8.1.2023 – can’t live without it.

Aufgewacht, versucht zu sortieren, wie viel der seltsamen Laune aus den letzten wirren Träumen und wie viel aus „echt“ resultierte. Ach guck, quasi alles die Träume.

Zum See gefahren, aber am See war Regen; also zurück und im Kaff am Fluss entlang gelaufen. Das war auch nett und es wurden tatsächlich zwei ganze Kilometer. Wow.

Nachmittags waren wir zu einem Geburtstagskaffee eingeladen und man soll seine Anforderungen ja langsam steigern und so habe ich dann nachmittags tatsächlich das erste Mal seit drei Wochen mit anderen Menschen verbracht. Manchmal muss man wohl gegen das Gefühl gehen – denn das rief laut, es wolle sich wieder eingraben. Immerhin waren wir ja morgens schon aus dem Haus gewesen, das Gefühl und ich. Aber es wurden zwei sehr nette Stunden in kleinster Runde und meine Hoffnung nimmt weiter zu.

Auf dem Weg: Krasse Regenbogen-Kunst am Himmel. Wer mag, darf etwas aus dem Bereich der Hoffnungs-Symbolik denken; ich mag nicht, ich fand’s einfach nur krass schön.

Abends dann Gestern waren wir noch Kinder begonnen und Pizza. (Sehr spannend erzählt, ich wills unbedingt weiter schauen obwohl ich gelegentlich bei furchtbar schlecht ausgesuchter vollkommen klischeehafter Musik und etwas platt umgesetzten Metapher-Bildern heftig die Luft zwischen den Zähnen ziehen muss)
Und dann begriff ich, dass ab heute die Liebste wohl wieder tagsüber zu diesen Kindern gehen würde und das mochte ich nicht.

Viel über common ground nachgedacht. Also: Die Voraussetzungen, die wir alle brauchen, um irgendwie kommunizieren zu können. Gemeinsame Wertvorstellungen, gemeinsames Wissen und so. Ob es jetzt der ist, dass wir als Gesellschaft alle prinzipiell der Wissenschaft glauben und demokratisch leben wollen oder ob wir uns in einer Freundschaft (oder einem x-beliebigen Gespräch) sicher genug über die Vorbedingungen fühlen wollen, ohne jedesmal mit Disclaimern und Absicherungen sprechen zu müssen.
Anlass war eine Freundin, die erzählte, ein Klamotten-Verkäufer hätte sie mit einem jovialen Spruch (für unser Empfinden im Jahr 2022) ziemlich krass bodygeshamed; sie wusste aber, dass das Verhalten des Verkäufers vermutlich vor 15 Jahren noch vollkommen normal gewesen wäre.
Ich stimmte ihr zu, unser beider common ground hatte sich also wohl in den letzten 15 Jahren bewegt.
Und dann sagte sie „Ich hab ja mit dem nicht das Verhältnis wie mit Dir zB, wo so ein Spruch ok ist, weil wir ja wissen, wie wir zueinander stehen“ und ich dachte „Nö?
Bedeutet ja zum einen, dass sie unseren common ground als sehr gefestigt betrachtet, aber auch, dass wir uns offensichtlich an unterschiedliche Stellen bewegt haben in den letzten 15 Jahren.

Und ich gucke mich unter diesem Aspekt in öffentlicher und privater Kommunikation um und finde das einen sehr interessanten Blickwinkel. Machen Sie das mal: Gucken Sie sich so Unfall-Gespräche – egal ob im öffentlichen Raum oder im täglichen Leben – an und nehmen als Annahme, dass beide Diskutantinnen von unterschiedlichem Voraussetzungen ausgehen: Unterschiedlichen Voraussetzungen darüber, was der Wissensstand der anderen ist, oder darüber was höflich ist, darüber wie man sich an dem gerade gewählten Ort benimmt oder darüber wie Humor geht, darüber wie der Status der beiden zueinander ist und darüber, ob eine darauf Rücksicht nehmen sollte.
Und natürlich (aber das war bei Diskussionen immer schon) wo beide denn so hinwollen mit der Diskussion oder dem Gespräch.

