25.7.2022 – Skagen am Arm, Sehnsucht im Herzen

Hab ich mal erwähnt, wie sehr ich meine Hausärztin mag? Ich mag meine Hausärztin. Sehr. Heute brauchte ich eine Überweisung, sonst regelmäßig ein neues Rezept über meine Dauertabletten. Beides geht so, dass ich hinfahre – ich kenne inzwischen die Zeiten, wo die Praxis leer ist ganz gut – reingehe und direkt an der Theke Rezept oder Überweisung bekomme. Ohne „da mus ich dann kurz zur Unterschrift zu Frau Doktor rein“ oder einen pseudo-beratendes „Alles gut?“, damit jemand ein Beratungsgespräch abrechnen kann. Ich bin nach einer Minute wieder draußen. Außerdem sind die da alle super und reißen sich den Allerwertesten auf und als ich mal mitten in einer Panikattacke am Tresen stand, guckte mich die Gute nur kurz an und bugsierte mich in ein freies Zimmer „Sie sehen gerade nicht so aus, als wollten Sie mit anderen Menschen im Wartezimmer sitzen, oder?
Dafür nehme ich in Kauf, dass die Praxis telefonisch de fakto nicht erreichbar ist. Ich weiß, wie alle dort sich den Hintern aufreißen – wie gesagt.

Auf dem Rückweg kurz in den Postshop, in dem ab zehn die neue Uhr liegen sollte. Direkt unten in der Stadt hat ein neuer aufgemacht und es scheint, als könne er dem geliebten Shop im Vorort die Stellung streitig machen. Ein richtiger Laden und nicht nur eine Theke neben dem Zeitschriftenstand! Und richtige Öffnungszeiten ohne Mittagspause!
Freuden der Kleinstadt.
Und dass „montags ab zehn“ auf dem Abholzettel montags nicht „ab zehn“ sondern „besser irgendwann nachmittags, wir wissen auch nie, wann die Fahrer vorbeikommen und die Sachen abliefern“ bedeutet – da kann sie ja nichts für.

Schreibtisch. Hauptsächlich fröhlichena, solls denn wohl mal weitergehen?“-Mails in allen möglichen Formulierungen verschickt. Eine fröhliche „na, solls mal weitergehen?“-Mail beantwortet.
Lieblingssatz des Tages: Von einer Frau, die deutlich mehr als ich daran leidet, dass die Website die ihr zugeschoben worden ist, aufgrund interner Strukturen statt 2019 erst demnächst online sein wird. Sie schrieb: „Und sobald das alles abgeschlossen ist, gehen wir beide mal ein Bier zischen.“ Ich war hochentzückt. Augen auf bei der Kundinnenwahl, ich sag’s ja.
Die meisten Projekte haben gerade alle den gleichen Status …

Lange mit einer Kundin telefoniert und wieder mehr über den aktuellen Zustand unserer Gesellschaft gelernt als ich eigentlich wollte. Sagen wir mal vereinfacht: Ihr Geschäft besteht daraus, Dinge zu vermieten. Seit während der Pandemie ihr Geschäftsfeld (übrigens vong Umsatz eines der fünf größten in Deutschland) kommentarlos über die Klippe geschickt wurde, haben alle Fachkräfte den sinkenden Kahn verlassen. Jetzt laufen die Geschäfte wieder, aber die Fachkräfte sind weg. Und die Hilfskräfte, die die Jobs jetzt machen, wissen mit Geliehenem/Gemietetem nicht umzugehen. Also: Einmal fachlich nicht, dafür drehen wir jetzt Tutorial-Videos aber vor allem emotional nicht. Es herrscht die Denke: Gehört mir nicht, darf kaputt gehen. Die Schäden wären noch nie so hoch gewesen wie diese Saison. Und die pampigen Entgegnungen auf Schadensersatzforderungen noch nie so pampig.

