(Tag 4)
Wir haben doch gerade alle beschlossen, dass wir die Meta-Produkte nicht mehr nutzen wollen, nicht wahr? Schauen uns Pixelfed an und seufzen resigniert und wissen nicht, wohin.
Parallel beobachte ich wieder mal eine kleine Welle Menschen, die auf Bluesky ankommt und wie immer – so lange die Empörung anhält, kommt auch etwas Bewegung in die Sache. Menschen ziehen von A nach B in der Hoffnung, dass B weniger böse sein wird als A, wenn es drauf ankommt. Oder wenigstens so lange weniger böse, so lange wir noch hingucken.
Aber wo wir gerade dabei und noch aufmerksam sind: Sie müssen jetzt ganz stark sein.
Ihr Lieblings-Musik-Dienst, der, den Sie immer noch benutzen, obwohl langweilig nölige Künstlerinnen wie ich schon tausend mal erklärt haben, dass das ein Sauladen ist, der uns alle darben lässt und damit am Ende auch Ihren Musikgenuss zerstören wird, hat sich in der neuen Weltordnung offenbar auch positioniert:
Laut der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter hat der schwedische Streaming-Riese etwas mehr als umgerechnet 148.000 Euro für die Inauguration am vergangenen Montag gespendet.
DJ Lab:
Der am 21.01.2025 in der schwedischen Tageszeitung Dagens Nyheter erschienene Artikel berichtet, dass neben Meta, Google, TikTok, Apple und Microsoft auch Spotify zu den großen Technologieunternehmen gehörte, die die Amtseinführung Trumps am Montag mitfinanzierten. 1,7 Millionen schwedische Kronen, also umgerechnet ca. 148 000 Euro, soll der Streaming-Gigant zur Zeremonie beigesteuert haben.
Laut WIRED soll Spotify darüber hinaus auch ein Brunch-Event für rechts-orientierte oder rechte Podcaster veranstaltet haben, die über die Veranstaltung berichteten, darunter der konservative Kommentator Ben Shapiro.
Spotify spendete circa 148.000 Euro für Trumps Amtseinführung
Wie überraschend. Nicht nur zu seinen Content-Lieferanten schlecht, sondern zu allen. Wer hätte das ahnen können?
Aber das ist gar nicht der eigentliche Grund, warum wir stark sein müssen. Der eigentliche Grund ist, dass wir uns jetzt selbst kümmern müssen. Wir brauchen nämlich solche Netzwerke. Nur nicht mehr diese.
Und es ist nicht mehr so einfach – man kann sich nicht einfach irgendwo einfach anmelden und dann unfassbar ausgeklügelte Technik nutzen – egal, um dort Bilder, Videos, Kurztexte oder am besten sein ganzes Leben zu teilen – ohne dafür zu bezahlen. Den so einen Dienst zu betreiben ist teuer.
Bisher haben wir alle statt mit Geld immer nur mit unseren Daten bezahlt und Herrgott ja, Daten, das ist ja nun auch reichlich abstrakt, was sind denn schon Daten?
Daten sind ja auch unsichtbar und wir haben gar nicht so wirklich gesehen, dass wir gezahlt haben.
Das hat zu so vielen Daten geführt, dass zB Facebook schon seit Jahren eher wusste, dass eine Frau schwanger ist, als sie es selbst wusste.
Aber so eine Idee, die ist so unvorstellbar groß, dass wir alle es (für Zuckie praktischerweise) nicht begreifen konnten. Nicht in unser Leben integrieren konnten und so haben wir alle weiter gemacht.
Jetzt sind alle diese Daten bei Kürbiskopfs Ringküsser und ehrlich gesagt kann ich mir schon vorstellen, dass ein Teil meiner verdammten Magenschmerzen auch von diesem Wissen kommt – denn natürlich habe auch ich Jahre lang weiter gemacht
Wir müssen stark sein. Infrastruktur, die uns allen diese Möglichkeiten schafft, wie wir sie gewohnt sind – die kann niemand für umsonst aufstellen. Wieder nur zum Beispiel verbraucht Facebook im Jahr ca 2.5 Milliarden Kilowattstunden Strom und um das wenigstens etwas greifbarer zu machen ist das der Verbrauch von ca 700000 normalen Haushalten. Und damit ist an Angestellte und andere Infrastruktur noch gar nicht gedacht und daher:
Es. Gibt. Keine. Kostenlosen. Dienste.
Aber: Wir wollen ja auch nicht mit Geld für diese Dienste bezahlen – das haben schon viele schmerzhaft festgestellt, die versucht haben, eine Alternative aufzubauen.
Und deswegen – und ich denke, das wird der wirklich schmerzhafte Teil – werden wir mit Komfort-Einbußen bezahlen.
Mastodon ist so nerdig! Ja.
So unkomfortabel! Ja.
Pixelfed funktioniert noch gar nicht! Richtig.
