12.11.2019 – marineblau, nicht kobaltblau

Über den Tag ist nicht viel zu sagen. Ich bin in einem glücklichen Flow und programmiere hübsche kleine Lösungen vor mich hin. Das ist schön, das macht Spaß und das ist unfassbar uninteressant zu erzählen.

Abends waren wir dann noch im Stoffmarkt, die Liebste will was nähen. Ich gehe gerne mit in den Stoffmarkt; ich bin da der einzige Mann und alle anwesenden Frauen finden mich gut. Unterhalte ich mich dann noch einigermaßen interessiert und vielleicht auch etwas fachkundig über Stoffe oder Stoff-Farben, dann lieben mich endgültig alle.
Liebe einsame Männer da draußen: Wenn Sie wirklich Frauen kennen lernen wollen – keine Dickpix mehr. Stoffmärkte sind es.

Apropos „Farben“: Wussten Sie, dass die Russen mehr Worte für „blau“ haben als wir und deswegen auch feinere Unterschiede wahrnehmen als wir? Denn Sprache bestimmt, was wir wahrnehmen.

11.11.2019 – ein Toast auf T.

T. war der Hausmeister im Jugendtreff in dem ich in Aachen meinen Zivildienst machte. Er war genau so, wie Hausmeister sein müssen: Knurrig, auf den ersten Blick vielleicht sogar miesepetrig. Unrasiert mit Arschlochbart und vernarbtem Gesicht und tiefer, knarziger Stimme. Schlecht sitzende Jeans, Karohemd und Bikerboots.
Wenn man ihn gut genug kannte, war er natürlich super.
Die Jugendlichen kannten ihn selbstverständlich nicht gut genug und das war auch gut so.

Nach der Arbeit stieg er in seinen weißen alten Audi 80, mit schwarzem Heckspoiler und Südstaaten-Adler auf der Motorhaube und fuhr davon; wir wussten nicht, wohin.

Heute hätte er sich in seine rote Leggings und die Uniformjacke geworfen und den Beginn der Session gefeiert – denn in der fünften Jahreszeit wurde aus T., dem knurrigen Hausmeister, T. der Jeck.

T., wo auch immer Du jetzt bist: Ich heb’ die Flasche Köpi und stoße auf Dich an!

Nachdem ich nachts jetzt ziemlich regelmäßig Schmerzen beim Liegen habe und gestern ja jemand das böse Wort mit „T“ und „hrombose“ aussprach, fuhr ich heute mal zu Frau Doktor. Frau Doktor war nicht da und Herr Doktor, ihr Praxiskollege, rannte wie ein Duracellhäschen durch alle verfügbaren Praxisräume.

Trotzdem, und deswegen liebe ich die Praxis, nahm er sich exakt so viel Zeit wie nötig; drehte, klopfte, zog und schob das Bein und schloss: Keine Ahnung, was Sie haben, es ist wohl wirklich muskulär. Auf jeden Fall haben Sie keine Thrombose und keinen Bandscheibenvorfall. Na, an die Option hatte ich ja noch gar nicht gedacht.
Wir „bewerfen das jetzt mal mit viel Ibu und in wenn’s in ’ner Woche nicht weg ist, gibts weiter Physio

Wo ich schon da war, hab ich mir noch die Grippeimpfung abgeholt.
Den Rest des Tages matschig und fiebrig gewesen und Ziehen im Kiefer an diversen Zähnen. Ich vermute Zusammenhänge, feiere aber trotzdem den einen Tag Matschigkeit.

Satz des Tages:Die PDFs, die Sie mir geschickt haben? Nee, die hab ich nie gelesen. Das war so viel.
Na, jetzt verstehe ich auch, weshalb wir am Telefon immer so seltsam aneinander vorbeireden, wenn ich mich auf die schönen Konzepte beziehe, die wir geschrieben haben.

10.11.2019

Zu früh aufgewacht, zu unruhig gewesen, zu viel gecodet für einen Sonntag.