Vielleicht kennen Sie von Watzlawik die interessante Geschichte, dass während des Kriegs in England amerikanische GIs auf englische Frauen stießen und – weil ihnen diese gemeinsamen Grundvoraussetzungen fehlten und beide „Seiten“ natürlich(!) ihre Welt für die einzige hielten – beide Seiten im Ergebnis die andere für überraschend leicht „sexuell zugänglich“ bzw. unziemlich stürmisch hielten. (Wer’s nicht kennt: Hier, ab Mitte der Seite nachzulesen (PDF) )

Heute wären das dann auf Twitter diskutierende Menschen, die sich beide gegenseitig für unhöflich halten, weil … nun ja, das gälte es dann herauszufinden, wenn beide wirkliches Interesse an einer Unterhaltung hätten. Oder wirkliches Interesse an einer Freundschaft. Oder wie auch immer die Hintergründe so sind, aus denen heraus man auf Twitter so aneinander rasselt.

Gerade viele junge Menschen erlebe ich persönlich inzwischen so, dass sie keinerlei common ground voraussetzen, sehr sehr vorsichtig sind, aber dadurch auch sehr unverbindlich werden. Ich werde das beobachten.
Hach, wie gerne hätte ich etwas studiert, wo ich aus so einer These jetzt ein Untersuchungsdesign bauen könnte, um dann mehr zu erfahren.

Was anderes: Heute einmal schönes und einmal interessantes …

Zeugs

Joel hat auch dieses Jahr zu einem Fotorückblick aufgerufen (und wäre ich nicht immer so müde …) und ich stieß auf Barbaras Umsetzung, die mir sehr sehr gut gefallen hat. 12 Monate Weinfelder. Wie schön kann man wohnen?

Ich habe lange überlegt, nach welchen Kriterien ich die Fotos auswähle, denn schön finde ich eigentlich die meisten, die ich hier veröffentliche. Schlussendlich habe ich nun entschieden, nur Fotos mit Weinfeldern zu nehmen, da wir hier ja mitten zwischen Weinfeldern leben und auf den Spaziergängen mit den Hunden auch fast täglich in den Feldern herum- oder an ihnen vorbeilaufen, was zu jeder Zeit des Jahres (meistens) sehr schön ist.

Fotorückblick 2022– Journal Cissac-Médoc

Wann ist Diebstahl Diebstahl und wann ist er es nicht? Ist es kein Diebstahl, wenn man es anders nennt? Und wer hat die Macht, andere Namen so zu vergeben, dass sie dann auch gelten – ergo: wer hat die Macht aus Diebstahl nicht-Diebstahl zu machen? Interessante Gedanken zu diesem Themenkomplex von Sohra Behmanesh auf tbd* zu denen ich aber vorerst anmerken möchte: Ich finde die Rahmengeschichte ungeschickt gewählt, denn sie könnte suggerieren, dass die Lösung sein könnte, Diebstahl halt eben ok zu finden, statt solche Reframings aufzudecken und klar zu benennen. Ich bin mir sicher, dass das nicht gemeint ist, finde die gewählte Form trotzdem ungeschickt – vor allem für schnell-empörte Konservative, die dort einhaken könnten, um sich nicht mit dem eigentlichen Thema beschäftigen zu müssen.
Und auch den Schlenker zum Thema „Strafe“ finde ich bedenklich kurz und lapidar. Bleibt aber, darüber nachzudenken, was Deutungshoheit und Diebstahl miteinander zu tun haben und das halte ich für wichtig und lohnend:

Deutlich wird Wage Theft an einem besonders perfiden und zynischen Beispiel: Als Amazon-Chef und Milliardär Jeff Bezoz letztes Jahr in seine Rakete stieg um ins Weltall zu fliegen, bedankte er sich unter anderem bei seinen Angestellten: „Ihr habt all das bezahlt!“ Es ist nur möglich, dass Jeff Bezoz mal eben Geld für einen Weltraumausflug übrig hat, weil genau dieses Geld auf den Konten seiner schlechtbezahlten Angestellten fehlt. Strom kommt nicht aus der Steckdose und Geld kommt nicht vom Bankautomaten – und reiche Menschen sind reich, weil sie den Menschen, die für sie arbeiten, einen angemessenen Lohn aktiv und vorsätzlich vorenthalten.

Sohra Behmanesh: Über Wage Theft und die Willkür des Gesetzes

Das Zitat im Titel kommt heute von Tina Dico.

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