2.4.2019 – boy & girls and girls & boys

Gestern Abend durch Zufall lange über „damals“ gesprochen, darüber wie das damals mit der ersten Liebe war. Und mir fiel da eine alte Geschichte wieder ein:

Da waren zwei Jungs, damals in den Achtzigern. Beide seit mehreren Jahren mit echten Kerlen sozialisiert. Mit deutschen Männern und amerikanischen Serien – und natürlich mit dem, was man von den älteren Jungs so mitbekam: Dass man cool sein musste als Junge, was ein „heißes Mädchen“ ausmachte.
Indianer kennen keinen Schmerz, sei vorsichtig mit Mädchen, die sind schwächer. Besser cool als schwul und was da sonst noch so an Sprüchen selbstverständlich war.
Dass man selber sofort zum Opfer wurde, wenn man die Sprüche nicht mitmachte. Man wusste gut, wie Männer sein mussten. Dachten sie, die beiden.

Der eine von ihnen verliebte sich in das süßeste Mädchen der Klasse. Aus der Ferne erst einmal – aber so ging das, man konnte das überall lesen: Man sah ein süßes Mädchen und dann machte man sie mit einem coolen Spruch an und dann war sie vielleicht etwas ablehnend, aber wenn Mädchen „nein“ sagen meinen sie „ja“; stand doch so in jedem Bravofotoroman, war in jedem Film so.
Es kam wie es kommen musste, sie guckte ihn verächtlich an, als er sie mit einem „coolen Spruch“ „anmachte“. Er schaffte es nicht, das „Nein“ als „Vielleicht, mach weiter“ zu hören und er litt ein paar Wochen leise vor sich hin.

Wochenlanges Leiden und Traurigkeit: Mächen hatten auf einmal viel Macht. Also besser erstmal aus der Ferne anhimmeln – also die hübschen natürlich nur. Sie konnten einem sogar – wenn man ehrlich war – richtig Angst machten. Denn die hatten ja Macht über die eigenen Gefühle: Die konnten Sehnsucht erzeugen und Trauer und man konnte nichts dagegen tun. Am besten, man hielt sie sich eigentlich vom Leibe; am besten war man cool und stand da drüber. Wie ein echter Mann.

Ironischerweise verliebte sich dann der andere in das gleiche Mädchen. Bei ihm erzeugte die Zurückweisung aber Ehrgeiz und er blieb dran. Liess sich nicht zurückweisen. Sie hatte ja „Nein“ gesagt, also meinte sie ja „Mach weiter“. Er machte einen Spruch nach dem anderen, wurde immer cooler. Erklärte sie zu seinem Lebensmittelpunkt. Und sie ihn zu ihrem Albtraum.

Der erste geriet durch puren Zufall in etwas, was man damals wohl „Clique“ nannte. Mehrere Jungs und Mädchen, die in den Pausen und auch manchmal nachmittags Zeit miteinander verbrachten. Alle sehr zufällig zusammen gewürfelt. Mit einem der Mädchen verstand er sich etwas besser, er verliebte sich wieder.
Und er tat also wieder was man tun musste – und bekam wieder einen Korb.

Außerdem lachte ihn sein bester Freund aus. Der war zwar immer noch nicht erfolgreich bei der Klassenqueen, aber die war wenigstens hübsch und schlank und sportlich. Und er hatte sich jetzt tatsächlich in eine verliebt, die war nicht schlank, nicht niedlich – und so etwas tat man als Mann nicht. Wusste doch jeder.

Er war zwar traurig über den Korb, aber er blieb in der Clique; er traf sie weiterhin und die beiden freundeten sich an und ein paar Monate später kam sie zu ihm und sagte, sie wäre da vielleicht etwas voreilig gewesen und er wäre ja gar nicht so möchtegern-cool und so kamen die beiden zusammen.

Und er gewann seine erste Freundin und verlor fast einen Freund – denn der schämte sich richtig, weil sein bester Buddy mit einem „dicken Mädchen“ zusammen war.

Wie das mit sechzehn so ist hielt die Beziehung nicht allzu lange – aber unser Freund hatte gelernt, dass es nicht sinnvoll war, nur nach einem süßen Äußeren zu suchen, sondern nach einer Freundin zu schauen. Dass es nichts brachte, möglichst cool daher zu kommen, sondern besser: ein Freund zu sein.

