30.12.2021 – simmel, sammel, summel.

Den dritten Tag Migräne und darob leicht angesäuert. Sie finden hier heute nur lose Fragmente.


Heute Morgen kam den Newsletter der wunderbaren Synje Norland in die Inbox und ich las diese Zeilen:

Wenn ich gefragt werde, wie es mir geht, dann lautet meine Antwort:
Wenn ich nur auf das Jetzt schaue, dann geht es mir gut.

… und das geht mir eigentlich genau so. Aber zu selten bin ich im Jetzt, meist irgendwo in den langen Wochen dieses ewigen März 2020 oder draußen bei der krakeelenden Minderheit, die mir Sorgen macht. Und dann schreibt Synje (etwas blumiger als ich es täte) so ganz richtig:

Das Jetzt erschafft das Morgen, verdammt, nicht umgekehrt. Unsere Gedanken und Lieder von heute sind die Samen von dem, was in ein paar Jahren auf dem Boden unseres Seins wachsen wird.
Deshalb – lasst uns Mitgefühl und Empathie säen und unsere Felder mit Liebe und Vertrauen bestellen.
Lasst uns Gärten des Friedens stiften und in nachhaltiges Glück investieren.
Lasst uns frohen Mutes in die Zukunft schauen. Jetzt.

(beide): Synje Norlands Newsletter vom 30.12.2021,
auch auf Instagram zu lesen

Dazu passen auch schön diese optimistischen Worte des Soziologen Harald Welzer.


Wenn mich jemand nach dem perfekten Song fragt, dann weiß ich einen. Ja, einen. Sofort, auf Anhieb – etwas was man bei knapp 1300 Alben in der Mediathek vielleicht auch nicht vermuten würde.
Es ist nicht immer mein Lieblingssong, denn der wechselt laufend und es gibt vermutlich so etwas wie eine fluide TopTen.
Aber ich halte ihn schlichtweg für den besten Pop/Rock-Song der je geschrieben wurde: Er hat alles, was ein guter Pop/Rocksong braucht: Piano-Intro und Gitarren-Refrain, er ist kraftvoll, es geht um die Liebe der nächsten Nacht, er ist catchy genug, den zweiten Refrain mitsingen zu können, er hat – obwohl er schon 1977 geschrieben wurde – schon so etwas wie einen Drop und er vereint das alles einfach sehr, sehr gut. Die Rede ist natürlich von „Because the Night“ und bevor Sie das jetzt diskutieren wollen, schauen Sie dieses Video. Bono kündigt das Ganze nämlich an mit „a song we wish we’d written“ und dann folgt die beste Version, die ich kenne, also habe ich Recht.

Patti Smith wird heute 75 und ich verneige mich vor der großen alten Dame.


Melina Sophie tritt aus der Öffentlichkeit zurück. „Wer?“ werden Sie vermutlich fragen. Melina war eine der YouTuberinnen (fast) der ersten Generation. Die, die im Kinderzimmer angefangen haben, Zeugs in die Handykamera zu erzählen und den Hype, der uns heute schon keiner mehr scheint, anzuschieben. Und während sich andere eine Nische gefunden oder gebaut hatten – egal ob Beauty oder Fitness, Games oder Politik – hat sie einfach immer weiter vor der Kamera gelebt. Hat Zeugs erzählt und die Zuschauerinnen mitgenommen. In der letzten Zeit war es schon still um sie geworden, es gab mehrere „jetzt aber wieder regelmäßig“-Videos und heute hat sie erklärt, dass sie den nächsten Abschnitt ihres Lebens ohne die Öffentlichkeit leben will.
Ich habe sie ein paar Mal zufällig an Orten getroffen, wo nicht sie im Mittelpunkt stand und niemand deutsche YouTuberinnen kannte und fand sie einen sehr angenehme Mensch. Und ich würde mich durchaus freuen, wenn das noch einmal passiert.
Unter dem Abschiedsvideo sammeln sich vor allem Kommentare, die sinngemäß sagen: „Danke, dass Du meine Kindheit begleitet hast!“ – und das finde ich einen sehr, sehr schönen Abschied.

