hat.
Ich kann versichern: In meiner Beobachtung tut das seine Wirkung. Ob es die Menschen sind, die hier im Ort einen Feuerwehrmann anpöbeln und mit dem Auto zur Seite drängen, weil er eine überschwemmte Straße sichert oder meine erstaunte Erfahrung, dass ich mit dem E-Auto bis jetzt bereits doppelt so viel wütend hupend und drohend überholt worden bin, wie mit dem Audi im ganzen letzten Jahr (und ich fahre nicht anders) – Menschen, die mit Vernunft handeln oder schlimmer: Die uns an daran erinnern, dass wir gerade die Welt vor die Wand fahren, die müssen weg.

Auf dem Rückweg Himmel überm Feld. Auch die schönen Dinge immer festhalten.

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
Schreiben Sie’s auf!

23.5.2023 – Eine der obskursten Science-Fiction-Serien*

Aus dem Bett direkt an den Schreibtisch gefallen und mich tief im Code einiger sehr alter Blogs vergraben. Ich sagte ja letztens schon, dass mich das immer sehr freut, wenn mir da jemand ein teilweise Jahrzehnte-altes Baby anvertraut.
Eingekauft, ErsatzChickenWings mit Dip zum Mittagessen, nochmal Schreibtisch, später einmal zu Ikea und dann musste noch jemand einen der letztens gekauften Anzüge zurückbringen (ich wars nicht).

Bei Ikea Rahmen gekauft und dann Kunst gerahmt. Jetzt nur noch aufhängen. Ich liebe es so, an dieser Wand hängt nichts, was nicht mindestens einen persönlichen Bezug hat, meist Originale mit Widmung. Could it be better?

Alles vollkommen langweilig alltäglich.
Super.

Synje und Julie berichten in ihrem Podcast, wie sie selbst ihre kleine Tour erlebt haben – mit Originaltönen von „on the road“, mit Live-Mitschnitten und auch mit superlieber Erwähnung sowie den Stimmen einiger Menschen, denen sie unterwegs begegnet sind – und ihre Beschreibung unseres gemeinsamen Tages könnte mich kaum froher machen.
File under: Dinge, die man sich als Fan immer so erträumt (und die dann schon spannend sind).

Außerdem macht mich die Begegnung mit den beiden weiterhin nachhaltig nachdenklich.
Anfang Februar hatte ich ja auf die Frage nach „hättest Du Dich anderes entschieden“ noch erzählt, dass ich damals mal eine Pre-Casting-Einladung bei einer durchaus erfolgreichen Band nicht angenommen hatte. Die Entscheidung war damals eine sehr bewusste, denn ich hatte just vorher miterlebt, wie mehrere Freunde von mir von der Musikindustrie chewed up and spit out wurden – und das wollte ich für mich nie erleben, da war ich mir sicher.
Synje und Julie sind nun zwei Künstlerinnen, die den Weg abseits der Maschinerie gehen und natürlich setzt das den einen oder anderen Gedanken in Gang – vor allem, weil sie in ihrem Podcast auch solche Themen wie das Musik-Business, Image und Selbstvermarktung oder auch eben Selbstverkauf immer wieder besprechen.
Es ist nicht so, dass ich hadere mit meiner damaligen Entscheidung – aber es kommt mir einfach immer wieder sehr nahe, wenn die beiden erzählen.

Was da sonst noch war:

Im Fernsehen stieß ich letztens nachts in irgendeinem dritten Programm (sagt man das noch? Ist das noch verständlich?) auf die Serie „Die Mädchen aus dem Weltraum“. Und wenn ich Mittagspause mache, schaue ich aktuell Star Trek Next Generation und da gibt es ziemlich zu Beginn die Folge Planet Angel One.
In beiden geht es darum, dass Menschen aus der Welt wie wir sie kennen (bzw. wie wir uns vorstellen, wohin wir uns entwickeln möchten) auf eine matriarchalische Gesellschaft treffen.
Was ich wirklich bemerkenswert finde: In beiden von Frauen regierten Gesellschaften verhalten sich die Frauen exakt so, wie es im Moment (bzw. zum Zeitpunkt des Drehbuchschreibens) die Männer taten. Sie sind abwertend gegenüber den Männern, sind machtgierig und gewalttätig und zeigen sogar teilweise sadistische Züge, wenn die Männer nicht gehorchen.
Wie verräterisch das ist – zeigt es doch, dass die Männer (ja, nur Männer), die die Drehbücher schrieben, eigentlich ziemlich genau reflektieren konnten, in was für einer Gesellschaft sie leben und wie sich Männer gegenüber Frauen zum jeweiligen Zeitpunkt verhielten.
Erst recht, wenn man mit einbezieht, dass ein Matriarchat eben nicht das Gegenteil des Patriarchats bedeutet:

Ich hatte erwartet, auf ein umgekehrtes Patriarchat zu treffen. Aber damit hat das Leben der Mosuo absolut nichts zu tun. Frauen dominieren in einer anderen Art und Weise. Wenn Frauen herrschen, ist es Teil ihrer Arbeit. Ihnen gefällt es, wenn einfach alles läuft und es der Familie gut geht. Die Idee, Vermögen anzuhäufen oder viel Geld zu verdienen, kommt ihnen einfach nicht in den Sinn.
[…]
den Mosuo-Frauen leuchtet einfach nicht ein, warum Konflikte mit Gewalt gelöst werden sollen. Da sie bestimmen, streitet niemand. Schuld- oder Rachegefühle kennen sie nicht, es ist einfach eine Schande, sich zu streiten.

