28.9.2020 – dieaktuellesituation

Gestern haben wir Freunde besucht und das war aufregend in vieler Hinsicht.

Als wir die A1 herunter fuhren … jetzt müssen Sie wissen: Die A1 und die B1, das sind die beiden Strecken, die uns weg von hier führen. Die B1 geht hinein ins Ruhrgebiet oder sogar rüber bis Holland und die A1 entweder nach Norden (immer gut) oder in Richtung Rheinland. Jetzt haben wir beide aus unterschiedlichen Gründen eine große Liebe für zum Beispiel Köln und Aachen in uns. Und da leben Menschen, die wir sehr nah am Herzen haben. Und da sind immer die besseren Konzerte und … ach, wir sind da schon sehr oft runter gefahren. Oft genug, dass wir die Baustellen auswendig kannten und wussten, wann wir lieber doch Umwege fahren und sich das alles immer ein bisschen like home anfühlte.

Als ich also gestern da so runter fuhr, da merkte ich, wie lange das her war. Wie lange das letzte Konzert her war, wie lange ich die kleine Schwester nicht mehr in den Arm nehmen konnte, wie lange wir nicht mehr im Museum waren, dass ich dieses Jahr den jährlichen Besuch der alten Zivistelle nicht gemacht habe und auch nicht mehr machen werde.

Uff.

Abgesehen davon, dass es eh sehr schön war, die Freunde endlich mal wieder zu sehen, saß da auch ein neuer Mensch auf einem TripTrap, gluckste die meiste Zeit friedlich vor sich hin und so ein sieben Monate altes Leben ist dann andererseits auch ein sehr kraftvolles Zeichen dafür, dass die Menschheit weiter machen will.

Auch uff.

Als wir abends zurück fuhren, erinnerte sich außerdem mein Körper daran, dass ich ja ein introvert bin und mich soziale Kontakte, egal wie schön sie sind, auch sehr viel Energie kosten.
Merke: Kaum biste mal ein halbes Jahr nur zu Hause, da ist aller Trainingserfolg verpufft und Du kannst wieder von vorne anfangen, Menschen zu treffen. Also: kannste nicht wegen #deraktuellensituation, aber #danach.
Das hab ich auch vorher nicht so geahnt, dass das schwierig werden könnte; eigentlich war in meiner Planung mein ganzes Jahr Trainingslager und langsame Vorbereitung auf eine mögliche Fahrt ins helvetische Nachbarland Ende des Jahres. Ich wollte bereit sein.
Naja, wird eh nicht statt finden, schätze ich. #dieaktuellesituation, Sie wissen schon.

Surprise: Uff.

Heute Morgen bekam ich in einer der Online-Unterhaltungen, die mir das Leben verschönern, von einem Twittertreffen am Wochenende erzählt.
Erster Reflex: Na super, Du bleibst zu Hause und zwängst Dich trotz aufkeimenden Panikattacken unter den MNS wenn Du raus gehst – und die kommen aus ganz Deutschland angereist und machen sich ein kuscheliges Wochenende.

Zweite Reaktion: Resignation. Ja, Idioten gibts halt immer.

Dritte Reaktion nach ein paar Minuten: Wenn Du diesen Hashtag einem Twitter-Fremden zeigst, der zeigt Dir einen Vogel, dreht sich um und geht.
Ich kann Ihnen wirklich nur empfehlen, mal ein paar Wochen nichts bei Twitter zu lesen und dann direkt in einen Skandal-Hashtag einzusteigen. Das ist Kindergarten pur. Geschimpfe, Gemotze, jeder wegen allem gegen jede. Nach zehn Tweets ist das eigentliche Thema vergessen und es wird nur noch um „der hat aber gesagt“ diskutiert. Dein Förmchen Tweet ist aber größer böser als meines. Würden das viele Menschen nicht so wichtig nehmen, dann wärs echt lustig, da auf diesem Kurznachrichtendienst.

Traurig finde ich es, weil es mal meine virtuelle Heimat war.

Hatte ich erwähnt, dass wir im Enten-Gucken-Alter sind?

Dann an den Schreibtisch. Die Kopfschmerzen von gestern Abend klangen langsam ab und ich musste da an ein paar Stellen ein paar datenschutzrechtlich wichtige Änderungen machen.
In dem Zusammenhang hätte ich gern mal eine Frage an Sie:

Wenn Sie auf eine Website kommen, bei der kein Cookie-Hinweis als erstes ins Bild fliegt, was denken Sie?

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Als Dankeschön fürs Mitmachen war ich wieder für Sie online unterwegs. Nee, Spaß; das tu ich ja immer.

Ganz gut zu meinen Twitter-Beobachtungen oben passt dieser Artikel aus den scilogs:

Diejenigen, denen es tatsächlich um Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt geht und nicht z.B. nur darum, die eigene Meinung auf Kosten anderer zu pushen, müssen beide Seiten sehen. Der Umstand, dass soziale Medien die Äußerungen vieler Menschen vernetzen, kann zu einer Dynamik führen, die von denjenigen, gegen die sich die Kritik richtet, als aggressiv empfunden wird und auf diese Weise die Meinungsvielfalt einschränken kann.
Aber umgekehrt kann ein pauschales Abqualifizieren als Shitstorm eben auch die Meinungsvielfalt einschränken, dort insbesondere derjenigen Menschen, die keine große Plattform im Fernsehen oder auf YouTube haben, und für die die Möglichkeit einer Meinungsäußerung in den sozialen Medien daher besonders wichtig ist.

