Die Lieblingspoststelle hat den Besitzer gewechselt. Der Tresen steht jetzt woanders (egal), nachdem der letzte Besitzer Spielwaren anbot, die niemand kaufte, stellt der neue Besitzer jetzt Billiguhren und Bilder aus, die niemanden interessieren (egal), es gibt keine Büchertauschbörse mehr in der hinteren Ladenhälfte (schade) und in einem Jahr wird dort jemand anderes stehen, denn der ungeregelte Kapitalismus fickt halt alle, die nicht schnell genug jemanden ausnutzen, sondern einfach nur ehrlich arbeiten wollen.
Und hinter dem Tresen steht jetzt nicht mehr die freundliche Sächsin, sondern ein ebenso freundlicher Grieche – mir auch egal.
Den beiden vor mir war das zunächst nicht egal: sie sind jetzt das zweite Mal hier und sind dann doch jetzt ganz positiv überrascht. Nach der ersten Retoure letzte Woche haben sie schon erst kurz gestutzt aber dann überlegt: Der Lesbos-Grill nebenan, da gehen sie ja doch recht gern mal einen großen Fleischteller essen und die da in dem Lesbos-Grill sind ja auch sehr nett. Und vielleicht kann der Mensch hinter dem Post-Tresen dann ja auch sehr nett sein und deswegen sind sie noch ein zweites Mal zur zweiten Chance gekommen und weil er heute wieder freundlich ist, werden sie auch weiter mit ihrer Post kommen. Vielleicht kennen sie sich ja sogar, die Griechen im Lesbos-Grill und der Mann hinter dem Post-Tresen, man muss sich doch gegenseitig kennen so als Griechen?
Vollkommen zu Recht fragen Sie jetzt, woher ich all das weiß.
Weil sie es ihm alles erzählen. Weil sie ihm das alles ins Gesicht sagen.
Nein nein, Griechen sind schon ok, haben sie dann ja jetzt festgestellt, wo das Bifteki doch da so lecker ist – kennen Sie die von Lesbos-Grill bestimmt nicht?? – die Griechen überhaupt – also jetzt wo sie ja schon drei Griechen kennen – die Griechen also sind schon ok, nicht so wie dieses andere Pack, lassen sie ihn wissen. Dieses Pack, mit dem sie immer so Probleme haben, dieses Pack was hier nicht hingehört.
Und der arme hinter dem Tresen ist leider noch nicht so flüssig im Ablauf, dass er sich noch mehr beeilen könnte und er murmelt „Danke“ und blickt nicht mehr hoch.
Da ich ja Danas Buch gelesen hatte war mir schon klar, dass „also ich hab ja eigentlich immer nur Probleme mit rassistischen Mendener Boomern über 65“ nicht der ideale Gesprächseinstieg ist – auch wenn es im Kopf so viel Spaß macht, das zu sagen.
Ich mühe mich die Eskalationsskala herunter – aber ich bin so sauer – und versuchs mit dem offensten an Fragestellung was ich in meinem Ekel noch hinbekomme: „Schulligung, eine Frage: Reden Sie so einen rassistischen Scheißdreck …“ (ok, das war unklug, Christian) „… weil Sie nicht gut Bescheid wissen, was in der Welt gerade so passiert …“ (na, nochmal den Bogen gekriegt?) „… oder weil sie einfach sehr, sehr dumm sind?“ (Mist, vollkommen verkackt, ich wollte gar nicht beleidigen)
Sie dreht sich um, mustert mich von oben bis unten und kontert gar nicht übel: „Wissen Sie, wir sind einfach dumm. Es kann nicht jeder so intelligent sein wie Sie“. Ich denke an meinen letzten Intelligenztest und gebe ihr in Gedanken sehr recht, aber dann steht er schon 10cm vor meinem Gesicht. Im Fernsehen hat er es gesehen, heute Mittag noch: „Das steckt denen in der Kultur, dass die massakrieren, abstechen und vergewaltigen“ und das will er nicht in unserem Land. „Nein. Das steckt in keiner Kultur“ entgegne ich und will fragen, wo er das denn gesehen habe, aber er wiederholt sich, immer wieder, wird jede Runde lauter, immer noch 10cm vor meinem Gesicht und dann zieht sie ihn nach daußen.
Ich glaube, dass es auch den Mendenern nicht wirklich in der Kultur liegt, andere so zu hassen, aber er hatte wirklich Angst. Vielleicht waren die sogar etwas feucht geworden, die Augen, er war nur noch schlecht auf den Beinen und wusste, dass er seine Frau nicht mehr würde verteidigen können, wenn „die“ ihnen mal auf der Straße auflauern würden und ich sehe in seinen Augen hinter all dem Gebrüll wirkliche Angst.
Verdammter Mist.
Wer weiß, was er im Fernsehen gesehen hat? Wer weiß ob ein wohlmeinender Enkel ihm nicht YouTube auf den TV geholt hat und er den ganzen Tag Nius und nicht Fernsehen schaut und es nicht weiß?
Verdammter, verdammter Mist.

Bild von Markus Jakobs unter CC BY 2.0-Lizenz
Uff. Danke für den Einsatz und das Verschriftlichen!
Ich kenne übrigens außer Dir genau eine Person aus Menden und die ist witzigerweise Grieche.
Ist es ein Zeichen der Hoffnung, dass ich jetzt trotz allem Lust auf Gyros mit Pommes bekomme?
Mangels Lust auf Gyros kann ich Dir das nicht beantworten, finde das bei dem Wetter aber durchaus bedenkenswert
Vertragen tue ich das Zeug ja eh schon nicht mehr. Es war nur so eine Art paläolithisches Aufblitzen im Kleinhirn. 😁
Hihi, schön formuliert.