Gestern Abend kam noch eine Mail, die das Wochenende perfekt abrundete. Sehr glücklich.
Dann begann vermutlich der Tag.
Als gegen 16:00 Uhr die Liebste nach Hause kam (Ihr wisst schon: Lehrerinnen, das sind die, die die immer vor ihren Schülerinnen zu Hause sind, blabla) und ich versuchte ihr zu erzählen, wie mein erster Arbeitstag nach dem Zwischenstop gewesen war, da ging es nicht. Ich hatte nicht mehr den Hauch einer Ahnung, wie das was ich hätte erzählen müsste in die letzten neun Stunden hatte passen können. Alles verschwamm etwas.
Und das hat sich nicht geändert. Sorry, ich habe heute keinen echten Artikel für Euch.
Aber eine kleine Anekdote ist mir hängen geblieben: Da schickt mir nämlich heute eine Kundin den Link zu einem Bild eines Kindes bei einem mir bis dahin unbekannten Bildanbieter – weil sie das Bild gern auf ihrer Site hätte. Immer offen wie ich da bin melde ich mich da also an; schaue mir das Bild an und klicke – man will ja sicher gehen – auf die Nutzungsbedingungen: Mal sehen, ob man die Bilder kommerziell nutzen darf. Ja, darf man. Nur … ja nur, falls Personen auf dem Bild sind, da will die Plattform nicht so ganz mit der Sprache raus und wenn ich zusammen fasse was da sinngemäß steht, dann lese ich: „Wir können doch keine Model releases überprüfen, das ist doch viel zu viel Arbeit. Wir empfehlen Ihnen als das mit den Fotografen selbst zu klären, Schuld sind Sie hinterher im Zweifelsfall eh.“
Ich teile meine Zweifel ob der Seriösität der Plattform der Kundin mit, die findet aber das Bild so schön, dass ich zusage, die Fotografin mal anzuschreiben. Die schreibt sogar sofort zurück, teilt mir aber mit, sie habe kein Model release. Könnte sie ja auch nicht, das Bild sei ja ein Screenshot aus einem Video, das sie bei YouTube gefunden und etwas bearbeitet habe. Aber ich könne ja gern da mal nachfragen.
In meiner nächsten Mail an die Kundin schrieb ich dann nur noch: „Nein, wir nehmen das Bild nicht.“
Und sonst? Ich habe vier Stunden telefoniert lässt mich die Fritzbox wissen. Vielleicht bin ich auch deswegen so leer.
Ich glaube, die Fallhöhe dazwischen, vom Wellenrauschen aufzuwachen und hier, die ist etwas zu hoch.
(irgendwas mit ganz schön tief und lang geschlafen)
Wegen des anstrengenden Teils des Wochenendes habe ich mir noch einen Tag frei genommen. (Angenehmerweise kann der angenehme Teil so auch noch ein bisschen besser nachklingen.)
Dementsprechend war aber auch heute nix los und ich nutze Zeit und Platz, um mal über zwei Dingsis nachzudenken, die mir in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen in den letzten Wochen in die Timelines gespült wurden.
Es geht um Folgendes; eins auf Twitter und eins auf Instagram:
Mir ist übrigens vollkommen egal, wer das getwittert oder erfunden hat, kein Urheberinnenblaiming intended. Ich betrachte beides als ein Symptom, das mich zum Nachdenken gebracht hat. Und falls Ihnen das Dings auf dem rechten Bild nicht begegnet ist, dann finden Sie doch für sich mal eine Antwort und lesen bis unten. Da löse ich’s auf.
Und ich muss etwas vorausschicken: Vor meinem Leben als Internetfuzzi habe ich in veschiedenen Funktionen für verschiedene Jugendämter gearbeitet. Um an protestierende Jugendliche wenigstens etwas heranzukommen benutzten wir oft das Vehikel „Nachhilfe“; so saß ich also auch oft in Jugendzimmern (falls vorhanden) oder irgendwelchen städtischen Räumen und paukte Stoff aus Klasse 6-10, um dabei ins Gespräch über anderes zu kommen. Vorgeschichte Ende.
