6.4.2024 – day after

Körper sind schon erstaunliche Konstrukte – wenn man mal bedenkt, dass wir ja eigentlich nur mit recht viel Wasser gefüllte Kohlenstoffsäcke sind. Jedenfalls bleibt die Schmerzfreiheit und ich finde das sehr gut. Es nervt mich ja selbst am meisten, dass hier ständig Gesundheitsthemen auftauchen.
Also lang und wohl geschlafen und als ich runter kam, saß die Liebste das erste Mal auf der Terrasse und trank dort Kaffee eins, zwei und drei – und Sie können sich gar nicht vorstellen, was das mit unserer beider Laune macht.

Ich war sogar problemlos in der Lage zu sagen: „ich fahr mal eben in die Stadt, wasche den ganzen Vogelscheiß1 von Deinem Auto und hole ein paar Hasen2 und ein paar Liter Milch3!
1) Überraschenderweise ist auch diesen Sommer wieder der gleiche Baum über dem Parkplatz der Schlafbaum für die ganze Umgebung und man sollte dort besser nicht parken. Bis auf die Wochen, wenn Blaubeersaison ist, dann DARF man dort nicht parken.
2) Mitbringsel für Freunde aus der wunderbaren Schokoladenmanufaktur
3) „Was man nicht im Kopf hat, muss man im Tank haben“, witzelte mal jemand in einer anderen Zeit.

In meiner IG-Timeline taucht immer wieder ein besorgt guckender Campino auf, der (arg verkürzt) vor dem großen Rechtsruck warnt und wieder mal denke ich darüber nach, ob es so klug war, „querdenken“, „sich nicht alles vorschreiben lassen“, „auch mal aus der Reihe tanzen“, „ausgefahrene Wege verlassen“ und ähnliche Formulierungen seit Jahrzehnten als Wert zu etablieren, ohne näher zu definieren, welche Wege verlassen gehören und welche nicht? Welche neuen Richtungen ein gutes Ziel sein könnten und welche nicht? Darf man sich – so ohne klare Definition eines Ziels und mit Individualisierung als Selbstzweck – darüber wundern, wenn Menschen dann in andere als die von uns gewünschten Wege abbiegen? Wenn Ihnen beim quer denken anti-soziale statt sozialer Ideen kommen? Wenn sie sich nicht vorschreiben lassen wollen, demokratisch zu denken, statt mehr Demokratie zu wagen?
Schon interessant, wenn die Systemstürzer von damals die System-Stützer von heute sind.
Ebenso erstaunlich, wie wenig reflektierte Haltung uns allen Jahrzehnte lang ausreichte, um ein Gemeinschaftsgefühl zu empfinden.

Der Brandanschlag auf die Synagoge hat in der Bundesregierung für Entsetzen gesorgt.“, höre ich im Radio. „Ministerin XY hat gewarnt“, so geht es weiter. Tagebuchblogger Christian Fischer fordert übrigens, Konsequenzen zu ziehen und endlich Geld dahin zu geben, wo sich kluge Menschen seit Jahren gegen rechts engagieren und nicht nur vorneherum Hohlphrasen von sich zu geben und hintenrum solche Initiativen totzusparen. Ich kann diese folgenlosen Betroffenheitsphrasen nicht mehr hören.

Aber zurück zum heißesten 6. April seit Wetteraufzeichnung: Für und gings dann auf die Autobahn, eine liebe Freundin besuchen und die frisch erworbenen letzten Schoko-Osterhasen des Jahres mitbringseln. Wir saßen draußen, wir aßen feinste Dinge, wir plauderten über dies und sprachen über das und sogar der Teenager-Sohn saß die meiste Zeit bei uns – was ich am ersten Sommertag des Jahres als ein persönliches Kompliment nehme. Es war ein durchweg schöner Nachmittag und Abend.

Zwischendurch klingelte es in der Kaffeekasse und es macht mich – ich glaube, ich erwähnte es schon mal – immer wieder sprachlos. Danke. Echt. Ich schreib doch hier nur so vor mich hin.

5.4.2024 – #wmdedgt

#WMDEDGT ist eine Idee von Frau Brüllen zur Förderung der Kultur des Tagebuchbloggens.

