8.4.2020 – über die Selbstbestätigung

Als ich noch bei einem politisch tätigen Verein hier im Ort war, da gab es jemanden, die brachte gern mal neue Themen in die Gruppe. Manchmal gut, manchmal nicht, wie das so ist. Irgendwann begann sie, ihre Ideen mit dem Satz „ich wurde darauf angesprochen“ oder mit „der Bürger will das auch“ zu untersützen. Fragte man dezidiert nach und blieb hartnäckig beim Nachfragen, dann stellte sich meist heraus, dass es exakt ein Bürger war, der sie angesprochen hatte. Oder vielleicht auch nur „warum nicht?“ geantwortet hatte, als sie ihn darauf ansprach.

Natürlich ist das verführerisch. Man hat vielleicht selbst einen Gedanken und dann kommt man mit jemand ins Gespräch und sie hat die gleiche Idee und man fühlt sich bestätigt und gestärkt. Das menschliche Hirn ist sogar prima in der Lage auf der Stelle zu vergessen, dass man vorher zehn Bürger getroffen hat, die die eigene Idee gar nicht so dolle fanden. We call it confirmation bias und es ist total normal.

Ich erinnere mich gerade daran, weil ich letztens in einer Diskussion auf Twitter (jaja, ich wollte das nicht mehr tun – aber das Fleisch ist halt schwach) in folgende Situation geriet:

  • Er: Und Du meinst also wirklich, dann sollen das alle soundso tun?
  • Ich: Hab ich nie gesagt oder gefordert.
  • Er: Ist aber eine weit verbreitete Forderung!
  • Ich: Wassen Quatsch. Von mir nicht. Und auch noch nie gehört.
  • Er: Hat mir letztens wer gesagt, als ich an anderer Stelle diskutierte!

In other words: Er war an exakt einer Stelle, nämlich in einer erhitzen Diskussion auf eine (absurde) Forderung gestoßen und weil ihm die so gut in den Kram passte, dass „wir“ mit dem was wir wollen sowieso den Kontakt zur Realität verloren haben, packte er die als „wird oft gefordert“ in sein Repertoire gegen „uns“.

Das hat für mich zwei Konsequenzen: Erstens öfter mal nachfragen, wo denn Aussagen herkommen. Und zweitens: Arg auf mich selbst aufpassen. Nicht sofort reagieren, vor allem, wenn mich etwas aufregt.

Aber auch außerhalb einer Diskussions-Situation ist das wertvoll: 2020 gibt es ca 2,8 Millionen aktive* Twitternutzer in Deutschland. Unterstellen wir mal ein Drittel tote, inaktive und reine Lese-Accounts (was eher vorsichtig geschätzt sein dürfte) bleiben 1,8 Millionen. Das sind etwa 2,25 Prozent der Bevölkerung.
Selbst wenn die sich alle einig wären – hahahahaha – dann reichte das nicht für das Überschreiten der 5%-Hürde bei einer Wahl. Eine marginale Gruppe also, an einem theoretischen Wahl-Abend abgelegt unter „Sonstige“ bei der Tierschutzpartei und den Grauen. Und da interessiert ja auch niemand, was die sagen.

*) means: Einmal die Woche aktiv

Geht man dann noch weiter: Da erzählt also einer dieser Twitter-Nutzer, dass bei ihm in seinem Supermarkt in Hinterpuffstein heute jemand nicht in die Armbeuge gehustet und dabei noch frech geguckt hat, dann bedeutet das überhaupt nicht, dass „es schon so weit gekommen ist und in Deutschland solche Mordversuche an der Tagesordnung sind“.
Sondern nur, dass ein Mensch, einer von 80 Millionen Blödsinn gemacht hat.

Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen – glaubt mir: Es machen weitaus mehr Menschen dumme Dinge. Täglich.

In anderen Worten: Wenn wir etwas bei Twitter lesen und gut finden besteht eine überproportional große Chance, dass wir gerade auf die eigene Liebe zur Confirmation Bias reinfallen.
Wir lesen es aber oft so, als würde es irgendetwas beweisen. Als würde es zum Beispiel eben bedeuten, dass es „schon so weit gekommen“ ist.

Weil wir persönlichen Informationen lieber trauen als Zahlen und unsere guter Online-Bekannte @wildestrudchen1990 das doch retweetet hat.
Weil uns das gut in den Kram passt, wenn wir verunsichert sind und glauben, dass spätestens seit Corona unser Land im Wahnsinn versinkt (wie gesagt: confirmation bias).
Weil die wirkliche Nachrichtenlage so viel komplizierter ist und wir es alle gern einfach hätten.

Ich glaube, jetzt empfehle ich nochmal das schöne Buch „Factfulness“ und dann höre ich auf; Sie haben eh komplett verstanden, was ich gerad sagen will.

Was anderes: Ich bin leicht genervt. Treue Leserinnen erinnern sich vielleicht, dass ich letzten Herbst schon mal mit etwas undefinierbaren Schmerzen im rechten Bein zu tun hatte. Die sind wieder da. Und ich kann nicht mal rausfinden, ob Ruhe oder Bewegung besser ist, ob Hochlegen oder baumeln lassen die Lösung ist. Und meine Lust, im Moment in eine Arztpraxis zu fahren ist knapp über der Grasnarbe.
Und wenn ich nachts um drei vom Schmerz aufwache denke ich: Beim Schwiegervater wars auch seltsamer Schmerz im Knie und ein Jahr später war er tot. Ich nehme das als Zeichen, dass ich auch etwas dünnhäutiger bin als ich glaube.

Vormittags viel telefoniert. Ganz ohne Video, das geht erstaunlich gut …
Das eine war geschäftlich schön, weil mich eine Kundin um Rat für ihre Marketingpläne fragte. Und das andere war privat schön, weil ich die Gesprächspartnerin wirklich mag.

Mittags am kleinen See. ich wollte Sie ja behutsam in die Seen-Thematik einführen und daher: Das ist der kleine See. Er ist näher als der See, aber eben auch kleiner. Und hat dummerweise eine Autobahnbrücke mittendurch, die man schon ein bisschen angestrengt ausblenden muss. Aber man kann prima in der Mittagspause einmal drumrum laufen.

Und dann war da noch im Büro …:

  • Hallo, um Ihnen sagen zu können, ob Sie das CMS auch mit Ihrem Tablet benutzen werden können, müssten Sie mir bitte sagen, was für ein Tablet Sie benutzen.
  • Hallo, ja sicher. Ein großes, recht neu!

Und jetzt weiß ich auch nicht mehr.

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