Früh aufgewacht. Aufgeregt. Man hat ja selten Termine dieser Tage und ich war da schon vorher nicht so geübt drin.
Erstmal das Rebriefing weggeschickt. Ich sah es noch einmal an, und es war gut so.
Ein paar andere Dinge nachgefragt.
Ein Layout angefangen.
Etwas aufgeregt gewesen die ganze Zeit.
Dann mittags die Impfung. Unspektakulär, aber ich muss mich trotzdem beschweren: Ich bekomme jetzt weder Frau Merkel noch Herrn Gates besser rein. Selbst unser Bürgermeister ist nach wie vor kaum zu verstehen. Echt, nicht mal 5G können die hier in diesem Kaff.
Du weißt, Du hast die richtige Hausärztin, wenn Du mit ihr über die Innenseite Deiner Nase sprechen willst, Dir aufgrund von Wortfindungsschwierigkeiten kein Wort einfällt und sie fröhlich „Sprechen wir über Popel, Herr Fischer?“ ruft. (Nein.)
Vor der Tür in eine Diskussion mit einer Impverweigererin gekommen. Sie hatte ja noch nie ’ne Impfe gebraucht und letztens hatte ihr ja jemand erzählt … und im Fernsehen hatte sie auch gehört …
Ihr Verhandlungspunkt wurde allerdings dadurch deutlich erträglicher, dass ich sie traf, als sie die Viertelstunde nach ihrer Impfung noch vor der Tür saß um sicherzugehen, dass keine spontanen Reaktionen eintraten. Frau Doktor hatte den Termin für sie gemacht und dann war sie halt gekommen.
Nachmittags sehr angenehm rumgedümpelt. Bis jetzt zwar exakt gar nichts an Nebenwirkung, aber man weiß es ja nicht – da hatte ich lieber frei genommen. mein Chef ist da ja recht verständnisvoll.
Gleich Sushi zur Feier des Tages.
Nachgedacht
Viel über die soziale Ungerechtigkeit rund um die Impfen nachgedacht. In den letzten Wochen ist gefühlt ein Großteil meines Bekanntenkreises geimpft worden oder hat Termine bekommen. Um an einen Termin zu kommen gab es mehrere Methoden – die beiden wichtigsten: Das berühmte „stundenlange F5-Drücken“ oder man kennt jemanden, der jemanden kennt, der einen Arzt kennt, der sich nicht an die Prios hält oder abends nicht abgeholte Reste an Bekannte verimpft.
Das sind beides Dinge, die man sich leisten können muss. Wer gleitzeitlos an die Stanze oder ins Cubicle muss und keine Ärzte im Bekanntenkreis hat, wartet halt länger.
Und das saugt ganz gewaltig.
Bevor Sie hier Bigotterie vermuten: Ich habe nichts getan, um mich nach vorne zu schieben. Ich bin laut Diagnose meiner Ärztin einfach dran.
Wissen Sie, was mich anstrengt? Dass alle* immer nur dem letzten Glied in der Kette, immer* nur dem jüngsten Aufreger nachlaufen. Dass niemand* mehr versucht, Zusammenhänge zu erkennen oder mal über den kleinsten Tellerrand zu schauen. Beispiel? Warum entlädt sich der Hass, gerade pseudo-vornehm „Impfneid“ genannt, auf die, die geimpft sind und nicht auf die, die falsch geplant haben? Warum schimpft man gegen Lehrerinnen und nicht gegen Kultusministerinnen? Warum bleibt die Wut immer nur beim Mitmenschen hängen?
Ich bin weit davon entfernt, an eine bösartige Weltverschwörung zu glauben, aber hinter manchen Dingen steckt dann doch System. Und eine unbewegliche, stockkonservative Regierung zum Beispiel, die halt ihre Wählerschaft zuerst pampert und impft und denen die SUV-tauglichen Straßen wichtiger sind als die Gesundheit oder die heile Erde unserer Kinder oder andere Wirtschaftszweige, die nicht so alte-Leute-konform** sind wird eine bleiben, die das so macht.