Treue Leserinnen werden sich erinnern, dass ich meinen letzten Geburtstag im Krankenhaus verbracht hatte. One is a coincience, two is a row, three is a ritual – so sagt man doch, oder? Jedenfalls haben wir heute den Tag in der Zahnklinik verbracht, weil einer der frisch behandelten Zähne darauf bestand, sich zu entzünden. Je nach Deutung also row oder ritual – kommt darauf an, ob man den Besuch in der Notaufnahme am 30. Geburtstag damals mit zählt oder ni… – nee, das ist zu lange her, oder?
Also a row. Ich fände es aber auch ein echtes scheiß ritual.
Drumherum eigentlich nur Couch, Fernsehen und gelegentlich Harry Potter auf der switch und gegen Abend merkte ich immerhin, dass die letzte Schmerztablette aus dem Körper rauswar, die Betäubung auch längst aus dem Kiefer verschwunden und der Schmerz trotzdem weg blieb.
Das war dann schön, auch wenn ich dem Braten noch nicht ganz traue. Aber ich traute mich immerhin an den Kuchen, den die Liebste mir gemacht hatte.

(Im Hintergrund übrigens ein neues Internetradio, das genau heute geliefert wurde. Man sollte sich öfter mal was schenken. Große Empfehlung, falls Sie sowas mal suchen)

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
Schreiben Sie’s auf!

2.4.2023 – den mit Bart?

Aus Gründen, über die bald mal was erzählen kann, habe ich mich kürzlich ein wenig mit dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica beschäftigt. Da a) ich ja Urlaub habe und b) wir ja gerne Ausflüge machen, sind wir da heute mal hingefahren. Ich kann festhalten: Ich will den alten Kaiser Wilhelm nicht wiederhaben. Auch mit Bart nicht*.
Außerdem fühle ich mich in der Nähe von großen Personen-Denkmälern eher unwohl. Im schicken Museum gabs eine kleine Umfrage, die über die Meinung der Besucherinnen über Denkmäler abfragte und dort wurden leider Personen- und Ereignis-Denkmäler in einen Topf geworfen. Zweitere finde ich eine gute Sache, glaube ich. Aber da zu Füßen eine ollen Kaisers zu stehen, der den Arm auch nur drei oder vier Grad unter den Hitlergruß hebt und es deswegen „segnend“ ist – nee, nicht meins.
Aber Ausblick – meine Herren. Den können Sie da ganz gut. Und architektonisch mag ich den Renovierern von 2018 gratulieren: das haben sie echt gut hinbekommen.

*) Ich verlinke ihnen das Lied jetzt nicht. Gefahr von Hirn-zerfetzend dummen Kommentaren.

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31.4.2024 – jetlag day

Es sind eher die existenziellen Themen, die im Hinterkopf durch rauschen, während ich code, Bilder bearbeite, Texte kopiere und einfüge, geänderte Texte noch einmal kopiere und einfüge, final geänderte Texte nochmal kopiere und einfüge, ach so dringende Deadlines verpuffen sehe, weil „ach, vor [1 Woche nach Deadline] komme ich gar nicht zum Draufgucken“. Während ich Bilder bearbeite, weil die Bitte nach geeigneten Formaten in „entschuldigung, ich dachte, das wäre für mich nicht wichtig“ oder sogar „ach, die dritte Seite vom Angebot hatte ich gar nicht gelesen“ aufgeht. Während ich behutsam erkläre, dass das Konzept „ich zahle weniger als andere Kundinnen, da kann ich auch mehr Leistung bekommen“ weder in einem der mir geläufigen Wirtschaftssysteme und auch nicht in der Arbeit mit mir funktioniert.
Das alles geschieht eher auf Autopilot – was gut ist, denn sonst neige ich dazu, mich eigentlich erst mit Kopf und Herz in die Arbeit zu stürzen zu müssen, bevor auch nur halbwegs Flow eintritt. Das ist sicher sonst sehr gut, muss aber aus Zeitgründen einem gewissen Pragmatismus weichen; es weicht auch einen gewissen Pragmatismus und würde ich dem Universum Glauben schenken, dann wäre ich jetzt in einem strukturierten Zeitplan angekommen und würde nicht mehr hinterher rennen.

