Jetzt, wo draussen wieder Schnee liegt, merke ich, wie gut der Sonnenschein zwischendurch war. Nun denn.
Ja gut, heute war dann wenigstens wieder blauer Himmel und wir drehten eine ausgiebige Runde durchs Städtchen, während das Auto an der Steckdose stand. Unter diesem Gesichtspunkt fast schade, dass letzte Woche der Elektriker da war und nach den Möglichkeiten für eine Wallbox schaute.
Auf dem Rückweg machten wir noch einen Abstecher ins Café Fiat und hörten auf dem Weg Jule und Sascha Lobos Podcast über Toxic Wokeness. Ich nickte vor allem über die Idee, sich dem Thema Wokeness mal so zu nähern – übrigens ja auch so ein Begriff, der bei vielen Menschen vollkommen verbrannt ist, weil er so oft falsch, eben vielleicht sogar toxic benutzt wird. Props übrigens an die Leserin, die auch beim Wort „toxic“ eigentlich gehen will und trotzdem weiter gelesen hat. Es ist eben kompliziert.
Was mir auf jeden Fall dazu auf- und einfiel: Schon als ich damals, Ende der neunziger, aktives Mitglied der Grünen hier im Ort war, fielen mir manche Kolleginnen durchaus negativ auf, denn sie zeigten durchaus alle Verhaltensweisen, die Jule und Sascha dann heute „toxic wokeness“ nennen würden: Im Zweifelsfall drehten sie Sachdiskussionen in die Unterhaltung darüber, dass man doch bitte einfach nicht politisch korrekt genug – wie es damals hieß –, nicht informiert genug war. Und zogen daraus vermeintliche Überlegenheit, die sich dann ihrer Meinung nach auch auf die diskutierte Sache bezog.
Also in etwa: „Du bist ja gar nicht richtig PC, deswegen kannst Du gar nicht Recht haben in Deiner Meinung über die Kitaplätze in der Stadt“. In meinem Fall war meine Meinung selten gefragt, weil ich keine alte Ente, sondern einen neuen Golf fuhr. (Nicht nur menschlich, sondern auch sachlich mehr als fraglich, ist klar)
Aber, mal weiter gedacht: Funktionieren nicht alle Gruppen so? Funktionieren so nicht Sekten, die Kirchen, Subkulturen, Parteien, Abteilungen in Firmen, Vereine? Ist das Problem nicht vielleicht eher, dass es in den Strukturen in denen wir leben, eben irgendwie immer um Macht geht und man sich die eben aus allem zieht, was gerade greifbar ist? Wer die Macht hat, baut angebliches oder wirkliches Geheimwissen auf, etabliert Rituale und behält gleichzeitig die Deutungshoheit darüber, ob andere die Rituale und das Wissen richtig „drauf haben“.
Mal als blödes Beispiel: 1981 durfte man nur mitreden, wenn man schon Depeche Mode hörte, 1984 nur dann, wenn man sie nicht immer noch hörte. Und diese Regel machten die, die 1981 schon und 1984 nicht mehr Depeche Mode hörten und schon daran wird klar, dass das selbst alles erhaltende Systeme sind.
Und das ist doch gar nicht so anders als in der Kirche oder der Partei, bei den Oshos, meinem Grünen Ortsverband oder in der „woken Berlin Bubble“ (Zitat aus dem Podcast, was mir ganz aber gut gefiel), oder?
Der Irrtum ist doch, die Idee zu akzeptieren, dass es eine absolute Wahrheit – egal ob über Depeche Mode oder über die perfekt gerechte Sprache – gibt. Und dass diejenigen, die diese Wahrheit kennen, Macht über andere haben.
Dass sich die vollkommen dysfunktionalen Kommunikations-Strukturen des Social-Web da verstärkend drüber legen, kommt natürlich erschwerend dazu, keine Frage.
Soweit meine aktuellen Gedankengänge, ich wollt’s nur mal laut denken.
Ich bin übrigens sehr gespannt, was das mit mir und meiner Gesundheit macht, wenn morgen auf der Straße und in den Läden und Schulen die Pandemie vorbei ist. Ich fürchte: Nix gutes.
Sie mögen das, wenn ich auch mal aus dem täglichen Alltags-Einerlei ausbreche und über Gott und die Welt nachdenke? Hier steht eine virtuelle Kaffeekasse!
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist.
Oke, „Podcast von jule und Sascha Lobo zu toxic wokeness“ sind, lass mich zählen, 5 Gründe, die mich in die Flucht schlagen. Das ist eine extrem gute Quote 🤣
Irgendwie denk‘ ich bei „Wokeness“ (die ich mir zunächst von deepl übersetzen ließ) an „Platons Höhlengleichnis“.
Aber dass es nur für den Aufgewachten giftig war, weil sie ihn totschlugen, als er zurück kam, um auch die Anderen an seiner Wachheit – sprich „Wahrheit“ – teil haben zu lassen, ist jetzt irgendwie eine Perversion dessen, was der Post mir sagt – nicht?
Nicht!
Auf die Gefahr hin, jetzt endgültig nur noch nervig zu sein: „Toxic Wokeness“ und „Wokeness“ an sich sind so oder so, sorry, total lächerliche Etiketten in my opinion.