Vermutlich wir alle kennen den Spaß: „Ein Bauer hat 40 Kühe und 15 Schweine. Wie alt ist seine Frau?“ Damit kann man doch – laut Tweeet – arbeiten, das ist eine solide Frage. Käme dann nicht tatsächlich die Antwort: „Ähm … – 55?!“ Und, leider: Das ist kein Spaß. Das ist Realität.
Ich habe exakt solche Situationen erlebt, mehrfach, vielfach und vollkommen reproduzierbar. Denn ich habe quasi nur mit Jugendlichen gearbeitet, die im (Mathe-)Unterricht nicht gelernt hatten, warum sie das alles da taten. Und die deswegen nicht begriffen, warum die Frage nach dem Alter der Bäuerin ein Spass sein musste. Mathematik war für sie nur irgendetwas, was man mit Zahlen tun musste, warum auch immer. Und zwar nur, um in der nächsten Arbeit eine Note zu schaffen, die keinen großen Ärger bedeutete. Jugendliche also, die mich ratlos anschauten und dann der Reihe nach versuchten abzurufen, was ihnen aus Mathe noch hängengeblieben war – erstmal meist Plus, Minus, Mal, Geteilt. Deswegen gehen die Antworten auf die Frage nach dem Alter auch so weiter: 55? — Nein. — Ah! 35! — Nein, auch nicht, denk mal nach! — Ach soo … Menno, malnehmen mit 15 kann ich aber nicht im Kopf, 40 mal 15 ist zu schwer!!
Ja sicher, sagen Sie jetzt vielleicht – das waren ja offensichtlich auch dumme Kinder, sonst hätten sie ja keine Nachhilfe vom Jugendamt gebraucht. Aber: Wir alle schalten ab, wenn wir ein Thema uninteressant finden, wenn wir darin keinen Sinn mehr sehen. Viele von uns nur später als bei den Textaufgaben der dritten Klasse und dann nennen wir es halt „das überfordert mich halt“ oder „das braucht ja auch kein Mensch“ oder „Dreisatz konnte ich noch nie“. Das ist nämlich einfach nur menschlich.
Jetzt kann man auf dieses Phänomen natürlich damit reagieren, dass man halt einfach die Frage immer dazu stellt; die richtige Frage natürlich und nicht so eine Jux-Antwort wie die nach dem Alter. Im Ergebnis macht man Mathe damit aber noch weiter zu einer vom Alltag vollkommen abgekoppelten Fachdings; etwas, was man nie braucht, ausser in den Mathestunden.
Oder man koppelt den Matheunterricht an: An andere Fächer, an das Leben im allgemeinen. Denn: Überraschenderweise lernen Menschen egal welchen Alters besser, wenn sie den Sinn verstehen. Und Sinn bekommen wir nur im Kontext, im Kontext mit unserem eigenen Leben. Wenn Sie mir das nicht glauben kommen Sie gerne vorbei, dann bringe ich Ihnen Programmieren* bei. Ohne Kontext; it’s gonna be fun!
Ebenfalls überraschenderweise gilt das für Physik, Chemie und andere Naturwisschenschaften genau so.
Aber wie Kontext schaffen? Ich skizziere mal wild drauf los, mir kommt spontan ein Beispiel das Deutsch, Erdkunde, Mathe, Kunst und Biologie verknüpft. Ist doch ein Anfang. Meine Lehramtsstudien sind lange her, verzeihen Sie mir, wenn es etwas ungenau ist.
Statt also die aufgezählten Fächer einzeln zu lernen, gibt es – jeweils wochen- oder monateweise – Themen. Bleiben wir bei der Bäuerin und nehmen also das Thema „Landwirtschaft“. Es beginnt mit einem Ausflug zu einem Bauernhof, damit alle Kinder wissen, um was geht. Mit Tiere-Anfassen und riechen und in der Gülle waten und Weizen kauen. Wieder in der Schule schreiben (Deutsch!) die Kinder „Bücher“ über den Bauerhof. Dabei gibt es Leitfragen die vorkommen müssen – nämlich: Wo gibt es Landwirtschaft und warum? (Erdkunde) Wie viele Kühe und wie viele Höfe braucht man, um Deutschland mit Milch zu versorgen? (Mathe) Wie leben Kühe überhaupt so? (Bio) Malt den Bauerhof (Kunst). Die Aufgaben lassen sich natürlich jeweils von Grundschule bis Richtung Abi skalieren.**
Das hab ich mir übrigens natürlich nicht gerade aus der hohlen Hand geschüttelt, sondern das gibts im Prinzip. Aber da in Deutschland Reformen im allgemeinen und in der Schule im besonderen ja immer skeptisch begleitet und höchstens viertelherzig umgesetzt werden – vor allem wenn sie von preußischen*** Tugenden weg führen sollen – passiert so etwas meist nur während der Projektwoche****.
