Dieser Artikel wurde zuerst am 26.8.2011 veröffentlicht im jawl, meinem alten Blog. Das jawl ist geschlossen aber diesen Artikel wollte ich gern behalten und habe ihn deswegen in ein Archiv alter Artikel aufgenommen.
… schrieb ich letztens.
Und wie so oft gärt dieser launig dahingeschriebene Tweet noch nach, stößt auf andere Dinge und wird auf einmal blogreif.
Der Auslöser war ein Treffen mit einer Gruppe von absoluten Social-Web-Skeptikern. Ich saß zwar eigentlich nett mit ihnen zusammen, stellte aber nach dem Abend fest, dass ich wirklich einigermaßen genervt davon war, mich für alles was ich, Ihr, facebook, Google oder sonstwer im Web so tut rechtfertigen zu müssen.
Gleichzeitig war aber genau diese Gruppe ein Musterbeispiel für die Menschen, die andererseits unglaublich begeistert davon sind, was mal so alles im Web findet. Für jedes Problem in InDesign eine Lösung, für jedes Hakeln im Betriebssystem ein Forum – wie unglaublich toll!
So kam ich auf den Tweet.
Denn – und das werfe ich der Runde an jenem Abend vor – da gehört der Blick mal wieder über den eigenen Tellerrand gehoben.
Einigkeit herrschte am Tisch – und vermutlich nicht nur da – über eins:
Es ist einfach supernett, wenn man ein Problem hat und ein fixes Googlen einem Hilfe bringt. Und genauso klar ist es nervig, wenn man beim Scrollen in der alphabetischen Forenliste auf dem Weg zum Apple-Forum auch an den Analfissuren vorbei kommt. Oder wenn man sich für die Listenerstellung im Quark erst durch den Liebeskummer wühlen, für Fragen zu Google Plus durch die Nachbarschaft zur Gonorrhoe vorbeifinden muss.
Aber: Haben deswegen Liebeskummer und Verletzungen an der Hintertür nichts im Web zu suchen? Falls man gerade Liebesummer oder aber Blut im Stuhl hat mag man das anders sehen. Wen interessieren schon soziale Netzwerke, wenn es im Schritt juckt?
Jeder von uns kennt die klasische Geschichte vom Personalchef, der erst einmal den neuen Bewerber googelt und dann auch auf Dinge stößt, die man ja besser auch nicht ins Netz geschrieben hätte. Hätte er ja wissen können, der dumme Bewerber.
Man nennt das dann gerne Medienkompetenz, zu wissen, was man so tut.
Aber: Wer bestimmt denn, was man ins Web stellt und was nicht? Wer bestimmt, was irgendwann für irgendjemand nützlich sein könnte und was nicht? Warum ist ein Problem im InDesign wichtiger als ein gebrochens Herz?
Ist es also Medienkompetenz, voraus zu ahnen, was irgendwann irgendwen einmal stören könnte? Dann machen wir das Web am besten jetzt und sofort zu, denn für alles, was man sagen oder denken kann findet sich auch jemand, den es stört.
Das wunderbare an diesem Web ist doch, dass eben jeder sich darin wiederfinden kann. Dass sich über jedes mögliche und unmögliche Problem schon mal jemand Gedanken gemacht hat. Es ist ja schließlich Platz genug.
Wenn aber alles drinstehn kann in diesem Web, dann ist es Medienkompetenz, es auch da stehen zu lassen. Dann ist es Medienkompetenz, über Dinge hinweg lesen zu können, die einen stören.
Dann ist die neue Medienkompetenz nicht mehr, Dinge nicht zu schreiben, sondern Dinge nicht zu lesen.
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