7./8.4.2025 – got ink

Aufmerksam wie Sie ja sind, erinnern Sie sich bestimmt, wie ich im letzten Herbst darüber schrieb, wie mir die Idee für ein Tattoo-Motiv in den Kopf kam, dass ich eine dazu fähige Tattoo-Artist gefunden hatte und an einen Termin Ende des Jahres. Und dass der Gott der Migräne dazwischen funkte.
Nicht dass ich abergläubisch wäre, aber um das Schicksal nicht allzu sehr herauszufordern, hatte ich den Nachfolgetermin einfach niemandem erzählt; außerdem hatte ich mir drumherum ein bisschen Zeit und Ruhe genommen und das Wörtchen „frei“ im Freitag zB schon mal wörtlich verstanden. Auch gestern lief noch der Autoresponder, obwohl ich dann schon um sechs hellwach war – wegen der Aufregung.
Aber: Der Migränestatus war aushaltbar mit großer Wahrscheinlichkeit auf „ist hinterm Ruhrgebiet weg“ und los gings, Richtung Niederlande.
[gelöscht weil:] Hier stand fast ein bisschen Gejammer darüber, wie scheiße die Fahrt war, aber das ist im Nachhinein so vollkommen egal und schließlich stand ich fast pünktlich an der kleinen versteckten Haustür in Den Haag. Ohne Kopfschmerz. Der Rest ist wirklich egal.

Zwei Treppen hoch, einen Flur lang, eine Treppe runter, noch ein Flur mit Ecken, Stufen, Ecke und als ich gar keine Orientierung mehr hatte, stand ich in einem kleinen Studio. Die nächsten drei Stunden waren eine schwer zu beschreibende Reise vollkommen aus jedem Alltag raus und als ich gegen halb vier wieder auf der Straße stand, brauchte ich so deutlich Zeit, um wieder in diesem Leben anzukommen, dass ich sehr über mich lachen musste.
Sanne hat es wirklich raus, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich gut und aufgehoben fühlt. Wenn man drüber nachdenkt, nicht unwichtig beim Tätowieren – aber bisher so noch nicht erlebt.
Wir haben also nach den ersten vier „hast Du’s gut gefunden“-Sätzen durchgängig weiter geredet, nur das, was man heute wohl real deep talk nennt und mein Herz wollte am Ende nicht gut begreifen, dass wir jetzt gehen mussten und diesen tollen Menschen vermutlich nicht noch mal treffen.
Und zum anderen halte ich es schon für logisch, dass sowohl der Akt des bewussten-sich-Schmerz-zufügen-Lassens wie auch der Akt des bewussten-Schmerz-Zufügens und das dazu nötige gegenseitige Vertrauen eine Form von Intimität herstellen kann, die schwer zu beschreiben ist.
Wir waren uns jedenfalls am Ende sehr dankbar: Zum Beispiel für eben dieses Vertrauen und ich – haha – ganz nebenbei auch dafür, das ich jetzt nicht nur irgendwie mein Kintsugi in der Haut trage, sondern einfach mal ein fuckin’ Stück einmaliger Kunst. Denn selbst, wenn Sie sich die letzten beiden Absätze über diese beeindruckende emotionale Erfahrung an sich wegdenken: Schon dafür, Ihr zuzusehen, wie Sie mit einer faszinierenden Kombination aus Geschwindigkeit und sehr genauem Wissen was sie wollte*, gleichzeitig aber mit beeindruckender Geduld und Hingabe da die ersten Linien mit Filzer auf den Arm malte, schon dafür hätte das alles gelohnt. Alles.

Very, very, very happy me.
Ich merke, dass es mir noch mehr bedeutet, diese Linien jetzt in der Haut zu tragen als ich gedacht hatte und meiner Hoffnungen waren schon nicht gering angesetzt gewesen.

*) Die Liebste, die dem Motiv vorher eher neutral gegenüber stand, sprach heute davon, wie beeindruckend sich das alles um den Arm windet und wie unfassbar schön es geworden ist.

(Nein, keine Bilder vom Arm. Noch ist es nur meins, ich muss das erstmal alleine lieben.)

Heute dann wieder in den Alltag mit nachzureichenden Belegen für die Buchhaltung und Überlegungen über Details in responsiven Lösungen zurückzufinden, war dann logischerweise nicht ganz einfach. Im Hinterkopf schwang ehrlich gesagt auch noch der Teil der Unterhaltung gestern darüber, wie virtuell meine Arbeit doch in vielem ist – ebenso wie unsere gemeinsam Überlegung, ob das dem Menschen überhaupt entspricht. Wie gesagt: Keine Gespräche übers Wetter.
Aber nun denn.