Dabei ist das Prinzip so unfassbar einfach, denn es spiegelt einfach nur wieder, was das Leben uns so gibt: Eine Menge unterschiedlichster Gesichtspunkte, unter denen man jedes Thema betrachten kann.
Die Diskussion, die sich zu dem oben zitierten Tweet entspann, bildete übrigens genau das ab. Natürlich gab es Menschen, die einfach empört fanden, dass die Frage fehle. Ich bekam aber auch zum Beispiel einen Diskussionsstrang mit, in dem über angemessenes Taschengeld für Drittklässler diskutiert wurde und einen, in dem man sich darüber unterhielt, ob Drittklässler überhaupt so lange sparen können oder ob ihnen dafür Durchhaltevermögen und Zeitvorstellung fehlen. Wie großartig! Man kann das bestimmt auch mit Drittklässlern selbst überlegen.
Funny coincident: Während ich diesen Artikel hier schrieb, wurde mir folgendes Video reingespült (Danke an Cynthia dafür, das Timing hätte nicht besser sein können!) Sechs Minuten also, wo jemand der weitaus klüger ist als ich eigentlich exakt das gleiche sagt. Nur etwas radikaler.
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Ach ja, die Auflösung von oben. Was haben Sie raus? Einer, weil vier von fünfen ja tot sind? Zwei, weil vier ja tot sind und Sie daran gedacht haben, dass Sie selbst im Raum sind? Fünf, weil für Sie Leute auch noch Leute sind, wenn Sie erschossen am Boden liegen? Sechs, weil tote Leute plus Sie selbst? Acht, weil die beiden Polizisten, die zufällig vorbei kommen angelaufen kommen, wenn sie die Schüsse hören? Leider alles falsch. Das Spielchen beweist nämlich, dass wir eigentlich keine Fachidioten sein wollen und auch keine Fachidiotenfragen beantworten wollen. Schauen Sie also genau hin: Die Frage lautet: „Kannst Du das beantworten?“ und nicht „Wie viele Leute sind danach im Raum?“ Die Antwort also – je nachdem, was Sie sich so zutrauen: „ja“ oder „nein“. Ja, so hab ich auch geguckt.
Warum ich das alles schrieb? Vor allem, wenn es doch alles bekannt ist? Ach, vielleicht denken Sie ja dran, wenn Ihr Kund Ihnen das nächste mal aus der Schle irgendetwas erzählt, was nicht nach „Hard facts lernen“, sondern nach pädagogischem Heititei klingt. Wenn Sie die richtige Schule für Ihr Kind suchen. Wenn Ihr Kind überlegt, ob es eine Ausbildung abbricht und etwas anderes lernen möchte. Wenn es ein FSJ machen möchte. Sie verstehen schon.
*) Falls Sie programmieren können, dann eben Musiktheorie. Und Marc und Anne halten jetzt den Mund.
**) Voll schön wird es, wenn jedes Kind das dann alleine oder paarweise oder in der Gruppe machen kann. Weil überraschenderweise auch Kinder unterschiedliche Arbeitsgeschwindigkeiten und -vorlieben haben.
***) Wussten Sie, dass unser Schulsystem vom Grundprizip noch auf Ideen Bismarcks zurück geht? Dass wir schön in soziale Schichten hinein Arbeiter, Beamte und Professoren ausbilden?
****) Sind die Projektwochen auch noch etwas, an das Sie sich gerne zurück erinnern? Tja.
Morgens um sechs standen wir auf, packten den ganzen Kram ins Auto und begaben uns auf den Weg nach Norden. In unseren kühnsten Plänen hatten wir gedacht: „Dann sind wir so zwischen zehn und elf in Hamburg, da ist da noch kein schlimmer Verkehr und dann so zwischen zwei und drei in Århus, da geht’s da bestimmt auch noch.“ Was soll ich sagen: Exakt so war es. Kein Stau, selbst an den üblen Baustellen nicht, wir fuhren einfach so durch den Elbtunnel, über die Grenze und nach Århus rein.
