WordPress Internetseiten vs. Websites

2017 schimpfte ich das erste Mal so richtig lang und ausschweifend über WordPress. Das ist jetzt fast auf den Tag genau vier Jahre her – Zeit für eine neue Bestandsaufnahme. Und einen neuen Rant?
Damals bemängelte ich vor allem, dass WordPress von zu vielen Menschen als Allheilmittel und als Lösung für „ich will schnell eine Website“ gepriesen wurde. Daran hat sich natürlich überhaupt nichts geändert, denn Menschen die glauben, sie hätten eine eierlegende Wollmilchsau entdeckt, nur weil sie selbst etwas halbwegs begriffen haben, die ändern sich ja selten.

WordPress hingegen hat sich sehr geändert.

Ich hole kurz aus:
Kurz bevor ich darüber schimpfte, dass ein Blogsystem ohne größeres Nachdenken für jede Art von Website benutzt wird, kam Elementor auf den Markt. Elementor ist eine Erweiterung für WordPress, die es erlaubt, fast ähnlich einem Design-Programm innerhalb von WordPress Seiten zu gestalten und zu entwickeln. Also so ähnlich, wie es früher auf dem heimischen Rechner installierte Programme wie GoLive, Dreamweaver oder NetObjectsFusion taten – nur eben als Erweiterung für WordPress.
Nicht schlecht, so auf den ersten Blick.

Die Probleme kommen dann auch erst auf den zweiten …

Zum einen gilt – wie überall – das Problem, dass man eine komplexe Angelegenheit nicht vereinfacht, in dem man eine Klickibunti-Oberfläche darauf setzt und ruft, dass jetzt alles ganz einfach ist.
Web-Entwicklung ist eben mehr als eine Oberfläche zu gestalten und das konnten schon GoLive & Co nur schlecht verbergen. Und Elementor und ähnliche eben auch nicht.
Und so entstanden die meisten Elementor-Sites die ich kenne so, dass die Betreiber oder die „Webdesigner“ ein fertiges Theme für Elementor nahmen und es an die eigenen Vorstellungen anpassten. Hier ein Farbe ändern, da eine Schrift, dort vielleicht ein Bildchen weg.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Das hat seine Berechtigung für Menschen die kein Geld ausgeben möchten, die viel Zeit oder weniger Ansprüche haben und die nicht von ihrer Website leben wollen.

Und zum anderen: Googlen Sie mal nach „Elementor Page Speed“. genau: Eine Menge Ergebnisse. Und das hat seinen Grund. Aber nicht nur die fertigen Seiten sind eher langsam – ich persönlich finde auch die Bedienung von Elementor so, als würde ich versuchen mit einem Glas Honig auf dem Joystick Super Mario lenken wollen.
Google aber findet, dass die Ladegeschwindigkeit einer Website ein wichtiges Kriterium dafür ist, wie gut die Site ist. Und wie gut die Site ist, ist für Google ein wichtiges Kriterium dafür, wie weit vorne sie in den Ergebnis-Listen angezeigt wird.
(Man kann diese Geschwindigkeit übrigens bei Google messen)

Und dann kam Gutenberg

Ende 2018 veröffentlichte WordPress die Version 5.0 und damit kam der neue Block-Editor. Viele hassten ihn sofort mit großer Inbrunst und installierten schnellstmöglich den Classic-Editor – ein PlugIn, das den Block-Editor wieder durch den altbekannten Editor ersetzt. So konnten und können sie weiter WordPress so nutzen wie früher. Da das Projekt Gutenberg leicht der eigenen Zeitplanung hinterher hängt, wird das wohl auch noch eine ganze Zeit lang gehen.

Der Block-Editor ist übrigens nicht Gutenberg, sondern nur ein Teil eines größeren Umbaus, der alle Bereiche von WordPress erreichen wird und Anpassungen an allen Stellen möglich machen wird. Genau: Anpassungen auch an Stellen, die sonst nur – nach ansteigender Komplexität sortiert – mit dem Theme-Customizer, Elementor und ähnlichen, einem Child-Theme oder einem komplett individuell programmierten Theme möglich waren.

Wer sinnentnehmend lesen kann, fragt sich: Dann werden Elementor und Co. ja eigentlich überflüssig?
Ja. Hihi.
Bevor ich da zu weit einsteige – denn eigentlich habe ich etwas ganz anderes im Hinterkopf gehabt, als ich lostippte: Annette Schwindt hat vor ein paar Tagen zu diesem Block-Thema einen ganz hervorragenden Artikel zu geschrieben.