Außerdem über den Tag Tattoo-Flu bekommen. Nun denn; war ja logisch.

Sie haben Fragen? Sie wünschen sich ein Thema, über das ich mal bloggen soll?
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Alle bisherigen Antworten finden Sie übrigens hier.

10 Kommentare

  1. Die Bilder auf der Artist-Insta-Seite sehen toll aus … kann man eigentlich ‚golden‘ tätowieren?! Ich trage jetzt auch schon seit über einem Jahr ein Motiv mit mir rum, das auf meinem Arm seinen Platz finden soll – mein Projekt für dieses Jahr ^^

    1. Ich bin bei Farben sofort raus, weil ich nie etwas buntes wollte. Hab aber am Rande mitbekommen, dass es vor gar nicht so langer Zeit alle Farben erst einmal verboten waren – weil sie (wie ich hörte) hauptsächlich aus höchst zweifelhaften Quellen kamen.
      Ob es wieder erlaubte Farbeb gibt weiß ich nicht ¯\_(ツ)_/¯

    2. Ja, Farben als solche mag ich bei Tattoos auch nicht … mittlerweile gibt es aber auch wieder „erlaubte“ Farben. Gold halt nur, weil das ja normalerweise bei Kintsugi so gemalt wird?!

  2. Ich hab dein neues Profilbild bei Instagram gesehen und freu mich total mit dir. Schon der kleine Ausschnitt sieht unfassbar gut aus. Was diese Linien auf deiner Haut mit dir machen, kann ich mir ungefähr vorstellen. Bin gespannt auf das komplette Bild irgendwann.

    Eine Kundin meiner Tochter (die ja Tätowiererin ist) hat grade ihr Psychologiestudium beendet und wird ihre Doktorarbeit über die psychologische / therapeutische Wirkung von Tattoos und dem ganzen Prozess schreiben. Ich schätze, du hättest eine Menge dazu zu erzählen. Es ist eben nicht nur ein bißchen Tinte und Schmerz.

    Ach ja, Farben gehen inzwischen wieder, wenn sie REACH-konform sind. Seriöse Tätowierer:innen haben sich darauf eingestellt.

    1. Meinst Du, es gibt irgendwie eine Möglichkeit, dass ich die Arbeit lesen kann? Doktorarbeiten müssen doch veröffentlicht werden, oder? Magst Du mir Bescheid sagen? Ich finde das unfassbar spannend, nicht erst seit Montag.

  3. Viel Freude an Deinen Linien!

    Dein Satz „Noch ist es nur meins, ich muss das erstmal alleine lieben.“ passt heute exakt zu etwas in meinem Leben. Danke für Deine Worte!

    1. Als der mir einfiel, da merkte ich auch, dass der eigentlich noch um einiges universeller nutzbar ist.
      Was auch immer es ist: Viel Liebe wünsche ich!

  4. Farben gingen direkt schon wieder nach Verbot. Für manch ein*e Artist war die Umstellung gewöhnungsbedürftig, da sie ja wussten, wie sich die „alten“ Farben verhielten. Aus wissenschaftlicher Sicht haben die Farbhersteller leider verpasst, rechtzeitig mit konzentrierten Anwendungsbeibachtungen gegenzusteuern. War ja nicht so, als sei das Farb-Verbot überraschend wie Weihnachten gekommen.
    Der Begriff „Tattoo-Flu“ war mir neu. Aber macht – ebenfalls aus wissenschaftlicher Sicht – Sinn: Immerhin ist durch ein Tattoo das Immunsystem mehr oder weniger großflächig aktiviert und beschäftigt wird.
    Meine Erfahrung hinsichtlich Gespräche beim Tätowieren: Ich rede nur, wenn die Artist reden möchte. Habe nämlich vollstes Verständnis dafür, dass sie sich konzentrieren möchte.

    1. Ah, merci vielmals für die Hintergrund-Infos zu den Farben!
      Flu finde ich auch vollkommen logisch. Machts aber nicht … doch, es macht es besser; ohne das wissenschaftliche Wissen würde ich vermutlich rote Linien suchen, die Richtung herz wandern …
      Und @Reden: Klar, keine Gespräche aufzwingen. Aber ich fands atmosphärisch sehr, sehr angenehm

  5. Sorry, ich seh deine Antwort erst jetzt.
    Wegen der Doktorarbeit würde ich dir auf jeden Fall gerne Bescheid geben – vorausgesetzt, dass ich mich dann noch daran erinnere. Soweit ich weiß fängt sie jetzt erst damit an und so eine Arbeit kann ja ’ne Weile dauern … Wenn du dich erinnerst, dann schubs mich gerne einfach an!

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