4.5.2020 – und irgendwann drücken wir wieder auf Play?

Vorgeschichte:

Ich war keine dreißig, als in New York die beiden Flugzeuge in die Türme flogen. Eine Erinnerung übrigens, die so fest im Gedächtnis der westlichen Menschheit eingebrannt ist, dass ich gar nicht mehr erklären muss.
Damals sagte jemand: „Das wird unsere gesamte Welt für immer ändern“ und ich habe das nicht verstanden. Nun gut, da hatte jemand es jetzt geschafft, in einer konzertierten Aktion mehrere Flugzeuge gleichzeitig zu entführen und das war sicher für die Amerikaner sehr schmerzhaft und es waren furchtbar viele Menschen gestorben – aber die ganze Welt? Für immer?
Heute im Rückblick schaue ich darauf, wie Menschen, die Nutzen aus Krieg ziehen, so eine vollkomen neue Bedrohungsebene aufbauten. Wie sich Amerika Dank Guantanamo seinen Ruf als Moralapostel der Welt versaut hat und Dank einiger stupider Hardliner seinen Ruf als Leader of the free world. Dass harte Innenminister Freiheitsbeschränkungen schneller durchdrückten, als sie „Terorbedrohung“ sagen konnten. Dass nationalistische „my country first“-Bewegungen wieder en vogue sind, dass die EU Auflösungserscheinungen zeigt und sich im Schatten davon Weltkonzerne eine Struktur aufgebaut haben, die es ihnen erlaubt an vielen Gesetzen vorbei vollkommen frei zu handeln.
Nichts davon geschah faktisch direkt am zwölften September oder den Folgetagen, wenig auch nur im Jahr 2001. Aber es hat halt langsam die Gesellschaft verändert*.
Und ich verstehe den Satz.

*) Ja, ich weiß, dass Geschichte nicht monokausal ist. Oder auch manchmal vielleicht gar nicht kausal. Ich sehe da trotzdem Zusammenhänge.

Hätte man das verhindern können? Hätte man bei jeder Gesetzesverschärfung, bei jedem Populisten argumentieren können „In diesem Moment hüpft Bin Ladens Seele vor Freude, weil ihr sein Werk erfüllt“? Sicher. Hätte einem jemand zugehört? Sicher nicht.
Wir bemerken Änderungen nur sehr schlecht, wenn sie langsam genug ablaufen. Und vor allem nicht ihre kausalen Bezüge, wenn die nur weit genug weg sind.

Genug der Einleitung, worum geht’s hier eigentlich?

Heute Nacht schaute ich mal bei Twitter rein und las zufällig eine kleine Unterhaltung darüber, ob es einen Tag X geben würde, an dem wir alle die Pause-Taste wieder loslassen und unser Leben davor genau so weiter gehen wird.
Und ich dachte im gleichen Moment ebenso vehement „Natürlich!“ wie „Natürlich nicht!“. Das war selbst für meinen an Widersprüchlichkeiten erfreuten Geist eine interessante Erfahrung aber ich merkte: es kommt nur auf die Sichtweise an.

Please press play again (Natürlich!)

Das ganze Gekuddel, was wir im Moment in Diskussionen über Lockerungen, Schule, HomeOffice, Masken, achthundert Quadrat- und eineinhalb Meter erleben, resultiert für mich aus dem Bemühen, so schnell wie möglich wieder soviel Normalzustand wie möglich herzustellen. Normalzustand in der Bedeutung: „So wie vorher“.
Wir hier in unserem reichen Land hatten ein System des Miteinander-Lebens, das bei allen Mängeln (die ich ja oft genug hier anprangere) funktionierte – und jetzt funktioniert es gerade deutlich schlechter. Also bitte zurück ins Vorher, ins „funktioniert besser“.
Wenn auch manchmal in der B-Note (auch Lindner- oder Laschet-Note genannt) erbärmlich schlecht umgesetzt, halte ich das auch für gut und richtig. Menschen sind nicht gut in Veränderung, sie verunsichert uns. Das ist normal.
Und so glaube ich, dass gerade die meisten daran arbeiten, die Pause-Taste so schnell wie möglich wieder loszulassen.
Das ist ein beruhigendes Gefühl.

Und dann wird alles besser? (Natürlich nicht!)

