Neulich in Berlin

Die folgende Satire habe mir gestern beim Einschlafen noch ausgedacht.

Neulich, in einer PR-Agentur, irgendwo in der Haupstadt. An der Wand ein Spruch: „Es gibt keine Krisen. Nur Chancen“. Es sitzen der Chef-PR-Mensch (PR) und ein regierender Politiker (POL) zusammen. Auf dem großen Tisch stehen Laptops, ausgetrunkene Kaffeetassen und ein halbleerer Teller mit noch ein paar Keksen Es liegt Papier herum. Es ist eher dunkel im Raum, aber durch die halboffenen Jalousien fällt das Licht der tiefstehenden Sonne in den Raum und macht hell-dunkle-Streifen auf Tisch und Wände.

  • PR: Lass mich zusammenfassen: Du bist also genervt, weil Dir diese Kindergrunsicherung vollkommen am Hintern vorbei geht und Du willst da nicht so viel Geld reinstecken?
  • POL: (Nickt)
  • PR: Aber Du hast Sorge dass in diesen Zeiten, wo alle ihre soziale Ader entdeckt haben und keiner mehr einfach wie es sich gehört 36 Stunden am Tag mit Papis Geld an guten neoliberalen, ausbeuterischen Finanzgeschäften arbeiten will, nicht so dolle gut ankommt?
  • POL: (Nickt)
  • PR: Hm. (lehnt sich zurück, schweigt, überlegt, beugt sich dann plötzlich vor) Fällt Dir ein Thema ein, was Dich in Summe weniger kostet und auf das alle noch mehr abgehen würden als auf Kinderarmut? Wie wärs … (zögert) … mit dem Elterngeld?
  • POL: (Erschrocken) Was? Willst Du das streichen? Die roasten mich. Kann ich echt nicht machen. Diese Mütter haben doch alle Insta und voll Reichweite und sind total vernetzt – das sind teilweise halbe Promis! Sie machen mir sofort die Hölle heiß. Deswegen will ich ja lieber an die Kindern, die haben echt voll keine Lobby. Da läuft sogar seit Monaten eine Petition, die guckt sich keine Sau an, die krebst immer noch 100.000. (Lacht) Wusstest Du das?
  • PR: Nö, woher auch?

    (beide lachen)
  • PR (Aufgeregt): Aber pass auf, genau deswegen: Du schlägst einfach beim Elterngeld was vor, was Dir gar nicht wirklich Geld reinbringt und was Du deswegen sogar im Extremfall ohne Schaden zurücknehmen kannst. Dann gibts da furchtbar Rabatz und im Schatten davon kannst Du bei der Kindergrundsicherung machen was Du willst.
  • POL: Klingt spannend. Wie wärs, wenn ich die Einkommensgrenze runtersetze? Trifft eh kaum jemanden und (lacht) dann kann ich sogar noch behaupten, ich würde gar keine Klientelpolitik machen?
  • PR: (lacht mit) Genial, noch eine Fliege mit der gleichen Klappe geschlagen!
    Aber (wird ernst) hier, wichtig: Dann müssen wir nur noch dafür Sorgen, dass diese Nebelkerze wirklich hohe Wellen schlägt. Da brauchen wir dann mal eine Petition, aber die muss sofort richtig losgehen! Halbe Million nach drei Tagen oder so! Richtig Bambule mit Presse, Promis an Bord, alles was geht!
  • POL: Keine Sorge, wir haben da eine Influenzerin, die arbeitet eh mit uns zusammen. Den Rest regelt dann der Mark… äh, das Internet.
  • PR: Super! So machen wirs? Jawoll, so machen wirs! Macht dann 10.000 € für den Tag heute.
    Wie immer.
  • POL: Wie immer. Dank Dir!
  • PR: Immer gerne. (tippt www.porsche.de in den Browser auf dem Handy)

Alle handelnden Personen sind frei erfunden.

Sie lesen abseits des üblichen Tagebuchblog-Betriebs auch gern mal so eine Geschichte? Sie möchten sich bedanken? Hier steht die Kaffeekasse und wenn Sie finden, Geld riecht unangenehm, dann freue ich mich auch über Überraschungspost von der Wishlist.

1 Kommentar

  1. Ja, so ungefähr. Die Diskussion dazu lässt Schrödinger in die Hände klatschen:

    Ein Paar, perfekt gleichberechtigt, beide je ca. 8000€ brutto, bekommt ein Kind. (Was muss man studiert haben, um im Familienplanungsalter, also eher U40, dieses Gehalt zu haben? All die Hannas im Unibetrieb oder Menschen in Pflegeberufen haben das nicht. Plötzlich alles Aufsichtsrätinnen.)

    Mit Elterngeld ist es total ok, dass die Frau während der Elternzeit nur 1800€ im Monat bekommt statt ihres bisherigen Gehalts. Sie bleibt unabhängig, emanzipiert, gleichberechtigt.
    Der Mann kann es sich aber keinesfalls leisten, länger als die 2 Mindestmonate Elternzeit zu nehmen, weil 1800€ einfach zu wenig ist, selbst wenn sie in der Zeit berufstätig ist.

    Ohne Elterngeld wird sie aber zum Muttitier, zum Heimchen am Herd und wird wohl nie wieder wirtschaftlich auf eigene Beine kommen. Die Familie kann sich ihre Wohnung, die Autos ud Urlaube nicht mehr leisten.
    Die 1800€, die einerseits hinten und vorne nicht reichen, sind aber existenziell für die Finanzplanung der Familie. 8000€ brutto (des arbeitenden Elternteils, zuvor mit beiden waren es 16000€), aber die Finanzen so auf Kante kalkuliert, dass es auf 1800€ Elterngeld ankommt.

    Unabhängig davon halte ich es für ein fatales Signal, bei Familien mit kleinen Kindern den Rotstift anzusetzen, selbst wenn es sehr wohlhabende Familien sind.

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