Die beiden waren natürlich ein Klassenkamerad und ich. Schaue ich zurück, glaube ich, dass es einfach ein unfassbares Glück war, dass ich in dieser Clique landete und dass sie mir meinen ersten Ausrutscher nicht zu übel nahm.
Unfassbares Glück, dass ich begriff, dass meine gesamte erste Sozialisation als Junge kompletter Dreck war; dass es vollkommen egal ist, wie jemand aussieht und das Coolness für ungefähr gar nichts in Beziehungen gut ist.

Mein Freund hat die Queen noch angehimmelt und angemacht, als wir uns irgendwann zu Studienzeiten aus den Augen verloren. Er war da immer noch mit keinem Mädchen auch nur befreundet gewesen und konnte kaum ohne Sprüche mit ihnen reden.
Bedenkt man unser beider gemeinsame Ausgangssituation – das hätte auch ich sein können.

Und dann, als ich das so erzählte und mich so an die frühsten Tage meiner Jugend erinnerte, da geschah etwas interessantes: Ich konnte das Gefühl der Angst vor Frauen noch abrufen; als wäre der verunsicherte Teenager da noch irgendwo drin.

Und dann habe ich etwas verstanden. Ich will niemanden entschuldigen, der sich heute misogyn durchs Internet kommentiert; jeder ist für seine Handlungen selbst verantwortlich.
Aber ich habe eine Idee, wie es dazu kommen kann.

Ach ja: Die Lösung des Dilemmas liegt ja auch in meiner Geschichte: Ohne die schlechten Vorbilder, ohne gelernt zu haben, wie man als Mann mit Frauen umzugehen hatte wäre ich erst gar nicht in diese dumme Situation gekommen.

Naja, und das haben wir Männer ja in der Hand.

1.4.2019 – Mad Men

Oktober 2018:
Ich würde Sie gerne buchen. Ende März 2019 ist eine Messe meines Kunden Blablabla und dafür brauchen wir xy …
Ok, gern. Ich rechne mal mit vier Wochen und blocke für Sie den März?
Super.

Januar 2019:
Ich kriege hier viele Anfragen rein. Bleibts beim März? Ich versuche gerade Jobs zu planen?
Ja, März, genau.

20. Februar:
Kurze Frage: Haben Sie schon einen genauen Zeitplan für die vier Wochen? Wann genau ist die Messe?
Ende März, ich schreibe Ihnen noch Details.

4. März:
Wann geht’s denn los?

11. März:
Wann gehts denn los?

14. März:
Wann gehts denn los?

15. März:
Wann gehts denn los?

18. März
Wir müssen ja bald mal loslegen, die Messe ist ja Anfang April. Ich sage Ihnen Bescheid.

25. März:
Haben Sie denn jetzt Zeit für uns?
Äh. Ja?!

1. April
Die Messe ist ja am achten, wir schicken Ihnen morgen Material!

Und auch sonst: Läuft. Alles supi hier.

31.3.2019 – time is a-changing

Gestern im Kopfschmerzdusel kurz ein Interview mit einer Wissenschaftlerin wahrgenommen, die recht eindrücklich davor warnte, die Zeit dauerhaft in Richtung Sommerzeit umzustellen. Sie endete mit einem recht resignierten „Aber da müssten Entscheidungen dann vielleicht mal auf wissenschaftlicher Grundlage gefällt werden und nicht auf populistischer oder halt irgendeinem Gefühl“.

Außerdem striff die Sendung noch kurz das Thema „wie idiotisch ist es eigentlich, Kinder und erst Recht Jugendliche morgens um acht in die Schule zu schicken“ und da sieht man ja auch wirklich sehr schön: Es ist einfach vollkommen wumpe ist, dass etwas wissenschaftlich klar ist, wenn es halt schon immer so gemacht wurde.

Kommen wir aber zu was Wichtigem: „Platzwahl & Tanzen auf Konzerten“. Das Thema kam auf Twitter kurz auf, als sich jemand großes in die erste Reihe stellte und dort verharrte.