Zu Beginn des Lockdowns las man oft „danach wird alles besser!“ und von den Chancen, die uns die Situation bietet. Natürlich müsste man erst einmal „besser“ definieren. Denn „besser“ bedeutet für die meisten ja erst einmal „besser für sich selbst“ und dann noch „besser für die Gruppe, die mir aus beliebigen Gründen gerade besonders am Herzen liegt
Vor ein paar Wochen waren das zum Beispiel gern die Menschen, die irgendwo in der Pflege arbeiten. Verständlich, die wurden auf einmal extrem schnell extrem sichtbar.
Inzwischen ist die große Überforderung des Gesundheitssystems von Welle 1 ausgeblieben und die Kämpfer für faire Entlohnung des Pflegesystems sind an vielen Stellen dazu übergegangen, die Petitionen für oder gegen die Öffnungen der Schulen anzuklicken. Nach vierzig Tagen mit dem eigenen Nachwuchs im Haus liegt das emotional einfach näher.

Die üblichen Sprecherinnen für jedes Thema, egal ob Frauen, ob Menschen mit Beeinträchtigungen, ob Alte oder Junge, Tiere, Umweltschutz oder jedes andere Thema weisen derweil auf die besondere Bedeutung der Situation für die von ihnen unterstützte Gruppe hin und fordern, dass die jetzt nicht aus dem Blick verloren gehen dürfen und „danach“ etwas getan werden muss. Aber in der öffentlichen Diskussion in den Massenmedien geht’s dann doch meist um „endlich wieder shoppen“, Schule und Frisör.

Hört man den Forderungen etwas genauer zu, dann merkt man: Nichts davon ist neu. Nichts.
Menschen, die in der Pflege arbeiten werden seit Dekaden ausgenutzt.
Das deutsche Schulsystem ist nicht erst seit Mitte März hoffungslos analog.
Wir haben das Klima der Erde schon lange in eine Richtung geändert die uns Menschen nicht mehr gut bekommen wird.
Aber der Lockdown wirkt wie eine Lupe, die uns all die Dinge besser sehen lässt. Oder sollte ich sagen: Schlechter verdrängen lässt?

Dahinter aber verändert sich trotzdem leise etwas.

Ich las mal, dass der Mensch etwas vierzig Tage benötigt, um sich „umzuprogrammieren“. Um neue Gewohnheiten anzunehmen, um anders über Dinge zu denken.
Das wäre dann zufällig etwa jetzt.

Und so höre ich in der IG-Story des TV-Moderators, dass er plötzlich merkt, wie absurd es doch war, mehrmals die Woche in den Flieger zu steigen.
Und so lese ich, dass das Kaufverhalten der Deutschen nicht in den Maße wieder ansteigt, wie es die wieder geöffneten Quadratmeter zulassen würden.
Und so geht es quer durch die Blogs – in diesem Fall vielleicht mal repräsentativ? – dass die Autorinnen schon gern im HomeOffice bleiben würden, wo jetzt die Infrastruktur steht.
Und so sehe ich beeindruckende Nasa-Luftbilder, die die Luftbelastung vor und während des Lockdowns vergleichen.
Die Liste lässt sich beliebig verlängern.

Aber …
… ob das der Fernsehsender des Moderators mag, wenn der jetzt längere Anfahrtzeiten hat? Und erst die Lufthansa?
… ob das die Läden mögen, wenn die Menschen auf einmal nur noch Lebensmittel und weniger Konsumgüter kaufen?
… ob das die Chefs mögen, die ja für sich selbst gute Gründe hatten, HomeOffice doof zu finden?
… ob die Autobauer und Tankstellen das so töfte finden, wenn wir weniger fahren?
Die Liste der Gegenfragen lässt sich ebenso beliebig verlängern und wir merken, dass es arge Interessenskonflikte darüber geben mag, was „besser“ denn nun sein wird, wenn wir die Pause-Taste erst losgelassen haben.

Und dann war da noch …

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin weit davon entfernt, den aktuellen Verschwörungstheoretikern auch nur einen Millimeter zu folgen. Ich glaube nicht, dass Gates in Merkels Auftrag ein Virus erfunden hat und auch nicht, dass die WHO dem Weltjudentum gehört. Oder auch nur einen Millimeter des anderen Drecks, den arme Menschen, die sich ihre Furcht nicht eingestehen können, gerade durchs Web zu spülen versuchen.

Aber ich glaube, dass Menschen mit großen persönlichen Interessen und wenigen Skrupeln die aktuelle Situation sehr aufmerksam beobachten. Das liegt nicht an der aktuellen Situation speziell, das ist immer so. Erfolgreiche skrupellose Menschen beobachten halt jede Situation und versuchen sie zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Und so eine große Verunsicherung der ganzen Welt – das ist mal was Neues und deswegen sicher sehr, sehr beobachtungswürdig.

