Medienkonsum IV 2025

Adolescence
4-Folgen-Serie auf netflix geguckt. Dummerweise hatte ich vor dem Gucken gelesen, es sei „die Serie, die endlich beweist, dass man Kindern das Internet wegnehmen muss“ und dann begleitete mich dieser dumme Satz erst ein paar zu lange Minuten. Und dann begann ich zu zweifeln, ob wir die gleiche Serie schauten. Wir sahen nämlich eine Serie, die den brutalen Gap zwischen dem, wie Kinder heute leben und was ihre Eltern darüber denken, thematisierte. Und die Härte, der Jugendliche heute ausgesetzt sind. Und die Hilflosigkeit der Eltern, sie zu unterstützen, die Hilflosigkeit gerade der Männer, mal mit ihren Emotionen umzugehen – und wie das wiederum die Situation der Kinder noch verschlimmert.
Gut, wenn man sehr, sehr, sehr eingeschränkt denkt, dann kann man daraus folgern, dass alles wieder gut wird, wenn wir Kindern das Internet wegnehmen. Oder wenn man wieder auf die Bäume geht? Oder vielleicht zurück ins Wasser, Entschuldigung, ich gleite ab. Filmisch phantastisch in vier One-Shot-Folgen gedreht mit wirklich beeindruckenden Schauspielerinnen – vor allem der 13-jährige Hauptdarsteller, der in einer Quasi-Kammerspiel-Folge nur mit einer zweiten Person eine Stunde alleine bestreitet – wow.

Rosenthal
Film, in der ZDF Mediathek geguckt. 1978 soll Hans Rosenthal – für die jüngeren: Einer der bekanntesten Moderatoren der damaligen Zeit – die Jubiläumsfolge seiner Spielshow Dalli Dalli am ausgerechnet 9.11. moderieren. „Ausgerechnet“, weil es auch der 40. Jahrestag der Novemberpogrome und Rosenthal in seiner Funktion als Mitglied des Direktoriums im Zentralrat der Juden in Deutschland für die Gedenkfeier eingeplant ist und man dort natürlich davon ausgeht, dass er als Jude an diesem Tag keine fröhliche Spielshow moderieren wird. Aber die Programmplanung des ZDF war damals heilig und es ist ja auch langsam mal gut, wir können ja noch ne Rede vom Kanzler ins Spätprogramm nehmen.
Auf der einen Ebene ein faszinierender Blick auf einen jüdischen deutschen Showmaster, der zwischen diesen Ansprüchen fast zerbricht, zum anderen aber auch auf eine Gesellschaft, die 40 Jahre später exakt gar nichts aufgearbeitet hat. 87 Jahre später übrigens auch nicht, aber das überrascht hier doch nun auch niemanden.

The 50
Reality-TV-Show, auf prime geguckt. Ja, Trash-TV ist und bleibt unser guilty pleasure und ich erwähne dieses „Format“ hier nur, weil man selten so schön zusehen kann, wie The Brotherhood Of Men funktioniert. Der Sieger der letzten Staffel war nämlich wieder da und sonnte sich in seiner Hybris: Er wusste schließlich, wie der Hase lief und bestimmte, dass es nun hieße: „Männer gegen Frauen“ – denn die Frauen hätten sich ja gegen die Männer verbündet. War zwar nicht so, eher hatten sich in der ersten Staffel die Frauen gegen die Männer verbündet, nachdem die Männer offen kommunizierten, dass sie sich gegen die Frauen zusammen getan hatten aber nun denn. Die gängigen Mitläufer, Speichellecker und Wannabe-Leader, die man immer im Schlepptau von Arschriesen, Narzisten und anderen soziopathischen Bullies sieht, liefen ihm bereitwillig hinterher – ohne zu checken, dass sie selbst so nicht gewinnen würden.
Exakt so läufts in jedem anderen Männerklub auch, aber selten kann man so schön zusehen.
Ohne zu spoilern: Sein Spiel wurde gestoppt, man sieht ein paar Minuten des puren, blanken Hasses in seinem Gesicht, versteht, wann Femizide passieren und schaut danach zu, wie Frauen (und ein netter Restmann) ohne Hass in einem Spiel mit- und gegeneinander spielen können.

Alien
Klassiker, im Fernsehen gesehen. Meine liebste Zusammenfassung des Films ist ja: „Hätten sie auf die Frau gehört, wäre fast nichts geschehen“ und vermutlich stimmt das. Wir waren beide der festen Überzeugung, den Film schon gesehen zu haben und stellten dann fest, dass das a) nicht so war, b) wie unklug das von uns war und c) wie klug, dann immerhin jetzt mal die Gelegenheit zu ergreifen.
Ausgestattet mit heutigen Sehgewohnheiten passiert sehr wenig in dem Film, aber das was passiert, das passiert gründlich.