Wer mir vor ca. eindreiviertel Jahren im alten Blog (oder wars auf twitter?) aufmerksam zugehört hat, die weiß: Ich fahre einen tiefen, breiten, (für meine Verhältnisse) ziemlich schnellen Audi. Wer lange, lange, lange das alte Blog gelesen hat weiß: Ich fahre so gerne auch schnell, also wirklich schnell Auto, dass die Liebste mich mal mit einer Ferrari-Fahrt zum Geburtstag nachhaltig glücklich gemacht hat. 265 auf einer deutschen Autobahn und tagelanges Grinsen im Gesicht. Heute habe ich den Tempomat auf 130 gestellt, den automatischen Abstandhalter auf den halben Tacho und habe nur noch gelenkt. Es war unfassbar entspannt und ich habe weniger als 6l Benzin/100km gebraucht – oder: Weniger als eine Tankfüllung – je nachdem, wie man sowas gern rechnet. Wir waren exakt zur vorhergesehenen Ankunftszeit hier. Ich fahre immer noch gerne schnell Auto, aber es gibt außer der puren Lust keinen Grund, gegen ein Tempolimit zu sein. Es fällt mir nicht leicht, aber der Kant-Jünger in mir sagt: Tempolimit.
Wir waren wieder im selben Hotel wie im Sommer, es fühlte sich etwas an wie coming home und vor dem Fenster rauscht die Ostsee, jenseits der Bucht leuchten die Lichter der Stadt. Es gibt weiterhin nichts, was mich so instantly glücklich macht.
Samstag:
Sich jahrelang ans frühe Aufstehen zu gewöhnen hat deutliche Vorteile: Wir verließen den Frühstücksraum (mit Blick aufs Kattegat!) schon wieder vollkommen gesättigt und erfreut, als die Horden frühstückwilliger gerade kamen.
Dann noch ein Stündchen am Fenster sitzen und aufs Meer gucken (daran könnte ich mich wirklich gewöhnen) und dann sind wir in die Stadt rüber gefahren. Haben mal die Location für den Abend gecheckt und … – Alter. Die Worte „größte Konzerthalle Skadinaviens“ hatte ich zwar gelesen aber noch nicht mit Inhalt gefüllt.
Direkt neben dem Musikhuset ist das Aros, das hatten wir im Sommer nur halb geschafft. Wir lernten diesmal: Wir hatten es sogar damals nur zu einem Drittel geschafft. Heute dann wieder die Hälfte der verbliebenen zwei Drittel und für die, die ich jetzt noch nicht mathematisch verwirrt habe: Wir müssen hier noch mal hin, sind dann aber durch. Das zweite Drittel war wieder ziemlich beeindruckend. Dann haben wir uns im Gaya einen Tisch für heute Abend reserviert, denn zwischendurch kam eine Mail mit Aftershow-Einladung und so ein langer Abend will ja einen Grundstock haben.
Dann erstmal Pause und Ausruhen für den Abend. Man soll ja auch das am-Fenster-sitzen und aufs-Meer-gucken nicht zu kurz kommen lassen.
Links in den letzten beiden Absätzen dürfen Sie gerne als Empfehlung verstehen, falls es Sie auch mal in diese Stadt zieht. Bezahlt haben weder Konzerthalle, noch Museum noch Cafe, geschweige denn die Stadt etwas dafür.
Abends dann gutes Essen am vorbestellten Tisch und dann sind wir zum Konzerthaus rüber; dafür waren wir ja hier: Tina Dico hat heute und Sonntag den Saal in ihrer Geburtstadt ausverkauft und wir waren dabei.
Ich erinnere mich – vor einigen Jahren, als ich die Idee hatte zu einer Fanpage für meine Lieblingssängerin, dass ich da dachte: „Vielleicht kriegste dann mal ’ne Bemusterungs-CD mit Autogramm und wenn’s ganz super läuft kannst Du ihr auf einem Meet&Greet mal die Hand drücken.“ What did I know?