Ich würde, um noch einmal zurückzugreifen, große Summen darauf verwetten, dass vor 19 Jahren Machtmenschen in amerikanischen Behörden fertige Papiere aus der Schublade ziehen konnten, um ihre Macht nach dem Anschlag zu erweitern – und als Grund den Anschlag aufs WTC nannten. Aber sie hatten garantiert auch für jedes andere Szenario fertige Pläne bereit.
Und aktuell brauche ich gar nicht erst zu wetten – die Autobauer haben schon die Forderungen aus der Schublade gezogen, um ihre Gewinne weiter privat zu halten und ihre Verluste jetzt der Gemeinschaft aufzubürden. Aber auch die nutzen schon immer jeden anderen Anlass, um ihre Pfründe zu sichern und werden es weiter tun.

Und was lernt uns das jetzt?*

Boah, ich hab keine Ahnung, was uns das lernt. Ich kann Ihnen höchstens sagen, was das mit mir macht.
Im kleinsten Kreis gedacht versuche ich, in dem ganzen Getümmel die Fakten zu finden, um bereit zu sein, wenn Freunde mir ihre Ängste erzählen. Ich richte nicht über andere, die schlechter klar kommen als ich hier auf meinem privilegierten Hügel. Ich versuche, wie immer, auf beide Seiten zu gucken. Oder alle drei. Oder alle, die es gerade so gibt.
Damit nicht zu viel kaputt geht, bis wir die Pause-Taste wieder loslassen können.

Eine Ebene größer: Ich glaube, nur die wenigsten Probleme gerade sind Corona geschuldet; die meisten gab es vorher. Behalten wir sie im Blick und vergessen sie nicht wieder, wenn Play gedrückt wird.
Krankenpflegerinnen haben nicht mehr Geld, wenn wir ihnen vom Balkon klatschen, sondern wenn wir uns auch im Alltag an sie erinnern und ihnen eine Lobby sind.
Schulen denken nicht digitaler, wenn sie es jetzt hinbekommen, dass ein paar engagierte Kolleginen den anderen Zoom erklärt haben.
Und Kapitalismus-driven Konzerne tun schon immer das, was sie tun müssen: Zuerst mal ihren Aktionären möglichst viel Geld auszahlen ohne an irgendjemands anderes Morgen zu denken.

Da gilt es meiner Meinung nach aufmerksam zu bleiben. Die aktuelle Krise bietet uns allen eine einmalige Chance: Wir haben alle, weltweit alle in Abstufungen das gleiche erlebt. So wie beim 9/11 wird das eine Erinnerung sein, die man nicht erklären muss, eine, bei der das eine Wort reicht. Nutzen wir es diesmal.

*) Ich weiß natürlich: das kein Deutsch, sondern grauenhaftes sauerländisch. Nehmen Sie’s als ironische Referenz an den Landstrich in dem ich lebe.

3.5.2020 – Chronistenpflicht

Ausgeschlafen – Stopp – kurz gearbeitet – Stopp – zum See gefahren – Stopp – Dank Schmerzen im Bein abbrechen müssen (Fork.) – Stopp – nochmal kurz genickert, da offensichtlich doch nicht ausgeschlafen – Stopp – Escape Room gespielt – Stopp – eine sehr nett lange Runde durchs Städtchen gelaufen und dabei keine Schmerzen mehr und das Schrittziel erreicht – Stopp – kurz gearbeitet und eine E-Mail geschrieben* – Spargelrisotto, Alias.

In der Stadt hatte jemand zwei Enten geparkt.

*) also: So eine echte Mail. Mit privater Unterhaltung, nicht geschäftlich. Das ist echt selten geworden, oder?

2.5.2020 – über Panikattacken

Ich muss Ihnen heute kurz was über Panikattacken erklären.

Die gehen (etwas vereinfacht) nämlich so: In unser aller Stammhirnen gibt es als eine der ältesten Reaktions-Möglichkeiten auf neue Situationen die Entscheidung Fight or Flight.
Heißt: Es kam etwas (einer vom anderen Stamm oder ein Säbelzahntiger?) um die Ecke und unsere Vorfahren mussten sehr schnell entscheiden: Weglaufen oder bekämpfen? Um schnell genug beides umsetzen zu können wurde der Körper blitzartig vorbereitet: Adrenalin hoch, Blutdruck und Herzschlag an Flucht oder Kampf angepasst, externe Gliedmaßen schlechter durchblutet.