Nachmittags die neue Uhr abgeholt und dann natürlich die nächste Stunde „mal eben“ konfiguriert. Die alte HybridWatch ließ sich nicht mehr so ganz ganz richtig konfigurieren, der örtliche Uhrmacher hatte den Verschluss beim letzten Batterietausch ein bisschen misshandelt und manchmal muss man sich ein neues Gadget ja auch nur etwas schönreden.
Aber ernsthaft: Vor allem hatte ich eine ganze Zeit lang Sorge gehabt, ich würde nie wieder eine derart reduzierte Smartwatch bekommen wie die, die ich da hatte. Aber dann hat Skagen Denmark ein paar neue Uhren auf den Markt geworfen und die neue kann ich mir jetzt so reduziert konfigurieren wie die alte war. Und nebenbei passt sie auf meinen Puls auf.
Sie ist wunderschön, ich bin sehr happy.

Noch ein bisschen gestrichen. Das wird wunderschön, ich bin sehr happy.

Zeugs

Während sich gestern ein sogenannter Sozialdemokrat dafür aussprach, die Leute sollten doch einfach mehr arbeiten, damit sie auch mal wieder Geld haben (Wer hat da gerade „Kekse wenn kein Brot“ gerufen? Naja, stimmt ja.) … äh, während das also die deutschen Lösungsstrategien der sogenannten Sozialen sind, werfe ich (via Rebekka) einen Blick nach Norden – da geht das nämlich anders:

In Schweden machen Vorgesetzte pünktlich Feierabend und gehen „laut“ nach Hause, damit jede und jeder das mitbekommt. Regelmäßige Überstunden sind verpönt. Wir sollten uns daran ein Beispiel nehmen […] zumal skandinavische Unternehmen nicht weniger erfolgreich sind.
Wer in Schweden regelmäßig bis in die Abendstunden im Büro sitzt, ist kein Held. Im Gegenteil, man muss unangenehme Fragen beantworten: Schaffst du deine Arbeit nicht? Brauchst du Hilfe? Hast du kein Leben, in dem man dich vermisst?

Wiebke Ankersen im Redaktionsnetzwerk Deutschland:
„Kolumne Chefinnensache“: Warum in Schweden Vorgesetzte pünktlich Feierabend machen

Als ich das letzte mal ein Büro teilte, herrschte in Deutschland aber noch das Gegenteil: Ich kam gern so gegen sieben und fuhr dann so gegen vier. Und bekam Faulheit vorgeworfen, weil jemand anders halt länger blieb. Gut, er war auch erst um elf gekommen, aber das war nicht zu vermitteln – ich sollte auch bis sieben bleiben. [Insert Shrug-Emoji].

Es ist ja nicht so, dass ich Gründe sammele, nach Norden zu ziehen, aber … doch, tue ich.
Nein, falsch, ich muss gar nicht sammeln, sie kommen einfach zu mir.


Nicht gesellschaftlich wichtig oder so, aber ich habs einfach gerne gelesen: Frau Novemberregen schreibt darüber, was sie beim Kampfsporttraining lernt (Spoiler: Nicht gefährliche Typen mit der Fünf-Punkte-Pressur-Herzexplosions-Technik ausschalten):

Ich habe (oft) Situationen als für mich nicht gut kalkulierbar wahrgenommen und sie verlassen, auch wenn sie auf andere ganz normal wirkten. Weil ich gelernt habe, mir diese Erlaubnis zu geben, auch wenn es komisch oder unhöflich wirkt, eben weil ich gelernt habe, was eine körperliche Auseinandersetzung bedeutet.

Frau Novemberregen:
Kampfkunst im Alltag?

Und während ich das hier getippt habe, bemerke ich dann doch die gesellschaftliche Dimension dessen, was sie da beschreibt. Heißt es doch eigentlich nur, dass (sich) selbst bewusste Menschen wissen, Ärger zu erkennen und ihm an jeder Stelle wo es geht aus dem Weg zu gehen – statt sich aus falsch verstandenem Ego in den Kampf zu werfen. Und das beim Kämpfen immer alle mit Schmerzen verlieren. Wenn das nicht mal was für die Gesellschaft wäre, dann weiß ichs auch nicht.

Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.

2 Kommentare

  1. Skagen. Davon habe ich noch nie gehört. Aber holla sind das wunderschöne Uhren. Die Seite habe ich gleich mal gespeichert. Vielleicht ein schönes Weihnachtsgeschenk für mich.

Kommentare sind geschlossen.

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