Ach, Melina: Wehe das war jetzt ein Clickbait!

Während ich schreibe, merke ich: Vielleicht hat sich das genau so überlebt, wie dieses Blog hier ja auch ein Dinosaurier einer lang vergangenen Zeit in einer nicht mehr nötigen Nische ist und vielleicht fühle ich mich deswegen mit ihr verbunden?


Wieder mal sehr faszinierende Fotos im BnW Minimalism Magazin.


Geguckt:
Je mehr desto besser (Netflix)
★★★★☆
Auf den ersten Blick eine Sex-Kommödie (oh Gott, wie lange ich dieses Wort nicht mehr gehört habe), aber dahinter fünf schöne Geschichten, die halt in und um einem Swinger-Club spielen. Und ein bisschen non-explicit Sex (Freigabe ab 16). Schön: Es kommen ohne jede Wertung und vollkommen selbstverständlich alle möglichen Spielarten und Kombinationen des körperlichen Zusammentreffens vor.

Don’t look up (Netflix)
★★★★★
Ist bekannt, oder? Bitterböser Film darüber was passiert, als Wissenschaftler eine Pandemie einen Kometen auf Erd-Zerstörungskurs entdecken und die Mediengesellschaft, Berufspolitikerinnen, ein reicher BezosHansel und Menschen auf dem „Ich glaube niemandem“-Trip damit tun, was Mediengesellschaft, Berufspolitikerinnen, ein reicher MuskHansel und Menschen auf dem „Ich glaube nur mir“-Trip eben so mit Pandemien Dingen tun.

Celebrity Hunted (Prime)
☆☆☆☆☆
Ein „Reality“-Format, in dem sich ein paar Promis 10 Tage lang vor einem Team von Jägern verstecken muss. Diese Jäger haben dabei „Befugnisse ähnlich denen der deutschen Behörden“. Ich zweifle das in alle möglichen Richtungen stark an*
So gescripted und so schlecht, dass ichs nur zu Ende geguckt habe um heraus zu finden, ob es noch schlechter wird.
*) Es entsteht der Eindruck, dass Ermittler gottgleiche Total-Überwacher und gleichzeitig tumbe Volldeppen sind. Ich glaube beides nicht, fürchte aber, dass dies dem Bild in der Öffentlichkeit entspricht, die ihr Wissen aus Sat1-Nachmittags-Sendungen wie „Auf Streife“ bezieht. Darüber muss ich eh mal schreiben, aber das ist ein anderes Thema.

Außerdem rewatchen wir 24, aber darüber muss ich nichts sagen, oder?


Schaue ich noch einmal da drauf, was ich so getippt habe: Ja, ich klinge da wie ein alter weißer Mann, da wo ich vom perfekten Rocksong schreibe. Natürlich weiß ich: die Ära der Rockmusik ist schon lange vorbei.
Aber ich habe mit ihr gelebt, sie hat mich begleitet, getröstet, erzogen und getragen. Und wann, wenn nicht zum Jahresende darf der weiße Mann mal nostalgisch sein?

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6 Kommentare

  1. An Neujahr — also dem kommenden Sonntag — gibt es ab 23.00 Uhr im Deutschlandfunk eine lange Nacht über Patti Smith.

  2. Und was ist denn schon schlimm an etwas Nostalgie, fragt die noch ältere, weiße Frau.
    Alles Gute für 2022!

  3. Danke! Fürs schreiben und teilhaben lassen, für viele Momente in denen ich nachdenklich wurde, für ebensoviele Momente in denen ich mich wiedergefunden habe. Danke!
    Und auch danke für diese wunderbare Version eines wunderbaren Songs.

Kommentare sind geschlossen.

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