Evolutionär hat der Mensch in den Jahrtausenden noch mehr Reaktionen auf alle möglichen Situationen gelernt – was ja heute auch ganz praktisch ist, weil es im normalen Leben extrem dumm auffällt, wenn bei allem möglichen entweder wegrennt oder draufhaut.

Hat man jetzt aus beliebigen Gründen eine Angststörung, dann kann es passieren, dass diese anderen Möglichkeiten ignoriert werden und Psyche und damit Körper sich bei allem möglichen nur an die eine Möglichkeit erinnern.
Gleichzeitig weiß der Rest des Hirns irgendwie schon, was gerade gesellschaftlich angemessen ist – dass man zum Beispiel in der Schlange an der Kasse weder laufen noch draufhauen sollte. Man bleibt also brav stehen – aber im Körper gehts dummerweise trotzdem ab. Blutdruck, Herzschlag, Durchblutung – das ganze Programm.

Jetzt beginnt Problem zwei: In der passenden Situation würde man diese köperlichen Reaktionen gar nicht wahrnehmen – denn beim Laufen oder Kämpfen ist das passend und richtig und wir sind ja auch beschäftigt.
Stehe ich aber in der Schlange, dann nehme ich das alles wahr. Kalte oder sogar kribbelnde Finger (die Durchblutung!), Herzrasen, Blutdruck, verkürzter Atemrhythmus. Kein schönes Gefühl, sondern eher ein unangenehmes. Und eventuell macht das auch ein bisschen Angst.

Und dann – Hurra! – befindet man sich in einer sich selbst verstärkenden Schleife, denn die Angst erzeugt Angst und die erzeugt Angst und … Sie sehen, wohin das führt.

Exkurs: Das ganze ist eine anstrengende köperliche Reaktion, die einen schon mal für den halben Tag danach beschäftigen kann. Dem Körper ist nämlich egal, ob er gekämpft hat oder nicht – er war schließlich bereit. Und danach will er sich ans Höhlenfeuer legen und verschnaufen.

Zu mir: An den vielen Montagen habe ich gelernt, damit umzugehen. Es gibt zum Beispiel einen kurzen Moment, bevor das Stammhirn komplett die Kontrolle übernommen hat, in dem ich noch eingreifen kann. Den kann ich inzwischen meist erkennen und nutzen.
Es gibt auch Methoden, der Vernunft die Kontrolle über den Körper zurück zu geben, selbst wenn die Psyche schon in die Schleife einsteigt. Atemtechniken und sowas.

So weit, so ok.

Heute Morgen im Laden merkte ich, dass die neue Maske, die ich trug, mir das Atmen schwer macht. Also: Atemnot & ein chnellerer Atemrhythmus in einer eh anstrengenden Situation, weil das alles mit dem Corona und dem Abstandhalten ja nicht so einfach ist.
Was, wie ich lernen musste für mich bedeutet: Ich steige also an einer vollkommen ungewohnte Stelle in die Schleife ein, ich kann an der Situation an sich ja auch nichts ändern – und jetzt hab ich aber montags mal was zu tun.

Und damit ist alles über den Tag gesagt.

Ps: Ich hab viel Lego gebaut. Das hat mich ganz ok abgelenkt. Holy fork, ist das Ding groß.

ca 50cm lang, Alter.

1.5.2020 – Mayday, mayday!

Gestern hatte es noch irgendwann, als ich so auf der Faszienrolle vor- und zurückrollerte, ganz gehörig geknackt. Und danach bekam ich besser Luft, konnte mich deutlich freier bewegen und mich, wie ich später bemerkte, auch wieder schmerzlos auf die linke Seite legen.
Und schlief dann mal eben achteinhalb Stunden durch. Großartig.
Das Arbeitshirn hatte leider den Feiertag nicht verinnerlicht und wollte gern getrieben sein und sofort hoch rennen. So’n Depp.

Nicht drauf gehört und stattdessen runter gegangen und mir die Legokiste, die irgendjemand auf den Tisch gestellt hatte, angeguckt. Hin- und hergedreht, dran gerappelt, vorsichtig die Pappe hochgeschoben, dann war auf einmal ein Messer in meiner Hand und die Tesastreifen waren durchschnitten. Meine Güte, was eine dicke Anleitung. Sehr respekteinflößend. Aber dann lagen auch schon die ganzen Tüten auf dem Tisch. Gut, dass der recht frei war, da konnte ich mal die Tüte mit den großen Teilen auch aufreißen und auskippen und Teile sortieren. In der zweiten Tüte waren auch hauptsächlich große Teile. Die passte also auch problemlos auf den Tisch … Hm, vielleicht mal richtig Licht und Musik anmachen? Ach ja. Wo ich gerade stand – vielleicht in der Küche schnell ein paar Schüsselchen einsammeln für die ganz kleinen Teile … und, Sie ahnen eh, worauf das raus läuft: Auf einmal hab ich ein paar Stunden Lego gebaut.

