3.3.2023 -Polarstern voraus

Die Nacht über in Angst verbracht; zum Glück gegen Morgen klar genug, um sie zu verstehen und damit jetzt was amchen zu können. Gestern hatte ich nämlich endlich die tausendmal überlegte „Sie-können-sie-schon-nicht-mehr-hören“ Auto-Kauf-Geschichte angestoßen. Alles schön, alles gut, der Gebrauchtwagenmarkt gab exakt das Auto was ich erträumte für fast 10% weniger als gerechnet her, ich reservierte, stieß den Finanzierungsprozess bei der Bank an und alles ist super. Und über Nacht merkte ich, dass der Gedanke, jetzt vier oder fünf Wochen kein Auto vor der Tür zu haben, mir richtig Angst macht.
Da der Gedanke, dass prinzipiell individueller Autoverkehr verkehrt ist, ja nun aber auch tief in meinem Kopf sitzt, seh ich mich da schon gerade scheitern.
Gleichzeitig merke ich, wie tief diese Muster in meinem Kopf verankert sind und nun denn, da hab ich wohl noch was zu tun. Kleiner Tipp an zufällig mitlesende Bundespolitikerinnen: Gäbe es hier die Möglichkeit in die Stadt zu kommen, ohne statt der realitischen 10 Minuten ganze 35 zu brauchen, wäre das evtl. einfacher.

Morgens erst etwas entspannter angefangen, da ich wusste, dass ab mittags ein anstrengender Zoom im Kalender stand. So einer, wo zwei Menschen auf verschiedenen Geräten auf eine Website schauen und sich darüber unterhalten, ob jetzt auf dem 11er iPhone noch ein bisschen mehr Abstand über einer Headline sein sollte und was das mit dem 13er macht. Und was das auf keinen Fall mit dem 13er machen darf, während auf dem Kindle ja eh alles noch ein bisschen seltsam umläuft.
Das macht durchaus mit den richtigen Menschen auch sehr viel Spaß, aber es ist eben auch das Jonglieren mit xx Variablen und daher anstrengend.

Der Tag begann dann mit einer Mail meines Autohauses, die mir einen Rabatt für einen Radarwarner anbieten. Hm. Die Dinger sind so verboten, dass sogar das Mitführen eines betriebsbereiten Warners im Auto schon 75,- kostet, wenn man erwischt wird – da finde ich einen solchen Rabatt etwas zweifelhaft. Weil nebenbei mein „Gutschein“ auf eine falsche Adresse ausgestellt ist, war ich heute in der Laune eine Mail zurückzuschreiben. Ich bin sehr gespannt.

Nina Chubas Album ist endlich draußen und lief in Heavy Rotation den ganzen Tag über.

Mich erfreut das sehr, denn das Genre „Deutscher HipHop“ war mir doch zwischendurch etwas fremd geworden – und was Nina hier tut ist einfach sehr, sehr feine Musik. Ich bin garantiert nicht die erste Zielgruppe für das, was sie erzählt, aber es ist klug getextet und ich kann da gut zuhören und meine eigenen Gedanken und Gefühle zu haben. Und das kann nur bessere Musik.
Neben Dir steh ich immer so neben mir“ – zum Beispiel ein Zeile mit dem klugen Sprachgefühl, den HipHop haben kann für eine Situation, die allgemeingültig ist. So wie das bei guter Musik sein soll.
Und wer die typische HipHop-Protzerei in die Worte „Jede Großstadt hat mich auf den Postern“ packt, die darf das auch; das ist so viel klüger als „isch hab das dickste Auto“-Ding, was ich sonst so oft höre.

Ab mittags dann der anstrengende Zoom – wir machten so lange, bis wir beide merkten, dass sich das Verhältnis von kleinen Späßchen und erzählten Anekdoten zwischendurch zum Arbeiten aus ca 90:10 gedreht hatte und hörten dann auf.
Währenddessen kam die Zusage von der Bank und ich ging ein Auto kaufen. Nächste Woche werd ich also das jetzige verkaufen und für die Zeit dazwischen überleg ich mir was.

Jetzt Picard, denn das ist super und dann ist Wochenende.


Letztens hatte ich schon diese schöne Liste von Jan-Martin Klinge verlinkt, in der der aufschrieb, was er neben „vor der Klasse stehen“ sonst noch so alles tut und heute morgen, als ich zur Orientierung in Zeit und Raum auf meinen Kalender schaute dachte ich so: Mach doch mal Deine eigenen Kalender aus und schau, was die Liebste so an Terminen hat. Sie wissen ja, die ist ja auch Lehrerin und wir alle wissen ja: Die gehen morgens dahin, stellen sich vor die Klasse, machen das gleiche wie vier Jahre vorher am dritten März auch und falls jemand was fragt, haben sie Recht. Und nachmittags frei.

Das sind die festen Termine der Liebsten im Februar. Also nur die wenigen, die sich zu diesem „Vor der Klasse stehen“ oben drauf addieren und die sich vorher festlegen ließen – also ohne alles, was zwischen Tür und Angel oder spontan, weil jemand irgendwann zwischen sieben und einundzwanzig Uhr anruft, passiert. Das passiert auch noch jeden Tag mehrfach. Neben dem Unterricht und der Unterrichtsvorbereitung, denn die ist real. Und die drei Stunden, die wir zusammen am letzten Sonntag im Lehrerzimmer standen sind natürlich auch nicht im Kalender.

Ach ja Ich lese immer mal wieder, dass Menschen stressige Tage so beschreiben: „Boah, bis eins bin ich nicht mal zum Pullern gekommen“ und dann denken wir immer: Normal, ne? Sie kann ihre Tasche nicht abstellen, bevor sie nicht die erste wichtige Entscheidung getroffen hat und wichtig bedeutet bei einer Sonderpädagogin schon mal lebenswegentscheidend. Mal davon ab, dass ich über die Gesichter der meisten Menschen sehr lachen müsste, wenn ab 7:45 zwanzig andere vor ihnen stehen, die lautstark durcheinander alle jetzt! sofort! was ganz wichtiges! einfordern – bevor man die Kaffeemaschine auch nur aus der Ferne gesehen hat.
Aber ich gerate etwas in Unmut und ich weiß, Sie hier sind nicht so. Aber gelegentlich habe ich das Gefühl, dass man mal mehr klar machen sollte, wie ein Lehrerinnenalltag wirklich ist.

6 Kommentare

  1. Ich glaub, ich schrieb es schon mal, aber Sie sind ein feiner Mensch. Der Lehrerjob, das ist den meisten leider nicht klar. Vermutlich weil sie als Schueler davon nichts mitbekommen haben?

    1. das ist so ein nettes Kompliment, ich danke sehr!

      Ich glaube, die meisten denken halt an ihre eigene Schulzeit und da erlebte man eben nur die Lehrerin vor der Klasse. Wie viel damals schon daneben noich zu tun war und wie viel sich Schule auch noch geändert hat – das wird übersehen. Fürchte ich.

  2. Hach, den Polestar hab ich neulich auch mal gesehen, das ist schon chic. Ich bin ja auf die Berichte gespannt.

  3. Gleichzeitig die massiven Nachwuchssorgen im Lehrerberuf, weil die in Frage kommenden jungen Leute (u.a. auf der Suche nach einem wirklich sinnvollen und gesellschaftlich relevanten Gelderwerb) auf Nachfrage „sich das echt nicht antun“ wollen – wie kommt’s?

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