Schaue ich heute auf diese letzten Jahre zurück, dann erfüllt mich nur eine tiefe Dankbarkeit. Dankbarkeit für all das, was ich und wir erleben durften – auf so vielen Ebenen. Für „Na sicher kannst Du ’ne Fanpage machen – willst Du ein Grußvideo für die deutschen Fans?“ und für „Na sicher kannst Du Fotos machen – komm vorbei!“ Für die vielen Orte, die wir gesehen haben zu denen wir sonst nie einen Grund gehabt hätten, hinzufahren – ich denke da nicht nur an Elphi und das Konzerthaus heute, sondern auch die vielen anderen Locations. Für die Menschen, die ich über die kleine Fanpage kennen lernen konnte und die vielen, denen ich mit verlosten Tickets oder Autogrammen eine Freude machen konnte. Für die interessantesten Gespräche, oft über Dänemark und Island und Deutschland – und über Menschen und Musik und allerlei. Natürlich für die Musik, die mir immer noch direkt in die Seele spricht.
Ich denke gerade, das Spiel „Fan“ habe ich komplett durchgespielt, da gibts keine versteckten Level mehr, keine Chance, noch mehr zu erleben. Das ist etwas seltsam, so am Ende des Levels zu stehen und jetzt zu versuchen, das in eine gefühlte Alltagsaufgabe zu drehen.
Aber zurück: Das Konzert war wunderschön, es hat sich gelohnt, dafür 14 Stunden auf der Bahn zu verbringen. Fans im Heimatland, Fans in der Heimatstadt sind etwas anderes auch als die besten deutschen Fans; genau das wollte ich einmal erleben, genau deswegen habe ich die Anstrengung auf mich genommen und das war wirklich toll. Wir haben nachher noch alle besucht und kurz gesprochen und die Party dann recht schnell verlassen. Man findet nicht gut Anschluss, wenn alle anderen sich kennen und eine andere Sprache sprechen*. Also ich nicht.
*) Eine so furchtbar simple Erkenntnis übrigens, die das Wort „Asyltourismus“ noch einmal Lichtjahre absuder erscheinen lässt.
Diese drei Tage, zwei davon auf der Autobahn, die haben sich also bei all dem Wahnsinn gelohnt, aber die hab ich mir auch echt rausgerissen aus einem riesigen Arbeitsberg. Und jetzt ist es vorbei und ich bin etwas leer. Jetzt weiß ich wieder, dass die die daheim geblieben sind nichts besonderes erlebt haben, sondern dass die nur darauf warten, mich wieder anzurufen und mit Korrekturschleifen zu bewerfen.
Das ist seltsam, wenn draußen noch die Ostesee an den Strand rollt.
Sonntag:
Heimfahrttag. Heimfahrttage sind blöd. Vollsperrungen die einen mit-10km/h-über-die-Dörfer-Lindwurm nach sich ziehen sind blöd. Irgendwann so in der Höhe vom Münster machte mein Stammhirn das entspannte Tempomat-mitschwimmen nicht mehr mit und ich habe mich auf die linke Spur und irgendwo in Richtung 200km/h begeben. Fazit: Ja, ich habe gegenüber der vom Navi berechneten Zeit auf 80km Autobahn 5 Minuten rausgeholt. Ja, es war echt anstrengend. Zu anstrengend. Zu nervig. 0.3l/100km gerechnet auf die Gesamtstrecke mehr. Rechne ich mit ein, wie genervt ich war, als ich hinter der dänischen Grenze auf einmal wieder datauf achten musste, dass von hinten jemand angeschossen kommen konnte – Tempolimit.
Stellt sich die Frage: Würden wirs nochmal tun? Ich weiß es nicht. Anstrengend ohne Ende, schön ohne Ende. Zwei Tage rausgerissen und mit Blick aufs Meer aufgewacht und wenn man gerade das erste Mal nicht vollkommen vom Wellengeräusch überrascht ist muss man wieder weg.
Und dann kommste wieder in dieses Kaff und … Und dann kommste wieder in dieses Kaff.
Und dann kommste wieder in dieses Kaff und hast sofort wieder Strandweh.