Im Hintergrund lief übrigens die ganze Zeit random Joe Satriani und wenn Musik für Sie nicht nur aus Ufffz ufffz oder harten Rhymes bestehen muss, dann empfehle ich den uneingeschränkt. This is one of my favorites:

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Irgendwann mittags sind wir dann – Überraschung! – an den See gefahren, haben mal woanders geparkt und einen anderen Weg gewählt. Quasi von hinten um den großen See – aber nicht ganz, sondern nur ein Stück weit rein und dann wieder raus aus dem Wald.
(Ich habe heute leider kein Foto für Sie)
Und während ich die letzten Jahre zum Jahresbeginn immer nicht nur schlechte, sondern furchtbar schlechte Kondition hatte, bemerkte ich: Einmal am See entlang und dann mit dem Bötchen zurück (das ist das, was man klassisch da am See so tut) – das ist dieses Jahr nicht vollkommen illusorisch. Das war erstens ein geiles Gefühl für einen Schreibtischtäter wie mich und zweitens sowas wie ein neues Ziel. Das schaff ich dieses Jahr noch! Gut, das Bötchen fährt gerade nicht, aber mit einem Taxi oder zur Not mit zwei Autos sollten wir das hinbekommen.
Geiler shize.

Auf dem Rückweg dann dummerweise vom nächsten Freund erfahren, der also mindestens „seit diesen hässlichen Masken“ auf einmal sein Rebellen-Gen entdeckt. Die setzt er aber mal nicht auf!
Freund eins schreitet seinen Weg derweil munter weiter und unterstützt inzwischen eine frisch gegründete Partei, die ich mal nicht mit Namen erwähne.
Ich erfreue mich lieber an der ruhigen Art, mit der Frau Merkel erklärt, was Sache ist …

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… und etwas weniger daran zu lesen, dass wir es noch besser hätten machen können. Aber nun, besser geht immer – und wir sitzen hier immer noch in einem der Länder, die es besser dran haben. Also außerhalb von NRW.

Sorry, der musste sein, Herr Laschet.

Währenddessen erklärt mir Frau Kaltmamsell, warum mir in den letzten zwei Wochen der Mut auch etwas abhanden kommt:

Außerdem stresst mich, dass seit etwa zwei Wochen die erlösende Zeit vorbei ist, in der sich alle Kräfte in Politik und Gesellschaft darauf konzentrierten, die Corona-Krise für alle bestmöglich zu bewältigen. Es war eine schöne Zeit, die mir Zuversicht spendete – obwohl sie im Grunde einem kollektiven Erschrecken entsprang. Doch seit etwa zwei Wochen ist meiner Beobachtung nach alles wie vorher: Partikularinteressen, Befindlichkeiten und handfeste Egozentrik bestimmen Handeln und Entscheidungen.

Vorspeisenplatte: Etwas Regen und schöne Schuhe

Die Liebste guckte sich dann den Joker mal an, während ich mich aus Gründen – danke für den Stups, lieber Leserin! – mal auf saals Fotografenportal rumtrieb.

Percanta zeigte mir ein Video, in dem jemand in bester Origami-Fertigkeit eine Maske aus zwei Stücken Küchenrolle und zwei Gummibändern faltet. Das ist ja auch irgendwie ganz niedlich, ich hab das auch aus Neugierde mal nachgefaltet aber mal im Ernst: Wie soll sich das Ding denn anfühlen, wenn man eine halbe Stunde Kondenswasser aus der Atemluft darunter sammelt? Wie soll ich das Ding desinfizieren? Lieber Kochwäsche oder lieber bügeln? Oder ist das die Notfallmaske? Naja, wenn man raus hat wie’s geht, sollte man sie in zehn Minuten gefaltet haben, aber …
Nee, nee.

Dann nochmal ein bisschen Lego, die Doku über Hannelore Kohl, später SpargelrisottoErbsensuppe und ein paar Folgen Alias Lets Dance. Sie sehen, ich war kurz verwirrt, was die Abendplanung anging.