Und ich frag mich dann immer: Warum nicht mal wütend auf die sein? Hint: Dann regieren die uns auch nicht wieder.
*) Jaja, schon klar, „immer“, „alle“, „niemand“, blabla. Sie wissen, was ich meine.
**) Die Gema hat heute Zahlen darüber veröffentlicht, wie viel Verluste die Unterhaltungsbranche im letzten jahr gemacht hat. Spoiler: mehr als die Auto- oder Tourismus-Branche
Zeugs:
Franziska macht in ihrem Newsletter ein paar konstruktive Vorschläge unter dem großen Thema Medienkompetenz und konstruktive Vorschläge find ich immer gut
Mehr Medienkompetenz für Medien […]
Franziska Bluhm Newsletter „Gehen uns bald die Worte aus?“
Emotionalisierung, wenn es wirklich sinnvoll ist
[… und noch einen, aber dafür müssen Sie klicken]
Transparenz-Dings: Ich arbeite für Franziska, bin aber nicht für diesen Link beauftragt.
Johannes feiert sein 20-jähriges Blog-Jubiläum (ich hab meins ja verpennt) und sammelt zu der Gelegenheit 20 Dinge, die er in der Zeit gelernt hat. Und weil er nicht nur meine älteste Internetfreudschaft, sondern auch ein kluger Mensch ist, nicke ich eifrig:
Internetfreundschaften sind genauso gut wie Real-life-Freundschaften […]
Johannes Mirus: 20 Jahre Blogger: 20 Dinge, die ich gelernt habe
Je mehr ich schreibe, desto mehr schreibe ich […]
Blogger/innen sind Menschen, die etwas zu sagen haben […]
Ich lernte Gduld […] Demut […] Mut
Und auch Sue schreibt seit 20 Jahren ins Netz. Und auch sie schaut zurück – auf Instagram, wie man das heute so macht ;) – und am schönsten und treffendsten finde ich diesen Satz:
[…] ich bin froh, dass wir keine Videostreamingplattformen damals hatten; ich bin so froh, dass ich mich damals näher heranschreiben konnte. Eigentlich mache ich das immer noch, ich schreibe mich näher heran, ich verkürze die Abstände mit Worten, und wenn ich sagen sollte, was das Internet seit 20 Jahren zu meiner digitalen Heimat macht, dann sind es immer die anderen Menschen.
Sue Reindke: Mein Schreiben im Netz wird dieses Jahr 20 Jahre alt.
Christian Gesellmann hingegen schreibt erst sehr kurz für die Krautreporter über Feminismus (ok, das war jetzt die heutige Überleitung aus der Hölle) aber er schreibt sehr treffend darüber, was dieser ganze maskulinistische Scheiße mit Männern macht. Ohne Mimimi.
Der Druck, der von unserer Gesellschaft alltäglich auf Jungs und Männer ausgeübt wird, die Stereotype von Männlichkeit zu erfüllen, spielt eine wesentliche Rolle dabei, wenn diese zu Tätern werden. Der gleiche Druck ist es, der Männer unglücklich und krank macht, auch wenn sie, wie die meisten, nicht zu Gewalttätern werden. […] Diesen Widerspruch müssen wir lernen, auszuhalten: Männer sind es, die in einem Patriarchat gegenüber Frauen die größeren Privilegien (oft auch als Abwesenheit von Nachteilen definiert) genießen. Dennoch leiden Männer ebenfalls darunter. Dieser Kreislauf der Gewalt wird nicht enden, wenn wir Männern nicht erlauben, ihre Gefühle zu kennen und auszudrücken. Wenn Männer nicht lernen, zu lieben. Wenn Männer weiterhin den Geschlechterrollen entsprechen müssen, die für sie festlegen: hart und stark zu sein.
Christian Gesellmann auf krautreporter.de: Rollenbilder – Warum Männer Probleme haben, Beziehungen zu führen
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