Bei all dem Gejammer der letzten Tage und dem Seelenmassage-Content bleibt frohes zu vermelden: Die Dinge, die ich dort lerne bringen mir auch etwas – in diesem Fall sogar nach langen Scheißtagen die Fähigkeit in der ersten Nacht danach gut zu schlafen und froh und mit ziemlich freiem Kopf auzuwachen. Das ist eh etwas, über das ich viel zu selten höre: Klar, zur Seelenmassage zu gehen, wenn es einem nicht gut geht, das ist nicht mehr so tabu wie früher. Aber ganz konkret zu sagen: Ich lerne da das und das und das macht, dass ich einen normalen Alltag habe – das hört man doch eher selten. Dabei würde das vermutlich die Hemmschwelle senken und dieses Mysterium, was da in einer Stunde hinter verschlossenen Türen geschieht entzaubern. Bei anderen Ärzten weiß man das doch auch?
Gestern Abend schaute ich noch die neue Show von Frau Bauerfeind. Ältere Internetpeople erinnern sich, die hat mal Ehrensenf moderiert und weil das die erste große Web-TV-Show war, war sie irgendwie eine von uns und ich mag ihr auch gern zuschauen. Die neue Show „Bauerfeind – die Show zur Frau“ läuft, wenn ich das richtig verstanden habe nach folgendem Prinzip ab: Frau B lädt sich jeweils zwei Gäste ein und spricht über ein Aufregerthema. Spoiler nach zwei Sendungen: Am Schluss ist man sich einig, dass alles schon irgendwie wichtig aber auch alles nicht so wild ist. Man hat ein bisschen gelästert und ein bisschen betroffen geschaut und wichtig ist: Man muss ja auch Maß halten. Alle haben ihre Witze gemacht und auf ihre neue ShowBuchDings hingewiesen. Mehr schafft man ja auch in 30 Minuten nicht.
In der ersten Show ging es um „gefühlte Wahrheit“, in der gestern um „besseres Essen“. In der ersten waren Micky Beisenherz und Oliver Pocher als Fachleute eingeladen, in der zweiten Ruth Moschner und Annette Frier.
Gestern waren sich also alle schnell einig: Ja, man sollte sich schon bemühen, besser zu essen, aber Herrgott, man kann ja auch nicht auf alles achten. Ein paar Veganerwitze hier, ein paar Gluten- und Laktosepups-Sprüche da, überraschend lauter Gegenwind in den ersten paar Minuten für Frau Moschner, die versuchte sich dem Thema ernsthafter zu nähern (als ausgebildete Ernährungsberaterin sicher ein guter Ansatz) und die Sendung war schnell um. War launig gewesen, wir haben alle gelacht und am Ende eben: Ja, ein bisschen gesunder Menschenverstand wäre gut.
Und gestern Abend machte es mich sauer. Ich fragte mich: Ja und was ist, wenn der gesunde Menschenverstand nicht ausreicht? Was ist, wenn wir in unserem wohlig eingerichteten Leben seit Jahrzehnten den Planeten vor die Wand fahren lassen, weil „man sich ja auch nicht um alles kümmern kann“? Spoiler: Isso. Der Gedanke ist nicht schön, aber es geht eben nicht, gleichzeitig jetzt mal echt die Welt retten zu wollen und dann auf dem Rückweg von der Fernsehaufzeichnung mit dem SUV noch fix das Sonderangebot Hack für 0,99€ mitzunehmen. Aber eben auch: Nein, auch nicht das für 2,99 €.
Nein, ich weiß, Menschen ändern sich nicht wegen Bedrohungsszenarien; vor allem wenn die einfach zu groß sind, sie sich vorzustellen. Aber eine Sendung, die als Ergebnis hat: Ja, das wird ja heute auch alles übertrieben, wir müssen nur zu unserem Gefühl zurück, dann ist alles wieder gut – die hilft auch nicht. Die lullt uns ein, die verdrängt wahrhaft wichtiges wieder nach 23:35 Uhr.
Von den Bedrohungsszenarien weg und Beispiele zeigen, wie man Lust- und genussvoll essen kann, ohne dabei die Welt zu zerlegen – das wäre schick. Und eben nicht um 23:45. Also nicht: Mit dem Zeigefinger drohen und Hack verbieten, aber eben auch nicht Kochen mit Hack und dabei erzählen, man solle schon das für 2,99€ nehmen. Sondern kochen ohne Hack aber super lecker.
