Nach ein paar Tagen Hitze in denen ich kaum zu etwas anderem fähig war, als die letzten Blogeinträge zu schreiben, gings dann heute ja wieder. Die Liebste und ich hätten also noch meine letzten Urlaubstage nutzen können, wenn nicht … – ja wenn nicht Sie heute Morgen zu einem Verwandtschaftsbesuch aufgebrochen wäre. Nun denn.
Ich hab mich mal wieder zu einem Remix-Projekt angemeldet – das wäre ja eine nette, zeitfressende Aktivität um die Leere dieser Hallen hier vergessen zu machen, aber im Moment steh ich da sehr vor der Wand.
Und dann las ich bei der Kaltmamsell, dass Marie Sophie Hingst vor ein paar Tagen tot in Dublin aufgefunden wurde und ich bin traurig.
Traurig über ihren Tod.
Noch einmal traurig über die Tage damals, als der Artikel erschien.
Traurig über die Gnadenlosigkeit dieses Netzes hier in dem ich mich so lange zu Hause gefühlt habe:
Traurig über alle die damals zu 100% wussten, dass der Spiegel Marie da aber Unrecht tat.
Traurig über alle, die dann innerhalb von Stunden schwenkten und Marie durchs Dorf jagten.
Traurig über alle, die jetzt über die Verantwortung der Medien sprechen.
Ich weiß nicht, ob es wirklich in Person die selben Menschen sind, die damals Marie durchs Dorf trieben und jetzt von der Verantwortung der Medien faseln, aber so wie wir „vom Spiegel“ sprechen – ist es da nicht auch gerechtfertigt, „von Twitter“ zu sprechen?
Twitter hat sie hochgehoben, Twitter hat sie kurz verteidigen mögen als das Herz es wollte, Twitter hat sie fallen gelassen als die Fakten übermächtig schienen. Twitter hatte es schon immer geahnt.
Ja, ich finde das kann man so sagen.
Das Netz ist ein guter Ort wenn wir ihn dazu machen hat mal jemand gesagt, der auch zu viele Tweets bekam als er sie nicht mehr lesen konnte. Gilt doch auch für Twitter, oder?
Twitter ist gnadenlos. Twitter fragt nicht nach, Twitter (ich zitiere) „muss den Artikel gar nicht lesen, denn Marie tut so etwas nicht“.
Twitter muss aber (sinngemäß) auch „gar nicht wissen warum sie das gemacht hat, denn mit jüdischer Geschichte betrügt man nicht“.
Wenn jemand die Rolle als Täter zugewiesen bekommen hat, braucht Twitter keine Gründe mehr.
Twitter empfindet sich so oft als Kämpfer für Schwache und Unterdrückte, für Diversität und gegen Ungerechtigkeit. Twitter hat dabei nur leider keinen Platz mehr für Grauzonen, keinen Platz für Fehler. Gnadenlos. Nicht für Unwissen, nicht für falsche Formulierungen, nicht dafür, dass man vielleicht zwischen früher Gesagten und heute dazu gelernt hat, keinen Platz dafür, wenn die Gründe diverser sind, als es scheint. Jede und jeder die schwach scheinen, hat das Recht auf tausend Gründe, wer stark scheint, nur auf den einen.
Oh, die Irish Times hat mit der Mutter gesprochen, wie hervorragend, hätte das der Spiegel doch auch mal getan.
Häte das doch Twitter mal getan.
Twitter macht mich heute traurig.