Aber sie funktionieren so wie sie es tun, weil prima Menschen wie zB dentaku oder Sascha nicht nur mit Komfort bezahlen, sondern auch noch mit Zeit und eigenem Geld und Mastodon-Server betreiben.
Und sie funktionieren auch, weil Menschen darüber nachdenken, wie man das Social Web wieder social bekommen kann. Weil sie Grundsatzmanifaste darüber schreiben, wen man blocken kann und wann und wie man das social Web auch für Menschen die nicht sehen können social hält und weil sie uns beim Aufschlag auf mastodon daraf hingewiesen haben.
Ja, das ist unbequem. Vermutlich übrigens exakt so unbequem wie der Anspruch vor dem Reden zu denken für blondgelockte Moderatoren, oder „Schokokuss“ zu sagen für unsere Eltern-Generation.
Aber wir müssen da jetzt durch.
Ich habe in den letzten Tagen seltsamerweise viel über die Geburt des WWW nachgedacht. Über die Idee, ein dezentrales Netz zu haben, in dem alles Wissen der Welt zugänglich sein kann und alle miteinander kommunzieren können, ohne dass es zentrale Kontrolle, ohne dass es Gatekeeper gibt. Das war damals in seiner Idee vermutlich deutlich revolutionärer als es irgendjemand geahnt haben wird, aber es hat zu einer Struktur geführt, die sogar zwanzig Jahre Social Web nicht zerstören konnte.
Ich halte es immer noch für eine der allergroßartigsten Ideen, die ich je erleben durfte.
Wir müssen nur den Staub runter pusten. Wieder ein Blog schreiben, statt in Twitter hinein zu rotzen. Ein paar Unbequemlichkeiten auf uns nehmen: Jemanden auch mal suchen, statt ihn vorgeschlagen zu bekommen. Ein Bild auf der Festplatte suchen, statt es einfach in der App aufzunehmen. Uns unserem Selbst stellen, weil die young-and-glow-Face-Filter noch nicht laufen. Zwei Sekunden auf den Reload warten statt nur eine. Einen Gedanken selbst aufschreiben, statt uns damit zufrieden zu geben, was die KI aus unseren Gedanken-Fragmenten macht.
Denn die Struktur ist immer noch da, wir sind nur noch geblendet von den shiny Möglichkeiten.
Ich gleite gerade ab, hab ich das Gefühl – und das liegt bestimmt daran: Ich bin müde von der Woche und vom Leben; deswegen bleibt der Text jetzt so wie er ist – an manchen Stellen ohne den roten Faden, den ich sehen aber gerade nicht mehr formulieren kann. Mit bestimmt mehr als einen Buchstabedrheer.
Aber vielleicht müssen wir auch da durch: Ein bisschen selbst denken und nicht alles im ewigen Scroll of Death serviert bekommen.
„Das Web ist Kommunikation und nicht Konsum“, habe ich am letzten Wochenende jemandem erklärt. Ich sollte mal selbst wieder daran glauben.
Ich werf hier noch kurz unkommentiert ein paar Links hin, die ich mir in den letzten Tagen aufgehoben habe:
Die 278 unfassbaren Dinge, die jeden Tag passieren, sind ein geplanter, emotionaler DDoS-Angriff; die Scheißkerle zählen darauf, dass du ständig zu sehr auf die neueste Sache fixiert bist, um etwas gegen die vorherige Sache zu unternehmen.
gigold.me/blog/mentale-ddos-attacken
Warum unterstützen so viele Menschen rechtsoffene bis rechtsradikale Ideen? Und gibt es einen Weg zurück? Weil mich diese Fragen umtreiben, fiel mein Blick auf das Video eines YouTubers, der seinen Weg aus der rechten Bubble beschreibt. In diesem beschreibt JimmyTheGiant, wie Menschen aus einer rechten Bubble (also einer politisch stark rechts geprägten Filterblase) herauskommen können. Im Video schildert er seine persönliche Entwicklung – von Verschwörungstheorien und Sympathien für rechtsgerichtete Vordenker bis hin zu einer zunehmend linken oder „woken“ Sichtweise. Er erklärt Schritt für Schritt, welche Erfahrungen und Informationen ihn zum Umdenken bewegten und wie er sich nun von seinen früheren Positionen distanziert. In diesem Beitrag beschreibe ich die Erkenntnisse. Für alle, die sehr gut Englisch sprechen, füge ich das Video in den Beitrag ein.
bobblume.de/2025/01/15/diskussion-vom-alt-right-sog-zur-woke-erkenntnis-wie-jimmythegiant-sein-politisches-weltbild-radikal-aenderte/
Vi ses. Hoffentlich.
Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.
