8.6.2012: Smells like teen spirit

Silenttiffy schreibt über ihre erste Begegnung mit »Smells like teen spirit« und ruft auf, mitzumachen. Da kann ich doch nicht nein sagen.

Anfang 1991 hatte ich Abitur gemacht, das knappste Abitur seit langen und für lange an dieser Schule. Egal. Mein Jahrgang hatte sich in alle Winde zerstreut und nur ich wartete noch auf meine Zivildienst-Stelle – die Arbeit dort sollte erst im Dezember beginnen. Im Sommer hatte ich ein paar Monate im nächsten Supermarkt Regale eingeräumt und Handtücher verkauft, Ende des Sommers war meine Freundin, meine erste so-richtig-feste Freundin, zum Studieren weggezogen und wir versuchten das Konstrukt »Fernbeziehung« aus. Ging so mittelgut.
Die freie Zeit – und ich hatte viel davon – saß ich auf dem Dorf fest, hasste mich mit meinen Eltern an und wurde so langsam richtig wütend. Auf die Welt, auf das Leben, auf dieses verfickte Drecksdorf, auf alles.
Lichtblick: Mein Haare waren endlich lang, das machte das Ding mit meinen Eltern aber auch nicht besser.

Ebenfalls im Spätsommer hatte ich ein paar Menschen aus dem Jahrgang unter mir – die Menschen, mit denen man sonst nicht so viel zu tun hat – kennen gelernt, eine von ihnen hatte einen älteren Freund und der ging ins Rockpoint.

Bei uns in der Umgebung gab es zwei akzeptable Diskos, eine schlimm, eine ganz schlimm.
Das Point und das Rockpoint.
Die eine war in einem ehemaligen Pornokino beheimatet, und von meinen Eltern hatte ich gelernt, dass dort nur Drogensüchtige verkehrten. Und dass man quasi sicher sein konnte, dort über eine in die Cola geschüttete Dosis Heroin auch als Junkie wieder heraus zu kriechen – sollte man den Fehler begehen, sich dort hineinzuwagen.
Das war die schlimme Disko, das war das Point. Über die andere hörte man gar nichts, man erntete nur finstere Blicke, wenn man den Namen aussprach.

Im Point war ich schon länger hin und wieder zu Gast, drogensüchtig war ich noch nicht, aber Wave-Musik war nicht so meins.
Nun also jemand, der ins Rockpoint ging. Ich ging mit.

Ein vergammeltes Bistro, ein düsterer Vor- und dann ein Hauptraum. Klein, niedrig. Erleuchtet nur von den Lampen hinter der Theke und einem einzelnen armseeligen Spot, der müde eine kleine Spiegelkugel beschien. Und von den zuckenden Aussteuerungsanzeigen von vielen Endstufenverstärkern hinter einem Stahlgitter. Wirklich vielen Endstufen, und es war der lauteste Ort, an dem ich je war.

Viele Punks, viele Metaller und die friedlichste Stimmung, die ich je erlebt hatte.

Die Musik war so wütend wie ich und ich fühlte mich das erste Mal seit vielen Wochen zu Hause.
Und dann hörte ich das erste Mal im Leben die vier Powerchords. Here we are, now entertain us.
Vier Minuten dreißig später war ich sehr nassgeschwitzt und sehr glücklich. Und über Jahre jeden Freitag und jeden Samstag im Rockpoint.

An meinen zweiundzwanzigsten Geburtstag steckte sich Kurt Cobain eine Schrotflinte in den Mund und drückte ab.

With the lights out it’s less dangerous.

Dieser Artikel wurde zuerst am 8.6.2012 veröffentlicht im jawl, meinem alten Blog. Das jawl ist geschlossen aber diesen Artikel wollte ich gern behalten und habe ihn deswegen in ein Archiv alter Artikel aufgenommen.

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