26.9.2018 – Privat und persönlich

Herr Paul hat sich mit Frau Nessy darüber unterhalten, was privat und was persönlich ist, weil sie diese Unterscheidung dafür benutzen, um zu entscheiden, was sie ins Internet schreiben. Ich selbst würde meine Grenze exakt genau so beschreiben, aber ich denke da auch immer wieder mal drauf rum. Und denke immer wieder, dass die wichtigste Regel ist, dass man diese Grenze für sich entscheidet und nicht von anderen ziehen lässt.
Aber beginnen wir vorne; denn alles begann 2011 mit einem Tweet:

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Schon damals kam ich zu dem Ergebnis, dass Medienkompetenz nicht bedeuten kann zu wissen, was man nicht ins Internet reinschreiben sollte, sondern zu wissen, was man im Internet nicht lesen möchte.
Wer das länger erläutert haben möchte liest am besten einfach in einem der beiden Artikel von damals nach:
Medienkompetenz im Wandel
Medienkompetenz – immer noch im Wandel

Dieser Tage denke ich darüber nach, ob und was die letzten sieben Jahre mit meiner Einstellung gemacht haben und merke: Ich bin in dieser Meinung noch gefestigter geworden. Hintergrund ist überraschenderweise der Backslash, den unsere Gesellschaft gerade durchmacht.

Fangen wir vorne an: Meine Eltern erzogen mich in den 70ern und 80ern noch mit einer deutlichen Vorstellung von „das macht man so“ bzw „das macht man eben nicht“. Genauer erklären, warum man etwas tat oder nicht tat, konnten sie selten.
Jetzt bin ich zwar ein großer Freund der philosophischen Idee des Anarchismus, aber eben keiner der Anomie. Ich glaube also nicht, dass die vollkommene Abwesenheit von Regeln und Normen uns gut täte – ganz im Gegenteil: Ich glaube, dass Werte und Normen uns als Menschen definieren.
Aber: Ich verstehe Regeln gern.
Und deswegen unterscheide ich zwischen
„Du sollst nicht töten, stehlen, ungefragt Deines Nächsten Weib bespringen“ (Grund: Das tut der Gesellschaft nicht gut)
und
„Du solltest nicht ins Internet schreiben, dass Du (was auch immer)“ (Grund: …ääähm, das tut man halt nicht!)

Denn die Frage, die sich stellt ist ja: Wer stellt denn die Regeln dafür auf, was man tut oder nicht; wer dafür, was man ins Web schreibt?

Denn ich fürchte, gerade heute ist diese Frage wieder viel aktueller geworden. Laute Minderheiten sind an vielen Stellen dabei, sich selbst diese Deutungshoheiten wieder zu nehmen. Viele davon argumentieren dabei mit so schwammigen Gründen wie Gott, gesundem Volksempfinden oder „das weiß man doch“.

Aber was weiß man denn? Wer ist man?
Vor 50 Jahren wusste man noch, dass man besser nicht über Homosexualität sprach. In der Folge wurden tausende Homosexuelle krank, wussten nichts davon, dass sie nicht alleine waren, wurden depressiv, entwickelten ein gestörtes Verhältnis zu sich, ihrem Körper, ihrer Sexualität, ihren Mitmenschen.
Und warum? Weil es die nicht-homosexuellen irgendwie schon störte.

Vor 50 Jahren sprach man nicht über Depressionen, nicht über Krankheiten, behinderte Kinder wurden noch versteckt, nicht über Gewalt in der Ehe.
Weil man es nicht tat.

Man könnte auch sagen: Man sprach nicht darüber, wenn jemandem von der Norm abwich, aus dem Rahmen fiel, irgendwie anders war. Mit dem Ergebnis, dass die, die das betraf, sich alleine fühlten, keine Gleichgesinnten, keine auch-Betroffenen kannten.
Man sprach nicht darüber, was man nicht sehen wollte und konnte so prima ausblenden, dass  es Menschen gab, die es nicht so gut hatten, wie man selber.
Und dass man vielleicht sogar Verantwortung daran trug.

Und die Deutungshoheit über die Norm hatte die Mehrheit, hatten die, die sich normal fühlten. Die keine Probleme hatten, die nicht anders waren. Heute wird oft der Begriff „weiße Männer“ dafür benutzt. Und schaut man sich um, dann merkt man: Die, die sich selbst normal finden, wollen wieder mehr ausgrenzen, wollen weiterhin bestimmen, wer zu verstecken ist. Und sie wollen auch bestimmen, wen man nicht hören soll.

Und deswegen bin ich immer noch – wenn nicht noch mehr – der Meinung: Schreibt alles ins Netz. Alles. Wenn Euer Blogartikel irgendwo auch nur einem einzigen Menschen irgendwo auf der Welt hilft, sich nicht alleine zu fühlen, nicht zu verzweifeln, sich nicht umzubringen, dann hat Euer kleiner Blogartikel schon Großes bewirkt.

Wenn Ihr hingegen auf etws stoßt, was Ihr nicht lesen mögt – und glaubt mir: ich kennen das natürlich auch – klickt weiter oder zurück, schließt das Browserfenster oder das Laptop.
Aber bitte, bitte denkt nicht: So was schreibt man doch nicht ins Internet.

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