Stand März 2021 also:

WordPress hat mit dem Projekt Gutenberg einen großen Schritt in Richtung CMS mit vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten gemacht.

Und warum ist Christian immer noch nicht glücklich?

Ja, die Frage stellt sich: Seiten mit Blocks laden schnell, das bei Annette erwähnte Theme GeneratePress habe ich selbst schon bei Kundinnen eingesetzt, um Elementor aus der Seite zu verbannen und damit hübsche und schnelle Sites umgesetzt.
Was also macht mich unzufrieden?

Ich finde immer noch, eine Website ist mehr als eine Sammlung einzelner Seiten, die man über ein Menü am Kopf der Seiten aufrufen kann. Sondern eine kluge Verknüpfung von Informationen, die auf Seiten abgebildet werden. Und das bildet diese ganze Entwicklung nicht ab. Und versteckt es vor uns.

Häh?

Ok, ich versuchs mit Beispielen:
Zunächst das Negativ-Beispiel, das was ich nicht meine:
Eine Kundin kommt zu mir und braucht „eine Website, aber nicht viel, nur ein paar Seiten: Halt „Start“, „Über uns“ und dann noch unsere „Produkte“ und „Kontakt“ halt. Vier Seiten – das reicht doch.“ Wenn ich da nicht noch Ideen pflanzen kann, dann entsteht dann eine typische Mini-Website mit vier Unterseiten. Jede dieser vier Unterseiten ist unabhängig von den anderen und eigentlich hätte man auch den Firmenflyer einscannen und hochladen können.

Oder so:
Ich kann Ideen pflanzen und im Backend des CMS sieht man hinterher folgendes: Eine kleine Produktdatenbank und eine kleine Datenbank mit allen Teammitgliedern. Dazu eine Start- eine Kontakt- und eine Über uns-Seite.
In der Produktdatenbank sind die Produkte nach Einsatzzweck kategorisiert und man kann bei jedem Produkt passendes Zubehör und verwandte Produkte auswählen.
In der Team-Datenbank kann man bei jedem Team-Mitglied die von ihm betreute Produktkategorie ankreuzen.

(Nein, das ist kein WordPress. So kann das zB in ProcessWire aussehen.)


Im Frontend – also in dem was Besucherinnen später sehen – entsteht so ein Produktkatalog, der wenn man ihn ausdrucken wollte, vielleicht 30-40 Seiten hätte. Mit sortierbaren Tabellen und aussagekräftigen Produktseiten. Zu jedem Produkt gibt es einen Ansprechpartner mit der direkten Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Auf der Teamseite stehen nicht alle Kontaktmöglichkeiten, dafür bei jedem Teammitglied noch ein kurzes Statement zur Firma. Auf einem Störer auf der Startseite steht immer das aktuellste Produkt. In der Seitenleiste immer das günstigste. Im Footer gibt es für Besucher, die schon mehr als zweimal da waren einen Bereich „kennen Sie schon“ mit Produkten, die seltener angefragt werden und einen Link auf eine Seite mit dem second-level-support, die man nicht im Menü und als Erstbesucher gar nicht findet. Man kann sich da viel ausdenken.

Denke ich jetzt aber nur in einzelnen, voneinander unabhängigen Seiten, die ich alle einzeln anlegen muss, dann ist das unüberschaubar viel Arbeit mit zig Fehlerquellen. Und wenn mal ein Teammitglied wechselt, muss ich alle Seiten durchgehen und Bild und Texte austauschen – und eine Seite vergesse ich dabei bestimmt.
Habe ich aber im Backend nicht Seiten, sondern Informationen klug angelegt und die dann auf Ausgabeseiten verknüpft, dann reicht es im Backend an exakt eine Steller die Daten und das Bild der neuen Mitarbeiterin anzulegen. Und 40 Produktseiten aktualisieren sich von selbst.

Ja, das meine ich, wenn ich sage: Eine Website ist mehr als eine Sammlung statischer Seiten.

Ironie des ganzen: Eigentlich ist ein Blog mit seinen unendlich vielen Möglichkeiten, Artikel zu kategorisieren und zu verknüpfen ein Paradebeispiel für eine solche gute Website. Aber WordPress geht mit seinem seitenorientierten Ansatz meiner Meinung nach davon immer weiter weg.
Und Menschen, die so ein WordPress von ihren Webdesignern bekommen, lernen nichts über diese vielen großartigen Möglichkeiten.

Und das macht in meinen Augen das Web sehr viel langweiliger.
Ach ja, eine Bemerkung am Rande: Google liebt Blogs nicht, weil sie mit WordPress gemacht sind. Google liebt Blogs, weil sie Informationen so vielfältig verknüpfen.

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