Mittags eine Runde durch die Stadt gelaufen. Herbstfarben galore, blauer Himmel wie nix gutes aber kalt wars. Pommes mitgebracht. Pommes sind immmer gut.

Danach eine Runde EscapeRoom gespielt. Ohne spoilern zu wollen: Wenn man in so einem Spiel eine Telefonnummer angibt, die es anzurufen gilt, dann sollte man diese Telefonnummer auch noch ein Jahr nach Erscheinen des Spiels geschaltet lassen. Das hat mich genervt.

Einen Kurztrip weiter geplant. Aufregend. Ich werde die EU-Außengrenze überqueren, vielleicht sogar mehrfach.

Im Hinterkopf rotiert das Wörtchen „Thrombose“ rund um diese etwas undefinirbaren Schmerzen im Bein und ich mag den Gedanken nicht. Morgen mal Frau Doktor besuchen.

Heute war irgendwie nix.

9.11.2019 – vereinigt und getrennt

Wochende hin oder her – ich wache um sechs auf und bin rappelig genug, um an den Schreibtisch flüchten zu müssen. So I did some coding.
Und sah einen Sonnenaufgang.

Einen Großteil dieses Jahres kämpfe ich jetzt schon mit Spam. Jaja, tun wir alle. Erst musste ich aber lernen, dass der Spamfilter beim Hoster etwas übereifrig war; schweren Herzens stellte ich ihn also ab.
Seitdem trainiere ich meinen lokalen Spamfilter. Oder er mich, man weiß es nicht genau.
Auf jeden Fall kann man davon ausgehen, dass – wann immer ich gerade denke es läuft – mich jemand vorsichtig anfragt, ob ich denn ihre Mail nicht bekommen habe. Zum Glück. Heute zum Beispiel fand ich eine Einladung, die mich sehr freute und eine wochenalte Jobanfrage – was mich nicht sehr freute.

Letztens sprach die Liebste:Weißte was, ich nehm jetzt mal ’nen Coolibri mit, wie früher“. „Früher“ war ja nun vor dem Internet und Stadtmagazine wie der Coolibri waren für die Freizeitplanung wichtiges Utensil.
Außerdem konnte man sich über die Kontaktanzeigen amüsieren.

Erstens: Bei den Kontaktanzeigen heute fiel mir auf, dass die quasi alle erst so bei Mitte 40 anfangen. Klar, alle anderen verlieben sich ja heute online alle 11 Minuten.

Und zweitens las ich das Ding wirklich von vorne nach hinten durch und fand eine Ausstellung im Folkwang Museum Essen: „I was a Robot – Science Fiction und Popkultur“ Das klang gut, da fuhren wir heute hin. An der Kasse erfuhren wir, dass seit gestern noch „Der montierte Mensch“ zu sehen war. Na klar, warum nicht?

Und ich sag mal so: Ich bin so froh, dass angefangen habe, mit der Liebsten in Mussen zu gehen. Kunst anzugucken. Auf Verdacht mal irgenwohin zu fahren und Ausstellungen anzuschauen.
Dass wir unseren ganz eigenen, von Kunstunterricht und VHS-Führungen unbeeinflussten Umgang mit Kunst haben.
Wir sehen so viel Schönes, lernen immer wieder so viel. Und je mehr wir ansehen, desto mehr kennen wir uns auch aus und das hilt bei der nächsten Ausstellung und das ist einfach nur schön.

Falls Sie also irgendwo im Ruhrgebiet wohnen: Die laufende Sammlung im Folkwang ist eh kostenlos und 10,- für zwei Sonderausstellungen finde ich auch vollkommen ok. Lohnt sich, ehrlich.

Aus Gründen krame ich hier mal eine alte Geschichte hervor:
Am Samstag, dem 29.9.1990 fuhren ein, also genauer: mein Englisch-LK und ein Geschichts-LK* zusammen auf die obligatorische Kursfahrt: Vierzig knapp 18-jährige für eine Woche nach England.