Something moving in – I taste it in my mouth and in my heart
It feels like dying – slow – letting go of life

… singt Peter Gabriel, während ich das hier tippe. Die Textzeilen stechen heraus aus dem schon tausende Male gehörten Text und ich denke darüber nach, warum ich ausgerechnet jetzt – ausgerechnet in diesem Moment, wo ich über eine Veränderung meines Arbeitsverhaltens nachdenke – diese Zeile anders höre als jemals vorher. Oder ob ich vielleicht einfach noch zu schläfrig bin an diesem Jetlag-Tag und das alles selbstverständlich genauso wenig bedeutet wie alles andere auf dieser Erde auch, wo wir als Spezies so frisch angekommen sind, dass wir uns noch nicht mal Evolutions-Experiment nennen dürften. Wie gesagt: Weniger als existenziell kann der Hinterkopf gerade nicht.

Mal sehen, was geschieht, wenn ich am Ende jedes thematischen Absatzes die Zeile aufschreibe, die ich gerade höre. Vielleicht ergibt es ja für mich und meinen Artikel hier einen übergeordneten Sinn?

Shock the monkey!

Ein TV-Moderator, dessen Humor schon damals, als wir privilegierten das alle noch lustig fanden, immer mindestens on the edge wenn nicht darüber war und der vor zehn Jahren seinen Abschied bekannt gab und auch durchhielt, unterhält sich und das Netz mit einem gut gemachten Aprilscherz. Vermutlich wird es einer sein, wenn er die 9 Mio Follower nicht bekomme, die er in altbekannter Hybris wollte. So wie es vermutlich keiner gewesen wäre, wenn er die Marke geknackt hätte. Aber – und das stimmt mich hoffnungsvoll – scheint doch ein deutlich geringerer Teil der Menschen auf seinen grenzüberschreitenden, menschenverachtenden, homophoben Humor Lust zu haben.

A lonely boy, hiding behind the front door

Hinter allem ziept zuerst einmal, sehr nah, sehr greifbar ein in meinen Augen deutlich zu langsam verheilender Schmerz in dem Zahn, den Frau Doktor am letzten Montag versorgt hat. Ohne Details war das wieder eine sehr angenehme Erfahrung – so voll auf Downern und mit Lachgas in den Lungen wie ich war. Ich kann das sehr empfehlen, wenn Sie da auch Probleme mit Panik oder Trauma haben.

A sense of isolation, a sense of isolation Inspires me

Dahinter die ganz großen Gedanken, darunter geht es wirklich gerade nicht – egal ob Zeit (nein) und Ort (selten) dafür sind oder nicht. Als ich damals, in anderen Zeiten ein Praktikum in einer sogenannten „Sonderschule für Sehbehinderte“ machte, war eine der interessantesten Stunden die, als der Ethik-Lehrer mit der Klasse über den Umgang mit Behinderten in unserer Gesellschaft sprach. Die Beiträge der Schülerinnen changierten zwischen sozial erwünschten Antworten und ehrlichem Mitgefühl, zwischen karitativen und integrativen Ansätzen und Unterrichtsgespräch und Stimmung waren gut.
Allein: Nach der Stunde erzählte uns der Lehrer, dass es wohl noch ein weiter Weg zum Ziel seiner Unterrichtsreihe wäre: Dass die Kinder nicht über die Schülerinnen aus der direkt benachbarten „Körperbehindertenschule“ und die Mädels und Jungs in den Rollstühlen sprächen, sondern verständen, dass die Gesellschaft sie selbst als „Behinderte“ sehen würde. Man müsse das sehr sensibel angehen.

Gotta get some food, I’m so hungry all the time
I don’t know how to stop, I don’t know how to stop
Gotta get some sleep, I’m so nervous in the night
But I don’t know how to stop, I don’t know how to stop

Gesegnet mit mindestens einer (bereits diagnostizierten,) Neurodivergenz (und einer nicht ganz offiziell getesteten zweiten) und verheiratet mit einer Sonderpädagogin, sitze ich in einem Raum mit sehr konträren Einflüssen und es gibt viel zu denken. Darüber, wie verzweifelt die Gesellschaft bemüht ist, irgendeine Form von Normalität zu definieren. Wie Abweichungen bestaunt, mit Skepsis betrachtet, abgelehnt oder pathologisiert werden. Wie schön, dass man die, die nicht so lange still sitzen können wie andere in die „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“, kurz ICD aufnehmen kann. Wie viel einfacher es ist, etwas als krank abzustempeln, als Unterrichtsformen von achtzehnhundertund endlich mal zu ändern. Wie simpel, die Lösung darin zu sehen, von denen, deren Leben wir ja sogar als schwerer empfinden, zu erwarten, sich an uns anzupassen.

