25.-30.6.2024 – Missmut

Ich fass’ das mal kurz für Sie zusammen: Am Mittwoch war ich bei Frau Zahndoktor, der Zahn, also der Zahn, der mich seit einigen Monaten immer wieder dorthin treibt, sollte endgültig versorgt werden. Gefüllt, bedeckelt, fertig, Thema erledigt – so der Plan. Stattdessen aber: gefüllt, bedeckelt, Schmerz im Zahn, mehrere Tage lang nur unter heftiger Schmerzmittel-Befüllung und mit dem Eisbeutel im Gesicht aushaltbar; dazu die Liebste, die meinem äußerst missmutigen „fahr mich jetzt dahin der soll jetzt raus, ich mag nicht mehr“ immer wieder freundlich die Vernunft und die Erinnerung an „der kann jetzt nochmal ein paar Tage murkseln, Herr Fischer“ entgegensetzte. Ich erinnerte mich an das schöne Wort „murkseln“, holte mir missmutigst ein neues Coolpack und fuhr nicht.
Dazwischen viel sinnloses Film-Bingen und überraschend effiziente Momente am Schreibtisch.
Seit gestern lässt der Schmerz nach und ich habe ein wenig Hoffnung.

Damit sie nicht ganz umsonst hier rüber gekommen sind, noch ein Bild von einer optisch reizvollen Großwetterlage gestern Abend (als 30 Kilometer Luftlinie entfent in Dortmund das Spiel unterbrochen wurde – sie werden es evtl mitbekommen haben)

Außerdem habe ich überraschenderweise viel in diesem Internet gelesen. Daher ein bisschen

Zeugs

War früher alles besser? Schlechter? Oder halt anders? Kristian Köhntopp zeigt an einigen Beispielen zumindest letzteres – nämlich dass die Welt unserer Kindheit halt einfach nicht mehr existiert:

Veränderung nicht verstehen ist leicht. Wenn man 16 Jahre Kohl, 7 Jahre Schröder und 16 Jahre Merkel gesehen hat, dann sind das fast 40 Jahre Stagnation, die Abwesenheit von Veränderung in der Politik. Aber die Welt hat sich verändert. Sehr. Zum Beispiel: Die Anzahl der PKW in Deutschland hat sich seit 1985 von 25 Millionen auf 50 Millionen verdoppelt. Und die Autos selbst haben sich auch verdoppelt.
[…]
CO₂-Level haben sich von einer vorindustriellen Baseline von 285 ppm auf 420 ppm in 2024 erhöht. Das ist eine Veränderung von 135 ppm, und eine Verdoppelung des menschlichen CO₂-Eintrages seit 1985, von 352 ppm auf 420 ppm. Das mit der Klimakatastrophe waren wir, nicht unsere Eltern oder Großeltern.

Kristian Köhntopp:
Die Welt Deiner Kindheit existiert nicht mehr

Vor allem den letzten Satz dieses Zitates finde ich unglaublich wichtig, denn ich glaube inzwischen fest, dass, wenn wir unsere eigenen Fehler nicht anerkennen, keine Veränderung geschehen kann. Und das gilt für nahezu alle Themen, die wir im Moment als Kulturkampf oder Bröckeln unserer heilen Welt so wahrnehmen: Wenn wir immer froh sind, dass ja die anderen die Faschisten gewählt haben, dass ja die anderen Frauen benachteiligen, dass ja die anderen vom Rassismus profitieren – so lange werden wir keine strukturellen Probleme lösen können. Das ist ein Unterschied zu individuellen Problemen, bei denen der Bezug „Problem–eigenes Zutun“ deutlicher ist – naja und selbst bei denen sind wir ja oft froh, wenn wir jemand anderem die Schuld geben können.


Alex stellt sich eine Frage, die mich auch sehr beschäftigt und denkt dabei über den wichtigen Faktor der Bequemlichkeit nach:

[…] erzählt Malik von einem 40-jährigen Russen, der einen Einberufungsbescheid und die Chance zur Flucht aus Russland erhält, diese aber nicht wahrnimmt. Mit Rückblick auf die Europawahl frage ich mich, wann es für mich genug wäre.
Als ich die ersten Ergebnisse zu Gesicht bekommen habe, war meine Reaktion:
„Na dann mach ich mich mal bereit für den Untergrund“
[…]
oder weil mir das Risiko zu groß war. Ich soll also freiwillig alles aufgeben, was ich habe und gehen? Besitz, Sicherheit und Familie?

Alexander Thiel:
Wann würde ich gehen?

Außerdem in diesem Zusammenhang auch wichtig ein Gefühl, den Maximilian letztens mit den perfekten Worten „Man will kein Prepper sein, aber doch irgendwie vorbereitet“ auf den Punkt brachte.


Wenn man nicht geht, dann könnte man ja auch in die Politik gehen? Fühlt sich sehr sinnlos an, nicht wahr? Die (Achtung, nicht gleich vor dem Wort erschrecken!) kommunistische Partei Österreichs ist gerade ganz entgegen aller Tendenzen erfolgreich und der Freitag hat sich mal angeguckt, was die KPÖ anders macht. Super spannend:

1. Nicht in die Berufspolitik abheben, 2. Vorpolitische Arbeit stärken, 3. Die Mehrheit im Blick behalten, 4. Das Hickhack des Parteiensystems meiden, 5. Nicht zu viel auf einmal wollen, 6. Nicht an den Rechten abarbeiten […]

Georg Kurz, Sarah Pansy beim Freitag:
Linker Aufschwung: Zehn Punkte, die die KPÖ ganz anders macht

Spontanes Gefühl: Alle zehn Punkte werden von den meisten aktuellen Politikern exakt anders gemacht. Hm.


Kommen wir im elegangen Bogen zu einem dieser Menschen, die das Gefühl gegenüber der deutschen aktuellen Berufspolitik so hoffnungslos macht: Herr Spahn. Maurice Höfgen hat diesen Maskenskandal, von dem man irgendwie immer hört, mal aufgedröselt:

Herzlichen Glückwunsch, Herr Spahn. Das schafft nicht jeder: Einen Minister-Skandal, der 15-Mal größer ist als der Maut-Skandal von Andi Scheuer. Genauer gesagt: 3,5 Milliarden Euro, vielleicht noch mehr.
[…]
So hat Jens Spahn Lieferanten geprellt und Berater reich gemacht.
[…]
Ihr Corona-Buch trägt den Titel: „Wir werden einander viel verzeihen müssen“. Sie zeigen weder Reue noch Einsicht, sondern nur Ignoranz und Arroganz. Ihr Schaden ist weitaus größer als die Milliardensumme. Sie bringen das Parlament in Verruf und fördern Politikverdrossenheit. Damit werden Sie zum Erntehelfer für die AfD. Ich werde Ihnen das nicht verzeihen.

Maurice Höfgen:
Das verzeihe ich Ihnen nicht, Herr Spahn

Interessante Selbst-Beobachtung gestern Abend: Ich fieberte beim Fußball eher dänisch mit als deutsch – so ich überhaupt in der Lage bin, beim Fußball zu fiebern.
Vi ses!

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