Neurodiversität · Wie normal ist anders?
Doku, in der ARD-Mediathek gesehen. Schaut man sich um, dann sollte schnell klar sein, dass kein Mensch wie der andere ist und deswegen auch keine wie die andere denkt. Für die aber, deren Gehirn außerhalb eines gewissen, gesellschaftlich akzeptierten Norm-Bereichs arbeitet, gibt es inzwischen den Begriff Neurodivergenz – was schon ein Fortschritt ist, denn früher hieß es hochsprachlich „abnormal“ oder „krank“ oder umgangssprachlich „lulu“ oder „bescheuert“. Die Doku, geführt von einem Menschen aus dem autistischen Spektrum, besucht Menschen mit verschiedenen Neudivergenzen und … – ach gucken Sie einfach selbst: Es ist eine der besten, die wir so sahen.
Auch wenn der Titel ein bisschen doof ist – ich kann ja nicht mehr so gut auf die Worte „normal“ und „anders“, seit anders wieder in Lagern landet.


Angefangen:

Der unsichtbare Dritte
Auf prime geliehen. Ich konnte mir die Geschichte eines Mannes, der plötzlich für einen anderen gehalten und in eine Geheimdienstgeschichte gezogen wird exakt so lange aus, bis das Verhalten aller anderen ihm gegenüber zum Gaslighting kippte, aber die Liebste sagte sowas wie „was ein geiler Film“.
Vermutlich hab ich‘s deswegen so gefühlt.

Fynn Kliemann — Ich hoffe, Ihr vermisst mich.
In der ARD-Mediathek gesehen. Kurz begonnen, aber ich ertrage die Freude nicht mehr, in der wir hier in Deutschland Häme über die ausschütten, die wir haben fallen sehen, nachdem wir sei zu hoch gehoben haben. Ich ertrage es noch weniger, dass diese Häme aus der Yellowpress bis in den ÖRR geschwappt ist. (Beweisstück eins dafür, dass sich Denken verändert, wenn man einfach lang die Grenzen immer weiter treibt)

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8 Kommentare

  1. „Adolescence“ – ja; wer aus der Serie den Schluss zieht, dass Internet für Jugendliche zu verbieten hat nichts verstanden. Ich glaube aber da spielt eben die Diskussion, Social Media für Unter-16jährige zu verbieten, die überall geführt wird derzeit, auch mit rein und man ist schnell dabei zu rufen: „Bestätigt ja gerade diese Serie“. In UK will man die jetzt an Schulen zeigen. Als wüssten Kinder das nicht, was da abgeht. Man sollte sie eher auf Arbeit Eltern zeigen – und dann aufklären, wie man Kids richtig begleitet und mit ihnen über die Dinge redet. Sehr gut ist da bspw die Rolle des Polizisten-Vaters in der Serie, der 90% der Eltern personifiziert: keine Ahnung, Ignoranz, falsche Schlussfolgerungen.
    Ich frage mich immer bei der Diskussion um „Social Media erst ab 16“, was am 16. Geburtstag dann plötzlich anders sein soll – wo soll da plötzlich die Fähigkeit her kommen, dass man all dem gewachsen ist? Es fehlt an Stärkung von Medienkompetenz an Schulen und an Interesse bei Eltern. Aber hey; in unserer Generation haben unsere Eltern so vor uns & dem Fernseher oder uns und „Killerspielen“ gestanden – nur hat keiner davon uns gemoppt oder erklären wollen, dass Morden oder Frauen wie Dreck behandeln wirklich okay ist.

    1. d’accord, mon capitaine.

      Ich fürchte, es gibt da in vielen Köpfen so eine romantisierte Vorstellung „wenn sie nur in den ersten 16 Jahren genug auf Bäume geklettert, genug kleine Dämme am Bach gebaut und genug gut riechende Bücher gelesen haben, dann brauchen sie den ganzen Mist nicht mehr wirklich
      Anders kann ichs mir nicht erklären.
      Oder die Angst davor, dass man ja sonst Medienkompetenz vermitteln müsste (und man sich eingestehen müsste, dass man die selbst nicht hat) ist so groß, dass der Kopf einfach nur ganz tief in den Sand muss.