Ricardo Coler im Interview bei Siegel online:
Männer leben besser, wo Frauen das Sagen haben

Solche Ideen kam den Drehbuchautoren aber wohl nicht in den Sinn.

*) Die Überschrift ist ein Zitat aus Das Fernsehlexikon von Michael Reufsteck und Stefan Niggemeier und bezieht sich auf Die Mädchen aus dem Weltall.

Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.

22.5.2023

Trotz höllischer Kopfschmerzen als erstes morgens zum HNO gefahren. Was man halt in Zeiten von schlechter Erreichbarkeit und mangelnden Terminen von Fachärzten so tut.
Zum Dank dauerte das dann länger als erwartet weil – ach, ich weiß es nicht, wie so eine Praxis funktionieren sollte und warum sie es nicht tut.

Im Parkhaus bot sich, als ich zum Auto zurück kam, folgendes seltene Bild: Zum Polestar-Männchen – sonst eher als Einzelgänger im Straßendschungel unterwegs – hatte sich vorsichtig ein Weibchen gestellt. Auch die sind ja sonst eher einzeln unterwegs und wenn man genau hin hörte, konnte man leise ein paar erste Spannungsbögen zwischen den beiden hin- und her-funken hören.

Auf dem Rückweg noch ein Stop beim Paketshop – Synje hatte am Tag vor „unserem“ Konzert ihr Kapodaster zerbrochen und da wir ja ein halbwegs gut ausgestatteter Musikerinnen-Haushalt sind, machte mein Kapo dann den Rest der Tour mit. File under: Dinge, die man sich als Fan immer so erträumt (die dann aber gar nicht so spannend sind)

Dann Schreibtisch im auf einmal überraschend warmen Büro – was der Kopf total super fand. Was man halt so tut als Selbstständiger. Ich schob Pixel und war wohl recht vertieft, denn als die Wetter-Warnung von Nina auf dem Handy pingte, hagelte mir auch schon der erste gefrorene Frühling durchs offene Dachfenster aufs Laminat.
Unten in der Stadt, im Vorort und der Nachbarstadt werden gerade wieder Keller leergepumpt und neinein, dieser Klimawandel ist nur eine Erfindung von raffgierigen Gutmenschen.

Zeugs

Jaja, „von der Natur lernen“, das war erst eine Phrase, dann waren die Schwimmerinnen mit Hai-Haut-ähnlichen Anzügen auf einmal schneller als die anderen und in diesem kleinen Filmchen auf Instagram habe ich eine ganz neue Art kennen gelernt, wie Wissenschaftlerinnen sich die Intelligenz der Natur zum Vorbild nehmen. Quite impressive.

20.5.2023 – about cliches

Leider habe ich gerade trotz längerer Suche – Maximilian wird es in seinen Statistiken bemerken, wenn er so etwas bemerkt – den Artikel auf den ich mich beziehe, nicht gefunden. Er beschrieb damals, wie er morgens im Flur einen Nachbarn trifft. Beide im halblangen Mantel überm Anzug, eher grau in grau, Haare kurz (es muss also etwas länger her sein), eine ähnliche Tasche in der Hand und sie sich gegenseitig kurz mustern in ihrer Ähnlichkeit. Jedenfalls habe ich es so in Erinnerung und vielleicht war der Artikel auch anders – aber selbst dann können wir uns das alle gut vorstellen: wenn zwei Menschen, die etwas mit Zahlen machen sich auf dem Weg ins Bür treffen.

Jedenfalls musste ich – mit einem Elefantengedächtnis für derartige Alltagsschnipsel in Blogs gesegnet selbst wenn ich abends oft nicht mehr weiß wie ich heiße – ich musste also gerade dran denken, als ich auf dem örtlichen Edeka-Parkplatz mein Auto abgestellt hatte. Um diese Zeit stehen hier eher die Golf IV und die älteren Opel-Modelle, ein paar ältere Familien-Vans, sogar die SUV-Dichte ist erstaunlich niedrig und als ich in die Park-Gasse einbiege fällt mir der weiße Tesla sofort auf. Es ist ein Model Y, eh nicht gerade unauffällig designt und überhaupt sehen hier, in diesem Moment an diesem Ort diese modernen Elektroautos aus, als kämen sie direkt aus dem Shuttle-Hangar der Enterprise.
Ich grinse und parke mein schwarzes Batmobil daneben – das bietet sich an und komplettiert den Eindruck einer wohlgepflegten Shuttle-Rampe.
Steige aus und gehe Richtung Laden. Mir entgegen kommt ein großgewachsener Mann, Brötchentüte und einen großen grichischen Joghurt in der Hand, die von der Glatze verschonten Reste des Kopfs auf 4mm gekürzt, Brille, hellgrauer Hoodie, skinny Jeans und Wildling-Schuhe und … naja.
Natürlich ging er zum Tesla.
Ach ja. So lauf ich heute rum:

Ich lache noch immer, als ich den Laden mit Brötchen und Joghurt in der Hand wieder verlasse, fahre nach Hause, mache ein Foto im Spiegel und blogge; und dann denke ich über Klischees nach.

Sie lesen abseits des üblichen Tagebuchblog-Betriebs auch gern mal so eine Geschichte? Sie möchten sich bedanken? Hier steht die Kaffeekasse und wenn Sie finden, Geld riecht unangenehm, dann freue ich mich auch über Überraschungspost von der Wishlist.

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