Dieser Artikel wurde zuerst am 28.9.2011 veröffentlicht im jawl, meinem alten Blog. Das jawl ist geschlossen aber diesen Artikel wollte ich gern behalten und habe ihn deswegen in ein Archiv alter Artikel aufgenommen.
Miles Dewey Davis III. * 26. Mai 1926 † 28. September 1991
So ca. in der Zwölf (ja, Opa erzählt wieder vom Krieg) bildete sich bei uns im Jahrgang eine kleine Clique, die sich unter anderem dadurch von den anderen abheben wollte, dass sie „bessere“ Musik hörte. Gut, das war zu der Zeit als Stock, Aitken und Waterman die Grenzen steckten nicht besonders schwer, aber trotzdem.
Gut abheben kann man sich ja mit Jazz, also mit diesem Zeugs, was auch den meisten Erwachsenen einen seltsamen Zug um die Lippen zaubert.
Ich weiß gar nicht mehr genau, warum Miles Davis auf meinem Schirm auftauchte, aber irgendwie wusste ich, dass er wichtig war, bervor ich den ersten Ton von ihm gehört hatte.
Die erste Platte, die ich von ihm hörte war die »You’re under arrest«. Beim ersten Stück brüllte Sting irgendetwas spanisches ins Mikro und mit Michael Jacksons »Human nature« und mit Cindy Laupers »Time after time« waren gleich zwei Coverversionen von reinrassigen Popsongs auf dem Album – vermutlich war das also eine sehr angenehme Einsteigerplatte. Gleichzeitig waren es genau diese beiden Stücke, die mir eine Ahnung machten, was Jazz sein kann.
»Time after time« ist von Frau Lauper schon vorher ein wirklich hübsches kleines Popliedchen, aber wenn Miles es gespielt hat, dann hat es gestrahlt.
Und »Human nature« habe ich erst von Miles gekannt und ich habe mich schlichtweg nur gelangweilt, als ich das erste Mal das Original des King of Pop hörte. Jackson-Fans halten es für eins seiner besten, habe ich mal gehört. Tja.
Ich habe dann begonnen, über Miles zu lesen – das war ja vor dem Internet, das war nicht so einfach – und habe etwas über die verschiedenen Phasen und Stile zwischen Bebop und HipHop gelernt, die er so gespielt und beeinflusst hatte. Habe auch gelernt, dass seine Pop-Phase – also die, die ich gerade so erlebte und mochte – dass die von den Jazzpuristen sehr gehasst und verachtet wurde. Als gesunde Gegenreaktion habe ich damals eine tiefe und bis heute anhaltende Abwehrhaltung gegen Jazzpuristen entwickelt.
Ich habe dann noch ein paar weitere der aktuelleren Alben gekauft auf Cassette gehabt und im Frühjahr 1991 sogar noch die Gelegenheit gehabt, Miles live zu sehen.
Schon vorher hatte ich gewusst, dass seine Musik für mich auch immer ein Ausloten meiner Grenzen war, dass es immer wieder Zeug gab, was mir einfach zu hoch, zu hudelig und zu anstrengend war. Aber genau das habe ich auch geliebt – das Wissen, dass es da immer noch mehr gab, dass es immer noch weiter gehen konnte, dass es da noch immer etwas zu entdecken gab.
Das Konzert war dementsprechend sicherlich großartig, aber es hat mich auf auf eine gewisse Art und Weise auch gut überfordert. Voll egal. Ich habe Miles live gesehen.
Ein halbes Jahr später ist der Prince of Darkness dann gestorben.
Später, als es dann das Web gab, habe ich angefangen zu jeder CD, die ich so bestellte eine Miles-CD dazu zu bestellen. Ich habe im Web und auf Papier mehr gelesen, ich habe eine Biographie auf DVD gesehen und flennend wie ein kleines Kind vor dem Fernseher gesessen, wenn in dem Film jeder seiner alten Freunde irgendwann in seinen rauh-flüsternden Tonfall verfiel und ihn beim Erzählen seiner persönlichen Lieblingsanekdote imitierte. Weil sie ihn alle so sehr verehrt hatten.
Meine persönlichen Lieblingsgeschichten, die ich auch gerne benutze, um anderen Menschen wenigstens ansatzweise meine Liebe zu erklären, sind zu einen die, wo er beim amerikanischen Präsidenten eingeladen war – zu einer Zeit als Schwarze im weißen Haus noch keine Selbstverständlichkeit waren. Prompt fragte ihn dann auch eine Senatorengattin, was ER denn bitte hier wolle – und er ließ sie mit »Ich habe fünfmal die Musik revolutioniert – und Sie?« stehen.
Die andere ist von John Scofield, der erzählt, wie Miles ihn anrief, um ihn zu fragen, ob er in der Band spielen wolle. Miles war so etwas wie ein Gott für ihn und natürlich wollte er. Wann sie denn proben würden? Nein, keine Probe. »Just join us and listen and play«
Es ging übrigens nicht um irgendeinen Gig, sondern um einen Auftritt beim Montreux Jazz Festival, einem der größten und wichtigsten der Welt. Einen Auftritt am nächsten Abend.
Ich könnte noch ewig weiter schreiben, wahrscheinlich wäre alleine meine eigene Geschichte um sein berühmtes »Bitches Brew« ein eigener Blogeintrag, und meine Liebeserklärung an die Pausen, die er spielte der nächste aber …
Heute vor zwanzig Jahren ist er gestorben.
Nie den Tanzneger geben. Nicht sprechen, nur spielen.
Nicht proben. Just listen and play.
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