*)Wer die armen Geschichtler, die ja garantiert nicht aus tiefer Liebe zu Fremdspachen heraus Geschichte als LK gewählt hatten in diese Verlegenheit brachte, habe ich bis heute nicht begriffen – aber die Wege dieser Nonnen waren halt unergründlich.

Wir waren zuerst drei Tage in Oxford, dann vier Tage in London. Und um so richtig in die Kultur des Landes eintauchen zu können, hatte man uns in Gastfamilien untergebracht (arme Geschichts-LKler) und das war aus vielen Gründen sehr spannend.
Einer – und damit der in diesem Zusammenhang interessante – war, dass wir an Zeitungskiosken und überhaupt in einem anderen Land das erste Mal mitbekamen, wie man von außen auf die deutsche Wiedervereinigung schaute. Deutschland allgemein war ja größtenteils eher im Freudentaumel und mein persönliches kleines Umfeld war an politschem Diskurs eher wenig interessiert.
Ich erinnere mich nicht konkret an Schlagzeilen oder Artikel, aber die Engländer sparen ja eh selten mit Nazi-Sprüchen und die in vielen Formen rübergebrachte allgemeine Bersorgnis machte mich sehr nachdenklich.

Zum anderen waren mein Freund und ich zumindest in der ersten Familie in Oxford bei Menschen gelandet, die nicht nur ein bisschen Taschengeld nebenbei brauchten, sondern die auch richtig Bock hatten, sich mit ihren Gästen mal zu unterhalten.
Sie selbst waren aus Nordafrika nach England gekommen und kannten jede Form von Fremdenfeindlichkeit aus Ausländerhass aus erster Hand. Es war interessant, sich mit ihnen zu unterhalten und ich hoffe, wir konnten zumindest diesen beiden Menschen vermitteln, dass Deutschland im Vereinungsfreudentaumel jetzt nicht gleich wieder von Maas bis Memel wollte.

In der Nacht zum dritten Oktober hingegen lernte ich das erste Mal in meinem Leben schmerzhaft, was eine Filterbubble ist. Auch offline wähnt man sich ja immer irgendwie in der Gewißheit, dass alle Menschen um einen herum irgendwie so ticken wie man selber und der engere Kreis um einen selbst.
Und da wir uns ja schließlich – ausgelöst durch Schlagzeilen und Gasteltern-Gespräche – auch all die Tage immer wieder durchaus auch besorgt über die möglichen Folgen dieser Hauruck-Vereinigung unterhalten hatten, gingen „wir” auch davon aus, dass der ganze Bus so tickte wie wir.

Tat er nicht.

Ich muss noch kurz erzählen: Wir trafen uns nachts, nach dem Schließen der Pubs, immer noch am Bus. Unser Busfahrer war wohl sehr England-Reisen-erfahren und hatte jeden verfügbaren Freiraum seines Busses mit Dosenbier vollgestopft. So konnten die Sperrstunden-ungewohnten Deutschen noch nachfeiern und ich vermute, er verdoppelte damit in etwa seinen Lohn.
In der Nacht zum dritten Oktober standen wir also wieder auf dem Parkplatz und mussten feststellen, dass um Punkt zwölf die andere Filterbuble, die sich zufällig im gleichen Bus befunden hatte, diesen historischen Moment mit dem Absingen der deutschen Hymne begehen wollte. Ach und weils so schön war: Da gabs doch auch noch ’ne erste Strophe. Und wenn man schon so schön zusammen steht, dann kann man ja auch in der Menge versteckt mal eine Hand in den Himmel strecken.

Außerdem lernte ich damals die Kraft kennen, die ein „Ach Du bist doch ’ne Spaßbremse!” haben kann, wenn man Menschen anspricht, die gerade finden: „da wird man doch wohl mal singen dürfen”.

Nachdem ich meinen Freund, der das Ganze dann mit den Fäusten klären wollte, zurückgehalten hatte gingen wir traurig in unsere Familien. Nein, nicht nur traurig. Hilflos, wütend, traurig, beschämt, verwirrt. Alles auf einmal.

Morgens am dritten Oktober 1990 war die Teilung Deutschlands beendet und die Teilung eines LKs eines Mendener Gymnasiums besiegelt.

