Ein Kinoabend mit Freunden und Freunden von Freunden also, so wie damals – was für eine schöne Idee. Gut, dass die Freundin zuerst „Ist Christian sicher, dass er ALS MANN in DEN Film mit kommen will?“ schrieb, das war etwas hmpf, aber mein Gott, wir sind ja keine 14 mehr und es ist 2025, die „Männer in Frauenfilmen“-Sprüche werden schon aufhören. Also mindestens doch, nachdem alle weiblichen Mitglieder der kleinen Reisegruppe ihn einmal in den Gruppenchat geworfen haben, oder?
Aber sonst wie früher, das wird toll. Gut, ein bisschen etwas hat sich schon geändert: Wir haben eine Pandemie hinter uns, in den letzten Wochen ging und geht eine der unangenehmeren Wellen mit grippalen Infekten um; Infekte die alle immer gleich mehrere Wochen raushauen und da nimmt man da halt heute Rücksicht drauf und eine Maske für den Kinoraum mit. Dachte ich.
„Boah nee *hust* jetzt langts *hust* auch, nach zwei Wochen auf der Couch *hust* muss ich heute mal raus“ sprach sie, als sie ins Auto einstieg.
Gefolgt von „na, da wird Christian ja DER EINZIGE MANN sein *hust* heut Abend – weißt Du, was Du Dir da angetan hast mit Frauen in einen Frauenfilm gehen?“
Ich erwähnte, dass mir Teil eins sehr gut gefallen hat, ich Frau Herfurths Arbeit voller Bewunderung sehr auf dem Schirm habe und ich die Dreharbeiten in den sozialen Medien quasi live begleitet hatte; und dass ich mich sehr vorfreute.
(kurze Pause) „Na ja, Du bist ja auch ’n Lieber, wenn Du Deine Frau begleitest“.
Äh.
Zwischenspiel – ohne wirklich in die Details zu gehen, weil es zu absurd ist: Im Kino stritt ich dann mir der fremden Sitznachbarin über die Armlehne weil ihr mein Vorschlag, sie könne ja aufhören mir ihren Ellbogen in die Rippen zu stecken und wir könnten uns die Lehne zeitlich oder räumlich teilen, zu aggro war. Sie wurde sofort justiziabel beleidigend, erklärte ihrer staunend zuhörenden ca 13-jährigen Tochter, man könne schon an der dummen (FFP)-Maske sehen, dass ich vollkommen bescheuert und von minderer charakterlicher Qualität sei und ich habe das dann nicht eskaliert. Der klügere gibt ja nach, nicht wahr? Und vielleicht wollte sie ihrer Tochter ja auch zeigen, was eine starke Frau so macht.
Auf Basis der an ihr beobachteten Reaktionen zwischen Langeweile-Handy und schenkelklopfender Freude jedoch hat sie den Film dann über Strecken nicht verstanden, fand aber die Szene, als jemand ins Wasser fiel, sehr, sehr lustig.
Der Film selbst: Wie zu erwarten phantastisch, fand ich. Wer sich einigermaßen mit der tief strukturell verankerten Misogynie in unserer Gesellschaft auseinander setzt, kann von keiner einzel-Geschichte überrascht sein. Jede Geschichte, jede Situation war genau so klein, nebenbei oder so groß, allumfassend wie sie tagtäglich passieren und in ihrer brutalen „Ist halt so“-Realität schmerzhaft zum nicht-aushalten sind. Wenn man hin schaut.
„Mein Gott, das war eine ganz normale Prostituierte“
Was ich sehr, sehr mochte: wie die einzelnen Paare an der ungeheuren Arbeit zu kämpfen hatten, die es mit sich bringt, wenn eine als einzelner daran etwas ändern möchte und nicht nur sofort an die äußeren Strukturen, sondern auch an die eigenen Prägungen stößt. Wie viel Mühe es kostet, wie hoffnungslos es scheint, nach überall hin zu kämpfen – gegen Männer, gegen Frauen, gegen Strukturen und Gewohnheiten. Gegen „Ist halt so“.
„Wir sind hier im Team wie eine Familie und hier wird niemand angezeigt! Der hat dir doch nichts getan, der hat dich geküsst, der wollte dir den Einstieg im Team erleichtern! Mein Gott, diese ganze »mee too« Scheiße kann ich nicht mehr ertragen. Kannst ja gehen“
Aber auch am Ende, als alle sehr müde auf dem Boden liegen:
„Ich bin da nicht gut, ich muss das üben“
Und das finde ich einen schönen, ehrlichen Satz eines Mannes; einen Satz der eigene Schwäche akzeptiert und gleichzeitig viel Wille und eine Perspektive aufmacht und ich bin Frau Herfurth dankbar, dass sie den Männern im Film die Chance gab, ihn zu sagen und damit angenommen zu werden.
Als der Film zu Ende war, beschwerte sich die Freundin, der Film sei aber schon jetzt nicht so lustig gewesen wie der erste. Das sei doch etwas schade gewesen und man müsse ja nicht immer so auf die Probleme gucken und ihr Freund sage auch immer, sie sei so wenig fröhlich. Und nach so einem lustigen ersten Teil sei das doch überraschend und vielleicht sogar unfair auch, so vong Erwartungshaltung her. Ich erwähnte, ich habe vorher gelesen und von Plot und Deepness gewusst und keines der Themen sei mir fremd und dann wechselte sie das Thema.
Von einem weiteren Mitglied unserer kleinen Gruppe, mit der ich gestern nach ein paar mal Winken durch Autofenster das erste Mal ein Wort wechselte, hab ich mir dann auf dem Weg nach draußen noch angehört, mein Auto sei scheiße, sie warte lieber auf eine moderne Technologie, so wie Wasserstoff; ach übrigens, sie sei ja Sabine, schön, dass wir auch mal ein Wort sprächen. Wie es mir als Mann in einem Frauenfilm denn jetzt so gegangen sei?
Aber ich hab die Anpassungsstörung, jaja.
(Ergänzung: Die Liebste als Fachfrau und daher im täglichen Einsatz würde gern wissen, ob jemand sich mit aktuellen Konzepten der Jungenarbeit auskennt. Sie fand das im Film etwas mau* und hätte gern mehr wissen)
*) Obwohl ich Frau Herfurth da gute Recherche unterstelle.
Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
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Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.
Habe beim Lesen mitgelitten … unfassbar, wie ignorant Menschen sein können. War seit der Schweinegrippe 2009 nicht im Kino und eine Freundin möchte mit mir aktuell ins Kino. Manchmal frage ich mich, ob man wirklich über jeden Schatten springen sollte oder besser einfach seiner klugen Wahl, zu Hause zu bleiben, folgt. Wie gut, dass der Film immerhin gefallen hat.
Ich weiß, dass ich solche Dinge gelegentlich tun muss und sie fehlen mir auch. Also prinzipiell, nicht in dieser Ausführung dann natürlich.
Das klingt unfassbar anstrengend, also bis auf den Film.
Das war es leider, ja. In gewisser Weise der Film auch, aber „wir“ People in meiner Bubble snd ja zum Glück immerhin nicht überrascht, sondern nur gleichbleibend entsetzt …
(Toll gemacht, je mehr Abstand ich habe, desto toller gemacht find eich ihn)