Markus Pössel auf scilogs.spektrum.de: Shitstorm vs. Meinungsfreiheit auf Sozialen Medien

Etwas, wofür ich Twitter hingegen unendlich dankbar bin ist all das, was ich lernen durfte. Meist von und über Menschen, die ich auf Grund meines zufälligen Geburtsorts und -geschlechts lange nicht so auf dem Schirm hatte.

Medizinstudent Malone Mukwende suchte in Lehrbüchern nach Krankheitssymptomen auf dunkler Haut – vergeblich. Also schrieb er selbst eins. […] Ein Großteil der Weltbevölkerung hat keine weiße Haut. Ein Großteil der medizinischen Lehrbücher bezieht sich jedoch ausschließlich auf Hellhäutige. „Im schlimmsten Fall werden Menschen mit anderen Hautfarben deshalb falsch behandelt“, sagt Malone Mukwende. „Eine Fehldiagnose kann tödliche Folgen haben.“

Anne Backhaus auf spiegel.de: Rassismus in der Medizin „Es sollte normal sein, einen geschwollenen schwarzen Arm zu sehen“
(via Vanessa)

Wussten Sie schon? Wenn man – egal wo – gefragt wird, ob man selbst zum Gehörten Fragen hat, gibt es drei Möglichkeiten: Man hat welche, man hat keine weil man alles verstanden hat oder aber – viel spannender: Man hat keine, weil man absolut nichts verstanden hat.
Ein bisschen so kommt es mir aktuell vor, wenn man Verantwortliche über Digitalisierung in der Schule sprechen hört. Die haben so lange geschlafen, dass sie nicht mal wissen, was für Hilfe sie – zB von mir – bräuchten.
#notallverantwortliche
Dabei könnte es so einfach sein. Haha, nein im Ernst: Einfach ist das nicht, aber ein Blick über den Tellerrand ist trotzdem nie doof.

Tanja Huutonen […] kennt beide Seiten, die deutsche und die finnische. Sie kann es kaum glauben, wenn ihr Freunde in Deutschland berichten, […] „Eine deutsche Bekannte hat mir erzählt, bei ihrer Tochter hätte der Klassenlehrer einmal in der Woche angerufen und 30 Seiten Aufgaben im Mathebuch durchgegeben, das war’s.“ Andere erzählten ihr, manche Lehrer hätten nicht mal eine dienstliche Mailadresse oder wohnen im Funkloch. Die Betreuung der Schulaufgaben sollte dann von den Eltern zu Hause erledigt werden. Das könne sie überhaupt nicht verstehen. „Bei uns in Finnland gilt: Eltern dürfen keine Lehrer sein. Das Unterrichten ist Sache der Schule und dieser Verantwortung müssen die Lehrer auch gerecht werden. Und dafür gibt es digitale Unterstützung.“
[…]
Am Morgen nach der Schulschließung ging es digital weiter.
[…] „Als es dann vom Bildungsministerium hieß, der Unterricht läuft trotzdem weiter, bloß eben digital, dachte ich schon erst mal: Schaffe ich das? Wir hatten diese Situation ja noch nie“, […] Doch dann brachte sie ihren Computer mit Updates auf den neuesten Stand und legte los. […] [Es] war nach ein paar Startschwierigkeiten eigentlich relativ einfach, jeder war den ganzen Tag beschäftigt“, erzählt Ajanto. Ihr größerer Sohn Antti hat Aufgaben über die Wilma-App bekommen und sich mit seinen Lehrerinnen darüber am Telefon oder per Zoom ausgetauscht.

Elise Landschek auf zeit.de: Schulsystem: Homeschooling ist gar nicht so schwer – zumindest in Finnland

Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.

8 Kommentare

  1. Seit über zehn Jahren lese ich das Blog einer Deutschen, die in Finnland derzeit drei Kinder in der Schule hat und komme aus dem Staunen nicht heraus – nicht nur im Hinblick auf digitale Schule, sondern auch was das Bibliothekswesen oder die Gesundheitsversorgung betrifft. Ich empfehle es gern weiter: Suomalainen Päiväkirja

  2. „Wenn Sie auf eine Website kommen, bei der kein Cookie-Hinweis als erstes ins Bild fliegt, was denken Sie?“ Ich denke erstmal nix und schaue, ob die Seite Cookies setzt, und denke dann was dementsprechendes.

    1. Nix zu danken. Übrigens habe ich Vanessas Podcast mit dir/Ihnen gehört und war berührt. Vor vielen Jahren kannte ich jemanden, der unter Angststörungen litt. Darüber so offen zu reden, hätte vermutlich vieles einfacher gemacht. – Beim Hören habe ich die Fensterrahmen gestrichen, nun steckt deine/Ihre Angststörung auf ewig in meinem Fenster. Sozusagen.

    2. Oh. Ich hoffe aber, sie steckt da nicht ewig, sondern wird in den nächsten Wochen sanft von einem Herbstwind davon getragen. Sowas will man doch nicht im Fenster haben! ;)
      (Und danke für die netten Worte!)

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