8.11.2019 – vielleicht auch ein Sousaphon?

Ich schrub gestern eine Mail:
„Hallo, hier ist der Link zum Vorschaubereich, ich habe dazu zwei Fragen.
Bitte ignorieren Sie alle Texte, das sind Blindtexte. Bitte schauen Sie sich die Seite nur auf einem Desktop/Laptop-Bildschirm an, die mobile Ansicht ist noch nicht fertig.
Meine Fragen: 1) Bla bla bla blubb? und 2) Bla blubb blubb blubb bla? Können wir morgen telefonieren? Beste Grüße“

Raten Sie bitte jetzt, ob …

  1. heute Morgen ein Anruf kam, in dem jemand eine Antwort auf beide Fragen hatte
  2. gestern, 5 Minuten nach der Mail jemand anrief, mich wegen der Headlines beschimpfte, mich mit Fragen zur Ansicht auf dem Handy überschüttete und vollkommen irritiert reagierte als ich dann fragte, ob er auch Antworten auf meine Fragen habe.

Jedes. Fuckin’. Einzelne. Mal.

Ich habe dann aber doch noch Antworten bekommen und morgens ein bisschen gecodet. Dann eine andere Website angesehen und geschaut, was man schöner machen kann. Dann war Wochenende.

Auch noch gestern Abend war ich in einem der Mendener Amateurtheater, denn dort stellte Michael Martin sein neues Buch „Sauerländer. Besser gehts nicht“ vor. Jetzt dürfte den meisten Leserinnen mein Verhältnis zum Sauerland relativ klar sein und ehrlich gesagt war das Buch auch nicht der Grund für den Besuch. Der Grund war, dass auf der gleichen Bühne noch zwei Freundinnen von mir standen und die Lesung musikalisch begleiteten. Beide hatte ich noch nicht gehört und war sehr erfreut.
Auch das Buch war nicht so platt wie ich es befürchtet hatte, der Vortrag war gut und kurzweilig – das war ein netter Abend.

Aber keine Sorge, das Sauerland tat aber wieder sein Bestes, um seinen Ruf zu festigen. In diesem Fall das Publikum:

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Johnny Haeusler hat in seinem Newsletter (den ich eh empfehle) auf diesen Bericht über die neue Bibliothek in Helsinki verwiesen. Eine Bibliothek mit Arbeitsplätzen, Cafe, Theater, Maker Spaces und und und …
Mich erinnert das arg an unseren Besuch in der (auch immer noch recht) neuen Bibliothek in Aarhus im Sommer. Auch wir waren ja ziemlich davon geflasht, wie viel Raum sich einfach nur aufzuhalten, mit Kindern zu spielen und überhaupt was ganz anderes zu tun, als durch Bücherregale zu stöbern, es gab.
Und auch Frau Meermond, die ja irgendwo im Nichts im Norden Jytlands lebt hat in ihren Instagram-Stories öfter Bilder von der nächsten Bibliothek in der nächsten Kleinstadt und den dortigen Möglichkeiten.

Es scheint mir, als hätten die Skandinavier einfach eine andere Vorstellung davon, was eine Bücherei sein sollte und das es eben nicht nur ums Lesen, sondern ums Sein geht. Und das das mit dem Sein am besten klappt, wenn man als Stadt oder Kommune den Bürgern dafür nette Angebote macht.
Ich mag diese Idee sehr.

Dann trank ich einen Kaffee mit Frau Petrolgrau. Das war sehr schön. Nach all den online-Jahren und quasi Jahrzehnte, nachdem ich den ersten Bloggerkollegen live traf immer noch jedesmal froh, wenn das Bauchgefühl stimmt und diese Internetmenschen so sind wie sie sind.

Wir sprachen viel über Kleinstadt-Menschen und ich muss nachdenken.

Danach mit leichten Anlaufschwierigkeiten nochmal an den Schreibtisch um die Zeit bis zu Ninja Warrior rumzukriegen.

Statt Sunrise heute mal Sunset.

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