Nur kurz zur Platzwahl: Ich bin selbst ca 1,90 groß und damit auf Konzerten eigentlich immer jemandem im Weg. Trotzdem – und ich will die Bedürfnisse kleiner Frauen da jetzt nicht im geringsten bestreiten – weiß ich damit nicht immer gut umzugehen. Angenommen, ich rücke jedesmal eine Reihe weiter nach hinten, wenn jemand kleineres hinter mir steht, dann stehe ich schnell mindestens 50m von der Bühne weg. Es ist kompliziert, ich hab keine Lösung, und ich wollte es nur mal gesagt haben.

Tanzen: In der gleichen Unterhaltung ging es auch schnell darum, wie man denn bitte auf Konzerten still stehen und nicht tanzen kann. Ich rief halbironisch „Man nennt uns Muckerpolizei“ aber vielleicht muss ich dieses Phänomen erst mal erklären:

Also: Wenn Sie selbst ein ernsthaftes kleines Scheißerchen eine Musikerin sind, dann gibt es verschiedene Gründe, ein Konzert zu besuchen. Also: Neben den üblichen, wie: Eine geile Zeit haben zu wollen, abzugehen, herumzuspringen, die Lieblingslieder mit absolut Wohnzimmer-inkompatibler Lautstärke ins Gehirn geblasen zu bekommen und einfach mal für eineinhalb Stunden den Kopf abzuschalten.

Vielleicht möchten Sie nämlich der Künstlerin auf der Bühne auf die Finger gucken. Vielleicht steht da TM Stevens oder Steve Lukather oder Barbara Dennerlein oder eine andere Instrumentengöttin und Sie möchten sehen, was die mit ihrem Instrument kann, was Sie nicht können.
Oder da vorne steht eine von diesen Bands, die zwei Stunden lang miteinander improvisieren und Sie möchten keine Mikrosekunde dieser unglaublichen musikalischen Kommunikation verpassen.

Es mag eventuell sein, dass ich schon bei Konzerten in der ersten Reihe stand, mich zwei Stunden nicht einen Millimeter bewegt habe und dabei die geilste Zeit meines Lebens hatte.
Inzwischen weiß ich, dass das nicht nett für die ist, die a) kleiner als ich sind und sich b) mehr bewegen wollen. Und unter anderem deswegen gehe ich halt eher an den Rand. (Obwohl da der Sound selten dolle ist, es bleibt kompliziert).

Es mag übrigens auch sein, dass ich selbst schon auf der Bühne stand und an dieser Muckerpolizei (denn so nennt man uns gerne*) verzweifelt bin. Denn natürlich sieht so ein unbewegtes extrem-Interesse vollkommener Teilnahmslosigkeit einfach sehr, sehr ähnlich und an denen vorbei die tanzende Menge dahinter zu erreichen ist nicht ganz einfach.

*) Muckerpolizei vor allem, weil solche Menschen gerne nach einem Konzert zu einem kommen und so etwas sagen wie: „Den Slide von C auf Dis im dritten Takt des Solos von Lied X hast Du aber vorgestern nicht so neben dem Beat gespielt, das war geiler. Aber sonst: Schönes Konzert.“**

**) Wirklich, die meinen damit nichts Böses, die hatten wirklich ein unfassbar tolles Konzert und glauben, sie hätten das auch gesagt.***

***) Beruhigen Sie sich, auch ich habe inzwischen social skills gelernt und vermeide solche Sätze heute****. Auch wenn es mir immer noch auffällt.

****) Neben den genannten fallen mir übrigens noch ein andere Gründe ein, warum man nicht vorne im Moshpit sein möchte. Einer der anwesenden Autoren zB bekommt in Menschenmenge gerne Panikattacken und muss immer sehr abwägen, wie weit vorne vong Angst noch geht und wie weit hinten vong Sound & Sicht noch geht.