  2. Ich weiß nicht… Findet ihr, dass dann auch Alkohol und Zigaretten für Jugendliche erlaubt sein sollten und die Eltern das halt in den Griff kriegen müssen? Ein Verbot hat einfach einen anderen Stellenwert als Eltern, die sich den Mund fusselig reden beim Versuch, ihren Teenagern gewisse Dinge nahezubringen. Und klar, ein Geburtstag macht nicht schlagartig alles besser, aber das ist bei Alkohol und Zigaretten nicht anders.

    1. Ich verstehe den Gedanken, aber ich sehe auch gewisse Unterschiede. Vor allem den: Niemand braucht Zigaretten oder Alkohol. Es kann Spaß machen, es kann entspannen, whatever – aber BRAUCHEN: Nein. Niemand.

      Aber alles, was ich mal unter „Digitales“ zusammenfassen möchte – das brauchen wir heute. Ob das gut oder schlecht ist sei dahin gestellt, aber heute ein Leben ohne digitale Medien zu führen bedeutet, sich einen Großteil der eigenen Teilhabemöglichkeiten zu nehmen.

      Bzw bei einem Verbot: Ihn den Jugendlichen zu nehmen.
      Und meine Erfahrung mit (nicht den eigenen) Kindern ist doch: Wenn Du es beim Kind nicht schaffst, eine Grundlage zu legen, dann wirst Du es einer 16-jährigen nicht mehr beibringen. Oder?

  3. Uff, jetzt habe ich einen langen Rant wieder gelöscht. Kurzfassung: Ich stimme Thomas zu – es fehlt an Stärkung von Medienkompetenz, und zwar überall. Das nur den Eltern zu überlassen und dann zu sagen „joah, da habt ihr halt verkackt“ ist ein bisschen kurz gegriffen und hilft niemandem. Eine Altersbeschränkung als Ergänzung fände ich gut, weil das als externer Faktor den Druck aus der Eltern-Kind-Beziehung nehmen würde. Wie im Kino: Der Film ist erst ab 12 oder 16, sorry, da brauchst du mit mir nicht zu diskutieren!

    1. Warum Rant, warum, wogegen? Lasst uns ranten, lasst uns schimpfen – wer sich nicht aufregt, schaut nicht hin!

      (Zur Klarstellung: ich sehe absolut nicht, dass man mit irgendetwas davon Eltern alleine lassen sollte, dass man es aber viel zu sehr tut. Da wo ich zB Einblick in Schulen habe, da geschieht exakt überhaupot keine Stärkung der Medienkompetenz in diesem Sinne und da sst blamabel, liegt aber (da wo ich Einblick habe) an der vollkommen mangelnden Medieninkompetenz der Lehrenden und den lachhaft veralteten Curriculae.)

  4. Guten Morgen, da kam das offline-Leben dazwischen und jetzt habe ich keine Lust mehr, mich hier aufzuregen. Es ging darum, dass ich als Elternteil mich tatsächlich alleingelassen fühle und man mir dann noch Vorwürfe macht, dass ich halt zu blöd war, meine Kinder zu erziehen. Aber wie gesagt – echtes Leben, hier müssen jetzt Leute in die Schule und zur Arbeit, nix für ungut.
    (Übrigens, das „benachrichtige mich über Kommentare“-Häkchen tut nichts, ich bekomme jedenfalls keine Nachricht.)

    1. Du hast meinen Kommentar so verstanden? Das tut mir sehr leid, der war absolut nicht so gemeint.
      Was ich da sagen wollte, war: Ich stelle mir vor, dass, wenn Jugendliche erst mit 16 auf soziale Medien losgelassen werden und es vorher gar keinen Kontakt dazu gab, dann stelle ich es mir als Familie schwierig vor, in dieser Phase der Pubertät ein neues Thema zu beginnen – wenn es vorher mangels Notwendigkeit darüber noch keinen vertrauensvollen Austausch gegeben hat.
      Andersherum: wenn Eltern und Kinder schon seit Kindheit einen guten gemeinsamen Umgang auch zu diesem Thema haben, dann stelle ich es mir leichter vor, den eine ganze Kindheit und auch durch die Jugend zu behalten.
      Das als Idee, warum ein Verbot bis 16 imhon auch Nachteile hat.

      Insgesamt fürchte ich, dass wir uns zu Recht vollkommen einig sind, wie absolut Eltern da alleine gelassen werden. So wie bytheway auch Lehrkräfte alleine gelassen werden, denn die bekommen auch keine Unterstützung.
      Und so wie wir alle alleine gelassen werden zB damit dass es keine Regulierung gibt und die großen Netzwerke quasi ihre eigenen Regeln aufstellen und zB jeden Brustansatz rauswerfen, aber Gewalt und Hass als „Meinung“ stehen lassen.

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