Dressing up in costumes, playing silly games

Sehe ich mich in meinem Freundeskreis um, dann ist die Zahl der Menschen mit Neurodivergenz dort statistisch nahezu unmöglich hoch. Theoretisches Interesse für das Thema? Suche nach Ähnlichkeit, Suche nach Peergroup? Dass wir alle mal unseren Blick ändern müssten, kann ich noch leicht tippen. Ob ich selbst auch ein 14-jähriger bin, der im Ethikunterricht sitzt und über die Rollifahrer von nebenan spricht, während alle außerhalb der Schule ihn als schielenden Depp sehen, fällt schwerer. Aber weniger als existenziell kann der Kopf gerade nicht, ich sagte es ja.

Immerhin, das Ergebnis des Experimentes: Ja, es funktioniert. Jede Zeile am Ende eines Absatzes ist deep und full of meaning. Ich habe Freunde, die würden darin den Willen des Universums sehen, aber ich sehe darin das Talent großer Songwriter, selbst die konkretesten Lyrics so vage, relatable und interpretationsoffen wie eben möglich zu verfassen – es wird immer passen.

Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.

23.3.2024 – the doors of perception are wide open

Um das vielleicht nochmal kurz nachzureichen, ich fürchte, ich war da gestern nicht klar genug: Ich finde die KSK eine sehr, sehr prima Idee. Ich finde es auch ziemlich prima, dass Firmen, die prinzipiell künstlerische Arbeit in Anspruch nehmen, dafür einen „Arbeitgeberanteil“ für Künstlerinnen zahlen, der dann in einen großen Solidartopf kommt.
Mein Problem mit der KSK-Abgabe ist also kein grundsätzliches, sondern eher jeweils ein anekdotenhaftes. Und zwar immer in dem Moment, wenn meine Kundinnen davon erfahren.
Diese Abgabe ist gesetzlich seit guten 40 Jahren geregelt, ich bin nicht mal in der KSK, ich bin kein Steuerberater oder Buchhalter – also sehe ich es nicht als meine Aufgabe meinen Kundinnen zu erklären, dass es sie gibt. Ich erkläre ja auch nicht, dass sie die von mir aufgeführte Umsatzsteuer wiederum in ihre Umsatzsteuervoranmeldung aufnehmen sollten oder dass sie Steuern zahlen, wenn sie – unter anderem durch meine Arbeit – am Ende mit ihrer eigenen Dienstleistung Geld verdienen.
Im Gegensatz zu Einkommens- oder Umsatzsteuer, ist diese Abgabe aber total unbekannt und wenn dann die KSK bei einer Kundin anfragt, dann fühlt die sich gern mal von mir betrogen – so als ob ich jetzt hinten rum, neben dem Angebot her noch ein bisschen extra Kohle absahnen wollte. In der dann folgenden Unterhaltung bin ich oft in einer Situation, in der ich mich für etwas verteidigen muss, mit dem ich nichts zu tun, keine Verantwortung dafür oder persönlichen Nutzen davon habe.
Das wiederum – also so ein Solidarprinzip – ist unserer Gesellschaft nur so mittel populär und ich daher dann in einer schlechten Position, ein Reframing einzuleiten; bei den Kundinnen bleibt nämlich emotional oft nur hängen „Wir musste für Herrn Fischer nochmal Geld bezahlen“.
Das dann mit einem frohen „Aber ist das nicht toll, dass dieses Geld prekär lebenden Künstlerinnen ihre Arbeit oft überhaupt erst möglich macht?“ zu kontern, klappt meist nicht so gut.

Ehrlich gesagt gibt es auch noch das zweite Problem, dass die KSK mich erst wegen meines Jobs wegen meines Gewerbescheins nicht rein ließ, aber das ist eine andere Geschichte die mehr mit persönlichem beleidigt-sein zu tun hat und die ich versuche, da rauszuhalten.

Außerdem klingelte in dem Moment, als ich das hier tippte, der Paketbote und brachte ein Überraschungspäckchen mit dem Worten „… und hoffe, damit eine Freude zu machen“ auf dem beiliegenden Zettelchen. Da kann man ja gar nicht mehr beleidigt sein. Ja! Ja natürlich, eine große Freude!