Und abschließen möchte ich dieses kleinen Erklärartikel mit einer Anekdote von einem Konzert, das eine inzwischen allseits bekannte und heiss geliebte dänische Sängerin vor acht Jahren in Münster gab. In die Bandgeschichte ist das Konzert als eine der heftigeren friday nights eingegangen; wir haben uns im Februar noch darüber mit dem Gitarristen unterhalten, der sich wirklich sofort erinnerte. Acht Jahre später: „Jovel Music Hall? That was wild. You were there? Cool.
Auf der Bühne also ausgelassene Stimmung, nach dem Gig ohne Unterbrechung wilde Party im Bus und Münsters Kneipen und ich?
Ich erinnere mich aber auch an die Mädelstruppe, die in der Schlange für die Autogramme neben mir stand und sich regelrecht auskotzte: Müssen die alle so rumspringen? Und dieser Gitarrist – muss der sich so produzieren? Der ist doch nur Begleitmusiker. Und neben mir der Typ, konnte auch nicht stillstehen. Und der. hat. mitgesungen. Dann sahen sie, dass der Typ hinter ihnen stand. Also ich.
Könnten Blicke töten, gäbe es dieses Blog nicht.

Die Geschmäcker sind also wohl verschieden. Ich kenne beide Seiten – ich hab früher gerne meine Haare vorne mittendrin fliegen lassen und ich hab halt auch schon nur da gestanden. Auch vorne.
Und ich habe natürlich jedesmal die anderen gehasst, Is’ klar.
Am besten also alles nicht so ernst nehmen.

30.3.2019

Das Leben und ich, wir hatten mal einen Deal: Keine zwei Krankheiten auf einmal. Das galt sowohl für „Die Liebste und ich sind nicht gleichzeitig krank“ als auch für „Eine Krankheit pro Person reicht“.
Und über the Margen-Darm-Incident von 2002 sprechen wir nicht.

Die Liebste hat Magen, ich hab Magen und seit 31 Stunden Migräne. Das war anders abgemacht.

Gleich läuft „die beste Show der Welt“ mit Jeannine Michaelsen; einer der coolsten unter denen, die da draußen in diesem Moderations-Dings-Self-Marketing-Becken schwimmen. Da muss ich eh mal drüber schreiben.

29.3.2019

Ich hab mir das ja selber eingebrockt. Habe das hier Tagebuchbloggen genannt und nicht alle-2-Tage-Buchbloggen oder nur-an-guten-Tage-Buchbloggen oder sowas. Also müssen wir da jetzt durch.

Gestern, wo ich mich ja vorm Schreiben gedrückt habe, dachte ich endgültig, ich würde jetzt krank. Wir hatten das Thema ja schon zur Genüge: Grippesymptome aber nicht richtig, alle grinsen und sagen Erschöpfung oder wie die Frau aus der Agentur so nett sagte: „Mag da auch Psychosomatik an Bord sein?
Voll schön, wenn einem das Fremde schon so spiegeln.
Gestern dann aber so heftig Gliederschmerzen, dass ich dachte: Nu aber. Und das nachdem ich sogar mittags schon wieder spazieren war.

Abends richtig krank. Was uns zum Beispiel daran hinderte, der Generalprobe von Wowos Bühnenprogramm beizuwohnen. Moppelkotze.

Dementsprechend mies geschlafen aber heute Morgen gings, also ging auch ich, nämlich hoch an den Schreibtisch. Der Berg wird ja sonst nicht kleiner.

Zur Arbeit lässt sich leider im Moment nur sagen, dass die beiden Menschen mit denen ich gerade arbeite exakt die beiden entgegengesetzten Pole der Skala „Respektvoll und wertschätzend“ abbilden. Einer der beiden Jobs macht auch inhaltlich Spaß, da freue ich mich sehr vor, Ihnen das später mal zu zeigen.

Gegen Mittag stellte ich fest, dass eigentlich die Fieberschmerzen ziemlich weg waren. So spät erst, weil bis sich bis dahin eine recht solide Migräne unterd er Schädeldecke eingenistet hatte.

Aber wissen Sie, was richtig toll ist? Heute abend läuft „Catch“ auf dem einen und „Let’s dance“ auf dem anderen Sender und ich kann mich gar nicht entscheiden, was ich live gucken und was ich aufnehmen soll.
Ja, das meine ich ernst.

Aber morgen hätte ich dann gern mal wieder ein bisschen Leben.

Aber da im Feld wars schon ganz hübsch.
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