Beide suggerieren, es gäbe irgendwelche absoluten Wahrheiten und ganz schlimm seien die, die zwar diese nicht gefunden haben, aber dennoch andere dafür bewerten, dies eben nicht geschafft zu habe.
Un‘ dattis totaler Killefit.
„Die Wahrheit“ gibbet nirgends und deshalb ist jedes Getue darum Quatsch und keiner besser oder schlechter.
Kindergarten, sowas.
Hatten Sie den Podcast geghört?
Hatte ichs richtig verstanden: Den Begriff heute Nacht um Viertel vor Zwölf erst noch suchen müssen?
Ich bin nur auf das Posting eingegangen. Den Podcast habe ich nicht gehört. Ja, das Wort habe ich mir übersetzen lassen (doch, auch mit Sprachkenntnis auf B2-Niveau) – es klingt komisch.
Und ich konnte heute ausschlafen, da war viertel vor zwölf in der Nacht kein Drama.
Ah, ok.
Mein Hirn hat sich gerade von wokeness über Aufgeweckt zu Wachturm und den Zeugen Jehovas gehangelt. Das amüsiert mich gerade sehr.
Hihi. Ja, sehr.
Ich lehne mich jetzt mal ohne die Folge gehört zu haben ausm Fenster, weil ich denke, dass ich mit dem Begriff eingermaßen was anfangen kann (und auch selbst schon Erfahrungen damit gemacht hab, auf beiden Seiten des Ganzen), und möchte wie folgt überlegen: Ja, das hat mit Macht zu tun. Einerseits mit der Macht, wie du es beschreibst, mit dem Gatekeeping, das selbst die wohlmeinendsten nettesten Leute doch irgendwo betreiben und es teilweise nicht merken, dass ihr Versuch, einen total inklusiven Ort zu schaffen, nach hinten losgeht, wenn Leute ausgeschlossen werden weil sie nicht so informiert oder so … na, woke eben, sind. Aber es hat auch mit Macht auf der anderen Seite zu tun, denn ganz oft sind die Leute, die ich als „toxic woke“ bezeichnen würde, auch jene, die eben nicht die Macht haben, anders Einfluss zu nehmen als durch lautstarkes Hinweisen auf Problematisches, öffentliches Anprangern, usw. Und zweitens haben diese Menschen oft schon versucht, die Leute mit Einfluss anders auf Sachen hinzuweisen, haben womöglich schon ihre Zeit und Mühe eingebracht und dann erfahren, dass das Entgegenkommen der Mächtigeren doch nur ein Lippenbekenntnis war und eine wirkliche Kritik oder Änderung gar nicht gewünscht war. Und scheuen dann davor zurück, es wieder vergeblich zu versuchen, sondern ziehen sich auf so eine „Gruppe X ist nicht okay/wer XY nicht weiß, ist meine Zeit nicht wert“-Haltung zurück. Die ich nicht geil finde, aber irgendwie … verstehen kann? Hm.
Und das dritte ist einfach auch, dass wir ja, ich glaub, darüber schreibst du selber ja oft, keine sinnvolle Fehlerkultur und keinen guten Umgang mit Problemen haben, weshalb dann a) oft die „woken“ Leute auf Ablehnung und Unverständnis stoßen, selbst wenn sie sachlich kritisieren und sehen, dass Dinge sich dann nicht ändern, und b) dann ebenjene Leute auch selbst in ihrer Haltung so verhärten, dass sie teilweise keinen Raum lassen für die Option es zukünftig besser zu machen.
Ja, hm. Ich weiß auch nicht, weshalb ich jetzt so lange hier kommentiert hab, aber ich les deine Überlegungen zu solchen Themen gerne und jetzt hats mich mitgerissen.
PS: Happy Birthday nachträglich!
Ich formulier’s mal etwas polemisch: Ich glaube, es geht bei Sascha ein bisschen mehr um selbsternannte Allies, die die Wokeness zwei Wochen vorher mit dem Löffel gefressen haben und sie jetzt benutzen.
Deswegen zu Deinem ganzen Punkt zwei ein vollkommenes „Full Ack“, wie man früher sagte.
Zu drei auch, jaja, leider.
@jawl: Ich sollte die Folge dann einfach wirklich mal hören die Tage. Wobei ich persönlich das, was du zusammenfasst, dann vermutlich leichter abtun könnte als das Gefühl, dass da jemand in vielen Dingen recht hat, ne Menge schlechter Erfahrungen mitbringt und aber doch meiner Ansicht nach zu sehr übers Ziel hinausschießt und man einfach nicht auf einen Nenner kommt.
Sorry, Verständnisfrage: wer kommt nicht auf einen Nenner?
@jawl: Ah, sorry, das war zu verwirrend formuliert. Also ich meinte Fälle, in denen es eigentlich Einigkeit darüber herrscht, dass Person X oder Firma Y sich nicht gut verhalten hat. Und dann aber die Frage ist, wie damit umzugehen ist. Also ob man sagt, okay, war scheiße, aber hoffentlich wurde was draus gelernt und in Zukunft läuft es besser, oder ob man dann sich ganz zurückzieht, den Kontakt oder die Zusammenarbeit abbricht. Und dann hab ich da halt schon Situationen erlebt, wo Leute das verschieden sahen und darüber dann auch zwischen diesen Leuten alles in die Brüche ging, über die Frage, ob man der Sache noch eine Chance geben soll oder nicht.
ah so, merci!