Die doors habe ich mit ca 17 kennen gelernt. Bis kurz vorher war ich knappe 2 Jahre halb-ernsthafter Metalhead gewesen und in meinem Kopf gab es eine feste Verbindung zwischen „ehrlich“, „rebellisch“ und „hart&heavy“ beim Thema Musik. Bedenken Sie: Es war die Zeit von Bros und Modern Talking, Kylie Minogues erster, noch sehr uncooler Inkarnation und Rick Astley, als er noch kein Meme, sondern ein ernsthaftes kleines good-vibes-only-Scheißerchen aus dem Schoß von Stock, Aitken und Waterman (nein, das war nichts gutes) war. Es bleib quasi nur Metallica und Maiden (ja, ich bin so alt, dass ich Metallica vor Master of Puppets kannte)
Dann hatte mir ein Freund nacheinander The Police, Peter Gabriel, die frühen Chicago und Steely Dan, überhaupt den Blues und ersten Jazz gezeigt und meinen musikalischen Kosmos sehr erweitert. Nur die Rebellion war irgendwie abhanden gekommen und als er dann mit „eine der skandalösesten Bands“ der 60er ankam, da war ich voller Vorfreude.
Nichts hätte mich mehr enttäuschen können als der (na gut: etwas beschleunigte) Samba-Beat von „Break on through to the other side“. Da konnte in der ersten Runde auch nichts mehr retten, dass der Typ recht fix ziemlich rumschrie.
Ich habe aber dann fix begriffen, wie diese vier das mit den Skandalen und der Rebellion hinbekommen hatten und dass Jim mit seiner Art den Menschen noch 20 Jahre nach seinem Tod Angst machte. Zu Weihnachten hatte ich mir „Die verlorenen Schriften. Wildnis“ von Jim Morrison gewünscht – ein Buch mit Texten und Gedichten von Jim. „Ich bin mir nicht sicher, ob Sie DAS wirklich haben oder sogar verschenken wollen“, hatte die Kleinstadtbuchhändlerin meiner Mutter beim Abholen gesagt und die konnte es natürlich nicht lassen, auch mir das mit auf den Weg zu geben – um klarzustellen, dass sie meinen sozialen und moralischen Abstieg sehr wohl sah und nicht gut hieß.

Kleingeistern Angst machen fand ich immer gut und ich kniete mich voll rein. Eventuell trug ich sogar eine Zeitlang lange Haare, knallenge Lederhosen mit diesen silbernen Scheiben* in der Schnürung und weiße Leinenhemden. Mein Gott, wir taten das alle.

*) ich hab vergessen, wie die heißen

The opening of the trunk
– Moment of inner freedom
when the mind is opened & the
infinite universe revealed
& the soul is left to wander
dazed & confus’d searching
here & there for teachers & friends.

(Jim Morrison)

Inzwischen sind es mehr als 50 Jahre, dass Jim ging und ich finde, musikalisch kann man die doors immer noch sehr gut haben. Und ein bisschen mehr von Jims radikal dionysischem Lebensentwurf täte uns allen heute eh bestimmt mal ganz gut.

Äh, was wollte ich sagen, ich glaube, ich glitt kurz ab … Ach ja: ich habe mich wirklich sehr gefreut.


Gleich fahren wir ins Kino und schauen Stop Making Sense. Tun Sie das ruhig auch mal, wenn der Film in ein Kino in Ihrer Nähe oder in einen Streamingdienst Ihrer Wahl kommt. Ich habe ihn hier auf der Festplatte (aber Kino ist halt geiler), und vor ein paar Monaten, als die Liebste schon schlafen gehen wollte, scrollte ich durch meine Mediathek, sah das Cover, beschloss: Och jo. Und startete den Film.
Sie blieb neben mir stehen, guckte hin, erstarrte, stand, guckte. Ich grinste. Nach dem ersten Song guckte sie mich groß an und fragte: „Was ist das?“ Ich: „Große Kunst“ Sie: „Ja, DAS sehe ich, Du Dödel. Rück mal“ und setzte sich wieder.
Echt. Gucken Sie sich das ruhig mal an. Große Kunst aus einer Zeit als die Lösung für „geileres Konzert“ nicht automatisch „mehr Choreo und mehr Feuerwerk“ hieß, sondern auch mal „mehr Konzept, mehr Kunst“ sein durfte.

Vi ses!

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