Aarhus X 2024

Reisetage …
sind eh anstrengend, nach all dem Stress vorher war das nicht weniger. Dass am Abend vorher Frau Doktor noch angerufen hatte, weil ein Blutwert erhöht war und ich mir auf der Fahrt – dem E-Rezept sei Dank! – noch noch einen Blutverdünner besorgen sollte, „damit Sie mir keine Thrombose bekommen, Herr Fischer, aber keine Sorge, fahren Sie ruhig“ tat seinen Teil. Dass sie mir eine so selten Packungsgröße aufgeschrieben hatte, dass keine der Apotheken auf dem Weg sie vorrätig hatte und ich erst vier Apotheken abklapperte – GoogleMaps sei Dank, mein Gott, wie wäre so etwas früher gewesen? – um dann in der vierten nochmal bei ihr anzurufen und dann einem Telefongespräch zwischen Frau Doktor und einem Herrn Apotheker zu lauschen, in dem sich beide von der ersten Silbe an gegenseitig hassten, auch alles nicht.
Zehn Stunden Fahrt also alles zusammen. Uff. Blick hin, Blick her: Um acht auf der Couch eingeschlafen und zehn Stunden geschlafen.

Blick …
galore, denn ich hatte ganz mutig genutzt, dass „unser“ Airbnb eh belegt war und hatte mal geschaut, ob es nicht im Lighthouse etwas gäbe. Das Lighthouse ist das Hochhaus, was sie ans Ende der kleinen Insel gesetzt haben, auf der wir schon immer waren und es hat mich vom ersten Moment an fasziniert. Wir sind also nur 200m weiter aus der Stadt raus. Aber auch 100m höher und es ist ziemlich mindblowing.

Tag 1
Aarhus ist eine der Städte, die das mit der Verkehrswende ernst nehmen und das Problem unter anderem damit lösen, dass sie Autofahrern das Problem nicht abnehmen – im Gegenteil: Sie machen es ihnen echt ungemütlich. Überall reine Anlieger-Viertel, Parken nur gegen hohe Mengen goldgepresstes Latinum und ich behaupte auch steif und fest, dass die Ampeln exakt im Gegenteil einer „Grünen Welle“ geschaltet sind.
Also bin ich heute das erste Mal seit dreißig Jahren Bus gefahren. Überraschenderweise haben die Dänen das auch ganz angenehm einfach gemacht, mit einer App, die zum Zahlen benutzt wird und live jeden Bus anzeigt, der gerade in der Stadt herumfährt.
Dann ein bisschen gebummelt, den ersten HotDog gegessen, auf dem RoofTop über die andere Hälfte der Stadt geschaut, auf die Bucht geguckt und überhaupt feste die Ausblicke genossen.

Wieder mal versucht, Worte dafür zu finden, warum sich für uns hier alles so viel besser anfühlt. Diese Doku, die vor ca einer Woche lief, fasst eine Menge davon schon ganz gut zusammen. Wenn Sie die offensichtlichen POIs ignorieren und die Haltung dahinter sehen können – naja und wenn Sie das überhaupt interessiert? – hier lang.

Abends essen gegangen und danach noch über die Insel gelaufen und Architektur und Licht geguckt.

Tag 2
Ich wollte gern ins Heart Museum – den Sommer über hatte ich auf deren Instagram-Kanal viel interessantes gesehen, was mir einen zweiten Besuch lohnenswert erscheinen machte. Alleine diese vollkommen irre Ausstellung aus Kabelbindern gab mir Recht; dummerweise kam ich nicht drumrum, schon während des Schauens und Staunens zu bemerken, dass sich da irgendeine Krankheit in den Knochen manifestierte.

Der Rest des Tages war viel Schlaf, noch ein bisschen Schlaf und auch noch viel Schlaf.

Tag 3
Es ward ein Kunst-Urlaub. Gar nicht so geplant, aber als wir so überlegten, da wollten wir dann schon nochmal ins Aros und das war dann auch dieses Mal wieder superst.

Oben, im Rainbow-Walk stellten wir fest, wie nah eigentlich das Rathaus war. Das hatte bis jetzt noch nie auf der Liste gestanden, aber als wir im Sommer Dicte geguckt hatten, lief die auch irgendwann durchs Rathaus und das sah beeindruckend aus und ein kurzes Googeln ließ uns lernen, dass es alt, berühmt und sehenswert ist. We agree.

Außerdem ist es voll in Betrieb, deswegen gibts nur wenige Bilder aus dem irren Foyer von 1941, einem Treppenhaus und verrücktem Boden.

Morgens auf dem Weg in die Stadt hatten wir schon eine Aida im Hafen liegen sehen. Ich hab schon vor zwei Jahren eigentlich alles über diese obszönen Monstren gesagt, was es zu sagen gibt, aber heute hat sie mir dann immerhin doch zwei bemerkenswerte Situationen geschenkt.
Einmal saß da der Mann im Café des Museums und telefonierte. Offensichtlich war er mit der Familie auf dem Schiff und offensichtlich tat die Familie das, was Familien halt so tun, wenn man nach zwanzig Jahren auf einmal wieder mehr Zeit miteinander verbringt als einen heiligen Abend. Und so saß er da und klagte einem unbekannten Gegenüber „Der versucht wirklich seinem 42-jährigen Sohn ins Benehmen zu reden und wird dabei jeden Satz beleidigender und herabwürdigender“, saß da also und musste sich das alles von der Seele reden, statt im Haus die Kunst zu sehen oder wenigstens auf dem Haus den Rainbow zu walken.
Er tat mir leid.
Und dann, als wir das Haus verlassen hatten, ertönte hinter uns in mittlerer Kuh-Lautstärke „Boah, wenn wir hier weg sind, kricht Mutti aber am Pool ersma nen Lillee“ ich musste furchtbar lachen und ging zur Seite, damit sich „Mutti“ nicht ausgelacht fühlte. Es überholte uns eine komplett in Northface und Aida-Merch gehüllte Familie; Habitus, Ausdruck und die weiterhin hohe Lautstärke minderten den Ersteindruck „Kuhherde“ nicht im geringsten – und als sie dann die Tupperdose öffnete und die morgens am Frühstücksbuffet gehorteten trockenen Brötchen verteilte, bereute ich dann doch, sie nicht offen ausgelacht zu haben.

Über den Abreisetag breiten wir den Mantel des Schweigens.

Sie lesen abseits des üblichen Tagebuchblog-Betriebs auch gern mal so eine Geschichte? Sie möchten sich bedanken? Hier steht die Kaffeekasse und wenn Sie finden, Geld riecht unangenehm, dann freue ich mich auch über Überraschungspost von der Wishlist.

7 Kommentare

    1. Ja, Bus gefahren. Mit einer App, auf der wir jederzeit den Standort jedes Busses/Zugs der Stadt sehen konnten inkl. evtl Besonderheiten der Wagen, der Linie usw. Aber das ist ja vermutlich Standard, nicht wahr?

  1. > GoogleMaps sei Dank, mein Gott, wie wäre so etwas früher gewesen?

    Da wäre das Medikament vorrätig oder innert ein paar Stunden da gewesen.

    Ich tu Aarhus dann auch mal auf meine immer länger werdenden ,,Muss ich mal besuchen“-Liste.

Kommentare sind geschlossen.

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