Ein guter Tag.

30.4.2020 – Pusteblume

Grundgefühl beim Aufwachen: Eine Vorsichtige Zuversicht. Not too shabby nach anderthalb Tagen Panik. (Soviel zum Thema: Nein, Therapie ist nicht nur Gelaber, sondern Therapie kann sehr handfeste Erfolge haben.)

Aufgeräumt. Auf dem Schreibtisch nur noch die aktuellen Projekte, auch in der Inbox nur noch aktuelles. Die vielen Notizzettel zusammengefasst und in den Projektplaner übertragen. Dort steht jetzt (Donnerstag, 8:27 Uhr) ein Projekt bis heute 17:00 Uhr und drei für morgen. Gut machbar. Gutes Gefühl.

Eine der interessantesten Unterhaltungen die ich gerade führe, ist ein Mailwechsel nach Island. Diesen Einblick darein, wie ein anderes Land emotional mit der Situation umgeht, finde ich unfassbar spannend.

Sowieso beobachte ich voller Interesse die verschiedensten Coping-Mechanismen um mich herum:
Die, die exakt so weiter machen wie bisher. Die auf die Frage danach wie es ihnen geht, organisatorisches antworten und denen jeder Pixel genau so wichtig ist wie „vorher“.
Die, die die Situation als Chance sehen und einen Aufbruch fühlen. Alles endlich umwerfen wollen und ihre Chance endlich gekommen sehen und vor lauter FOMO nicht hinterher kommen.
Die, die komplett verstummen, weil sie nicht klar kommen.
Die, die in Verschwörungstheorien abdriften – vielleicht weil sie es nicht aushalten zu merken, dass sie abhängig sind.
Die vielen, die gar keine Zeit haben, über so etwas nachzudenken, sondern einfach nur abarbeiten müssen, was ihnen das Leben vor die Füße geworfen hat.

Nachmittags – surprise, surprise – am See. Wir unterhielten uns die ganze Zeit über Mental Load und was da alles dran hängt. Spannendes Thema – und ich meine das nicht mit dem beobachtenden Blick.
Enten sind übrigens super. Je mehr ich mir Enten angucke, desto supererer finde ich sie. Aber eigentlich geht mir das mit allen Tieren so.

Ich schrieb letztens, dass ich beobachte, wie sich Menschen verändern – das aber noch nicht in Worte fassen konnte. Hier jetzt Versuch eins:
Ich beobachte, dass Menschen in ihr „wahres Selbst“ zurück gleiten. Was ich damit meine: Ich glaube, dass unser täglicher Kontakt mit anderen Menschen uns auch ständig abgleicht: Was ist gesellschaftlich akzeptabel, was ist geduldet, was wird honoriert? Das reicht von Kleidungsstil bis zu den Witzchen, vom Ordungssinn bis zu Essensgewohnheiten – und ich denke, jede von uns weiß, wie man in verschiedenen Peergroups zwischen Job und alten Schulkollegen sanft zwischen verschiedenen Rollen hin und her gleitet.
Jetzt treffen wir die Peergroups nicht mehr, haben keinen Anlass mehr, die verschiedenen Rollen und facetten anzunehmen. Und ich beobachte, wie der Pedant langsam aber sicher wieder pedantischer wird und der Schlunz langsam schlunziger. Die Esotherikerin gleitet weiter ab und der knallharte Neoliberalist wundert sich, wenn er auf Twitter plötzlich mehr Gegenwind bekommt als früher.

Ach ja: Es gibt ein Autokino am See! An unserem See!

Die beiden Beifänge heute zeigen etwas, was ich auch in den letzten Wochen beobachte: Viele sprechen davon, dass „danach“ vieles besser werden wird. Aber nichts beweist so sehr, dass „besser“ immer von der Sichtweise abhängt und selten „für alle besser“ sein wird, wie die Vehemenz mit der die, die vorher angeschlagen waren, die Krise jetzt nutzen, um ihre Pfründe zu verteidigen.

Julia Jaekel: Zurück in der Männerwelt
Das Virus macht nicht nur die Luft klarer, sondern auch die Wirklichkeit im Land: Frauen sind viel weniger weit, als wir gedacht haben.

Silke Hahne: Autobranche in Coronazeiten – Zum Umbruch kommt die Krise
Die Corona-Pandemie hat die deutsche Automobilindustrie schwer getroffen. […] Die Hersteller hoffen nun, dass der Staat ihnen wieder auf die Beine hilft.

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