Was ich aber am meisten stört: Dieses Grundbedürfnis, das alles eigentlich so bleiben soll, wie es wahr – also natürlich muss sich was ändern, aber mit Maß! – das kenn ich doch von irgendwo? Wo war das nur, wo war das nur? Spaß beiseite und: Nein, ich möchte nicht Frau Bauerfeind und ihre Gäste mit der AFD vergleichen. Was ich hingegen möchte ist: Darüber nachdenken, ob dieser ganze Backslash als gesellschaftliches Phänomen etwas besser zu verstehen ist, wenn man mal schaut, wo denn noch alles ganz subtil eine „soll bitte alles wieder schön sein“-Message verteilt wird. Diese ganzen Veränderungen die sind nämlich einfach verdammt anstrengend. Ich denke, dass viel erreicht wäre, wenn man das mal anerkennen würde. Mit Anerkennung sagt man übrigens nicht, dass sie nicht trotzdem nötig sind.
Ach ja: Der Himmel war heute morgen auch wieder ganz hübsch.
Gerade läuft übrigens die 1500ste Folge Shopping Queen und ich habe gefühlt mehr als 80% davon gesehen. Aber diesem Fühlen habe ich ja gerade abgeschworen. Ich werde das für Euch also nachrechnen.
Kommen wir zu den Leseempfehlungen.
Erinnert Ihr Euch an „Neues aus der Zukunft“? Das war ein Newsletter von Carlo Zottmann, der regelmäßig über tolle Erfindungen und Entwicklungen berichtete, die unser Leben verändern konnten. Den gibts schon länger nicht mehr, diesen Newsletter; aber Carlo möchte gerne wieder tolles teilen. Er tut das ab jetzt hier: 5feineverweise.substack.com
Passt eigentlich sehr gut zu dem, was ich oben so sagte, fällt mir gerade auf.
Genau wie dieses etwas ältere Stück von Theresa Bäuerlein, das mir zufällig wieder über den Weg lief: „Veganismus hat ein ähnliches Imageproblem wie Feminismus – darin stecken viele wichtige Ideen, aber es gibt auch viele anstrengende Vertreter, die sie verkünden […] so reden oder denken natürlich längst nicht alle Veganer. Aber die lautesten. Und so bekommt eine ganze Bewegung ein pubertäres Image.“ – Warum Veganer schlauer sind, als ihnen vielleicht klar ist.
In den nächsten drei Tagen werde ich vermutlich nicht zuverlässig hier meinen täglichen Rapport hinterlassen können – aber ich fasse das dann für Euch zusammen.
Sie als aufmerksame Leserin haben ja mitbekommen, dass hier in den letzten Tagen der Schreibtsich brannte. Heute hingegen – so war der Plan – war der erste Tag einen Mini-Urlaubs. Wenn man so ungeübt ist mit diesem Wegfahr-Dings wie ich, dann helfen ein paar Tage Luft vorher ganz gut.
Aber Pläne sind genau so Schäume wie Träume und schon gestern Abend stellte ich fest: Klappt nicht. Die Liste mit Korrekturen wurde von der Agentur immer wieder aufgefüllt und der Tag war einfach nicht lang genug. Naja, und als ich heute Morgen um vier eh wach war, hab ich mich gegen fünf halt hochgeschleppt. Um neun war ich fertig. Wir telefonierten noch kurz und ich ging deutlich befreit runter. Sogar ganz runter, auch mal wieder in die Küche und in dieses Dings … äh … genau … Wohnzimmer. Schlief mir den Kopf noch etwas freier, las etwas, freute mich als die Liebste kam und gegen halb drei kam die Mail vom Kunden der Agentur, der uns bescheingte, das wäre sehr bescheidene Arbeit. Also nicht im Sinne von „humble“, sie verstehen schon. Mich traf das nicht persönlich, denn diese Agentur hat vom ersten bis zum letzten Byte die Kontrolle über dieses Projekt und hat mich nur als Coder gebucht, aber … „bescheiden“??
So gegen sechs war ich dann fertig. In jedem Sinne.
Wir gucken jetzt eine Netflix-Serie und ich sag aber nicht, welche.
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