Ich glaube, dass dein „Das Web ist Kommunikation und nicht Konsum“ es perfekt auf den Punkt bringt. Konsum ist immer einfach. Er lebt davon, verführt damit. Kommunikation ist definitiv mühsamer. Und dann auch noch das Rückgrat der Demokratie
Aber ja, es bedarf noch viel Arbeit das Fediverse aus der Nerdecke zu holen. Sowohl technisch, wie bei seinen Nutzern, die keine Konsumenten mehr sind.
Lieber Christian Fischer, wollte mich einfach mal nach Jahren bei Ihnen bedanken. Es ist eine, zugegebenermaßen oft nachdenklich stimmende, Freude Sie zu lesen. Danke.
Spät, aber sehr von Herzen: Danke für diese Worte!
Mir fällt das mit der Kommunikation immer etwas schwer: ich bin spät zu den sozialen Netzwerken dazugestoßen, alle anderen kannten sich schon, ich stand immer ein bisschen am Rand der Party. Anders als im richtigen Leben sieht Dich da im Netz aber niemand, man wird also auch nicht in die Gespräche mit reingezogen. Anders als im richtigen Leben kann ich meine spontanen Kommentare wieder löschen und ziehe mich so selbst aus den Gesprächen wieder raus. Und oft genug reagieren die Kommentierten auch nicht auf die dann doch mal gesendeten Kommentare (anders als im richtigen Leben kann ich aber auch keine Reaktionen sehen, die nicht getippt und gesendet wurden) und dann denke ich(!), dass die Kommentare möglicherweise sogar als anmaßend empfunden werden, weil wir uns doch (noch?) gar nicht kennen. So bin ich dann doch hauptsächlich Konsumentin auch im sozialen Teil des Netzes.
Auf Mastodon (anderes Thema) las ich kürzlich einen Thread zu florentinischer Architektur als Manifestation von Widerstand. Der hat etwas in mir gearbeitet. Nun empfinde ich alles das, was auch ich momentan im analogen wie digitalen Leben versuche, wieder als etwas sinnvoller: Widerstand leisten, rote Linien ziehen, andere animieren mitzumachen. Ja, es ist frustrierend, wenn diese Linien dennoch überschritten werden, aber der Widerstand kauft uns Zeit, macht das Leben auch dann für viele besser, wenn wir den Eindruck haben, wir scheitern gerade immer wieder. Hoffentlich hält das Gefühl etwas an, es macht es nämlich wirklich leichter.
Ui, das war jetzt lang! (Und schon wieder dieses Gefühl: war das jetzt zu viel? Ist schließlich nicht mein Blog hier…)
Da hab ich jetzt esrtmal ein paar Tage drüber nachgedacht …
Zuerst mal: kenn ich. Und: kennt vermutlich jede, die schon mal irgendwo dazugekommen ist.
Mein erster spontaner Gedanke ist: Das sog. soziale Netz ist meiner befürchtung nach schon länger unsozial genug, dass ein Kommentar, der irgendwem negativ aufstößt ganz sicher auch entsprechend beantwortet wird. Das ist sicher anders als in der Kohlenstoffwelt, wo die meisten Menschen dann nicht oder nur subtil reagieren würden.
Zweitens – und ich weiß, ich bin da nicht wirklich Maßstab mit über 25 Jahren online-Leben – hab ich die Erfahrung gemacht, dass „first give and then take“ recht gut funktioniert. Also erstmal etwas raus-senden und sich langsam beteiligen – dann kommen die anderen schon auf einen zu. Aber vielleiht bin ich auch verwöhnt, weil ich schon so lange da bin.
Hallo Sabine,
ich würde sagen das 95% der Nutzer in Social Netzwerken nur Konsumenten sind, dann 4% Trolle und der Reste irgendwie aktive Nutzer und Creator. Also mach dir da mal nicht so einen Kopf.
Außer du möchtest mehr Interaktion mit den Menschen, dann musst du wohl vom Rand in die Mitte gehen. Ist oft aber auch nicht schön.
Mfg der Alex
Ich mag ergänzen: Es gibt ja gar nicht DAS soziale Web. Vielleicht muss man also nur in die richtige „Mitte“ gehen, dann ist es da auch schön.
@alex: Wo sind in einer Schätzung (die ich grob teile :) )Kommentierende? Bei den Konsumenten oder bei den Creatorn?
Das ne Fangfrage oder? Wenn man bedenkt das viele Kommentare Ding im Algorithmus pushen .. hm …
Kommt sicher auch auf die Qualität des Kommentars an. Mache ich das Kommentar um auf mich und mein eigenes Profil aufmerksam zumachen? Oder ist meine Kommentar nur ein kurzes Nocken und zustimmen?
Wirklich schwierig.
nein, nicht als Fangfrage gemeint. Wie gesagt: ich teile Deine Theorie, aber überlegte halt, wo die vielen Menschen sind, die halt lesen und dann Kommemtar werfen.
Und Du hast vollkommen Recht: Kommentare muss man ja auch noch mal aufteilen und es bleibt schwierig.