6.5.2020 – Übungen in Resilienz

Die äußeren Umstände ändern sich nicht, die inneren aber schon. Das ist das Gute an dem was ich montags so lerne: Früher hätte mich so etwas für Wochen rausgehauen und heute nur noch für einen oder ein paar Tage. First step: Die Konzentrationsfähigkeit hat für sieben Stunden am Schreibtisch gereicht, das will ich mal gar nicht verachten, ganz im Gegenteil.

In diesen Stunden einen Onepager für eine Agentur gefüllt. Im Hinterkopf ständig ein leiser Zweifel, denn ich muss Sätze copy-pasten, die da sinngemäß lauten: „Ich weiß nicht, was ich da tue, es hat irgendwas was mit Energie in Deinem Körper zu tun und wird Dich heilen. Bitte zahl mir 150,-/Stunde dafür
Wo ist die Grenze der Besonnenheit?

Im Chat derweil nebenher über die Hemmschwelle gesprochen, zur Therapie zu gehen oder sich überhaupt ähnliche Hilfe zu besorgen, wenn etwas nicht mehr so richtig in der Spur läuft. Ich vermute, Sie haben das schon mitbekommen, dass ich unter anderem hier so offen über meine Erfahrungen schreibe um zu zeigen: Nur weil jemand „in Therapie ist“ kann er trotzdem lustig, cool, klug, erfolgreich, sexy und überhaupt so eine coole Sau wie ich Hahahagehtschonwieder … ein ganz normaler Mensch sein.
Wobei ich das Wort „normal“ gar nicht so mag. Aus Gründen.
Aber im Ernst: Trotz aller Offenheit und Selbstverständlichkeit mit der ich hier spreche: Natürlich kenne ich den Stolz, der einem sagt: „Hey, Du müsstest das alleine schaffen. Aushalten. Stärker sein.
Ist aber bullshit.

Zwischendurch ein Interview mit der Frau Mellcolm über Wissenschaftsjournalismus. 5 von 5 Sternen, jederzeit gerne wieder.

Im Hintergrund lief den Rest der Zeit ein Podcast von Serdar Somuncu, genauer: Die Folge „Das große Gitarrensolo-Quiz“ (nicht direkt verlinkbar, einfach bis ca in die Mitte scrollen).
Großkotzig wie ich bin: Ich fand Serdar gar nicht sooo gut und hab ihn mit nur vier nicht erkannten Stücken ziemlich abgezogen. Machen Sie mit? Können Sie’s besser?

Herr Buddenbohm, einer der großen Pädagogen meiner Filterbubble, hat mal wieder was kluges getan: Er hat seine Kinder danach befragt, was die denn so vom HomeSchooling und vom Wieder-in-the-School-Schooling halten.
Das Ergebnis überrascht mich jetzt ehrlich gesagt nicht. Überhaupt nicht. Es entspricht ganz im Gegenteil fast exakt dem, was unter Pädagogen, die über so etwas forschen aktuell so Status Quo ist.

Wir aber lesen gelegentlich in Brand Eins oder anderen Ringelblumen-Magazinen von Schulen, die den deutschen Schulpreis bekommen haben, weil sie alles anderes machen. Dann staunen wir, was es alles gibt – und ich spreche nicht von Klassen, die mehr als einmal die Woche in den Computerraum dürfen, sondern von vollkommen anderen Unterrichtskonzepten – und nicken.
Vor allem, weil die meisten dieser Schulen vor dem radikalen Konzeptwechsel erstmal vollkommen – sorry – am Arsch waren.
Toll, was möglich ist.

Aber wenn die Lehrerin unserer Kinder sowas wie „Freiarbeit“ in den Stundenplan schreibt, dann laufen wir stolz auf dem nächsten – natürlich bei Twitter nebenbei sarkastisch herablassend begleiteten – Elternabend Amok und falten diese unfähige Pädagogen-Schnepfe zusammen – was sie sich denn vorstellt, wie Thorben-Hendrik denn bitte mit „Freiarbeit“ 2031 erfolgreich sein Praktikum in Taiwan bei der International SuperFinancial beginnen soll. Und fordern vernünftigen Matheunterricht ohne diesen modernen Schnickschnack.

Abends waren wir am See. Aber das haben Sie vermutlich geahnt.

Außerdem gelesen: Vor ca. hundert Jahren stand das erste Mal in der Verfassung, dass der deutsche Staat der Kirche kein Geld mehr schuldig ist (Nein, nicht die Kirchensteuer). Die Kirche hat das bis heute großzügig ignoriert und durch juristische Winkelzüge zu verhindern gewusst. Verständlich, denn es geht – so genau kann es amüsanterweise auch niemand ganz genau sagen – um hohe Millionenbeträge.
Falls sich noch jemand fragt: Dewswegen verachte ich diesen Laden so sehr. Moralansprüche an andere jenseits von Wolke sieben aber selbst immer gern mal am Lügen und Betrügen, wenn es um das eigene Wohl geht. Und alles immer schön mit dem Mäntelchen, dass sie ja die Guten sind warm eingepackt.

Der politische Corona-Link des Tages: Corona-Lockerungen – Rechtlich zulässig, politisch ein Debakel
Ich verstehe und mag das Prinzip des Föderalismus – aber wenn dieses elendig machtgeile Pack das benutzt, um sich selbst auf Kosten aller zu profilieren, fällt es mir schwer, nicht laut zu schreien. Denn: „Dabei steht nicht der Föderalismus auf dem Spiel, wohl aber der Eindruck von Vernunft, den die Politik als Ganzes bislang in der Krise hinterlassen hat.
Exakt.
Fragen Sie mal die Engländer, warum sie noch heute Churchill’s Speech auswendig aufsagen können.

Passend dazu auch der Artikel von Ranga Yogeshwar: Zuerst waren Bürger, Politik und Wissenschaft in der Corona-Krise im Gleichklang. Das ändert sich rapide, und das ist gefährlich.
und
Auftritt bei „Anne Will“ Laschet demontiert sich selbst

Lieblingssatz des Tages: „Großes Selbstbewusstsein trifft auf relative Bedeutungslosigkeit“
(Influencerinnen und C-Promis zündeln mit Corona-Verschwörungsmythen – was ist da los?)

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