So, nun hat also das oberste Gericht in den USA das Recht auf straffreien Abbruch einer Schwangerschaft gekippt. Kann mir doch eigentlich egal sein, so als deutscher Mann. Kann mir egal sein, so als deutscher Mann?
Naja, in Polen ists ja auch so und in Frankreich ist diese rechte Frau auch nur knapp am Wahlsieg vorbei geschrappt und die Briten spinnen auch komplett, wenn man mal ehrlich ist und die AFD hat es auch geschafft, dass sich der Diskurs in Deutschland immer weiter nach rechts verschiebt und es brauchte schon eine Lusche wie Laschet, um in Deutschland ein fragiles Bündnis aus Rot-Grün-Gelb an die Regierung zu bringen und wer weiß, vielleicht kann es mir als Deutscher ja doch auch nicht egal sein. Scheint ja doch nicht so zu sein, dass unsere Gesellschaft automatisch immer liberaler und aufgeklärter wird.
Naja, aber als Mann, ich werd ja nun nicht schwanger und ich persönlich habe mich auch immer um Verhütung gekümmert, ich war immer ein guter. Da kann mir das doch egal sein?
Nun, das erste Gericht in irgendeinem Redneck- oder Bible-Belt-Staat hat ja schon angekündigt, man wolle sich in einem Aufwasch auch gleich mal die gleichgeschlechtlichen Ehe und überhaupt die Schwulen und Lesben ansehen und vielleicht geht ja überhaupt nicht nur um Frauen. Vielleicht kann es mir als Mann ja auch nicht egal sein, wenn ultra-konservative und/oder religiöse Kräfte ihren Backlash da weiter treiben?
Naja, aber ich bin ja nun ziemlich heterosexuell und schon lange verheiratet, da kann mir das doch nun wirklich egal sein. Da kann mir das doch egal sein? Guck ich mir so typische konservative Männerbünde an, die mit derartig veralteten Meinungen um die Ecke kommen, da geht es dann ja irgendwie ganz schnell nicht mehr nur um Schwule und Lesben sondern um alle, die irgendwie verdächtig sind, nicht hart genug zu sein. Künstler, Freigeister, Langhaarige, Faulenzer, Menschen mit Unkraut im Vorgarten.
Naja, lange Haare hab ich ja schon lange nicht mehr und mein kleines Fotoblog ist ja nun nicht wirklich was künstlerisches, mehr so ein Hobby und die Songs, herrje, ich muss die ja nicht veröffentlichen. Ich bin immerhin erstmal selbstständig, ein freier Unternehmer quasi, eine Stütze der Gesellschaft.
Kleinstunternehmer aber nur und Stütze der Gesellschaft, nun ja. Zu schwach für die große Wirtschaft, nicht hart genug für die Ellbogen in den Männerrunden und diese PTBS kostet mich ja nun auch immer viel Kraft und ups, vielleicht möchte ich ja gar nicht wegen einer Diagnose, die mir vor vielen Jahren ein patriarchalisches Arschloch mit seinen harte-Männer-Phantasien eingebrockt hat, meinen Beruf nicht mehr ausüben dürfen.
Vielleicht geht es mich ja doch etwas an?
Sie wussten natürlich schon seit drei Absätzen, wo ich hinwollte und treue Leserinnen wissen auch, dass ich mich schon im ersten Absatz nicht wirklich fragte, was es mich angeht.
Aber ich wollte den Weg einmal skizzieren, den Weg, bei dem ich nie verstehe, warum ihn sonst so wenige zu sehen bereit sind. Das Wesen solch einer Denke, die anderen verbieten will, die andere kontrollieren will, die in stark und schwach denkt und schwach ausmerzen will – das Wesen solch einer Denke ist es nicht, irgendwann aufzuhören. Solch eine Denke sucht sich immer die nächste Gruppe. Sind die Ausländer raus, kommen Schwule und Lesben dran. Dann die Frauen. (Reihenfolge beliebig) Dann die schwachen Männer. Dann die mittelschwachen Männer. Dann die starken, die Konkurrenz sein könnten.
In dieser Denke muss immer irgendwer unterdrückt werden und dass man bei (vermeintlich) Schwächeren anfängt ist nicht Zufall, sondern System, denn so wächst mit jedem „Sieg“ die eigene Macht.
Und im Ernst: jeder Leser (nein, nicht Leserin) weiß, wie es in Männerbünden – ob es nun die Schulhof-Bully-Clique oder die Führungsetage ist – zugeht. Wie man dort ständig in Unsicherheit lebt, wie man nie weiß, ob die eigene Stellung gerade sicher ist oder man im nächsten Moment das Messer in den Rücken bekommt, weil der vorherige BestBuddy sich beim Oberbully einschmeicheln will.
Weil es kein Miteinander ist, sondern ein zufälliger Bund von einzelnen, die ihre Machtphantasien leben wollen und dazu andere benutzen.
Ich verstehe Menschen einfach nicht, die nach einem starken Führer oder einer starken Führungs-Elite rufen – denn ihr Ruf kann doch nur auf dem Missverständnis beruhen, dass der Führer rein zufällig exakt zu 100% ihre Meinung vertritt. Gerade die Mauler, Meinungsbrüller und Selfcare-Egomanen, die würden doch als erste dritte weg sein.
Und – nur der Vollständigkeit halber: Genau deswegen geht es mich etwas an, was dort gestern in den USA passiert ist. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass alle Menschen gleich sind und gleich behandelt gehören – und dazu gehört auch, dass niemand dem anderen ohne größte Not in seinen oder ihren Körper reinreden darf.
Deswegen geht es uns alle etwas an. Auch Sie, liebe weiße, männlioche Mitleser. Das Privileg als weißer deutscher hetererosexueller Mann ist es nur, zufällig in der letzten Gruppe zu sein, die von ultra-koservativen Kräften unterdrückt werden würde.
Eigentlich vollkommen logisch, aber es schien, als müsse es mal gesagt sein.
(Twitterbild: Pexels, EKATERINA BOLOVTSOVA)
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