Fassen wir’s einfach zusammen: So lange war ich wirklich lange nicht mehr krank. Die meisten Projekte ließen sich irgendwann weg schieben, aber ein Job musste erledigt sein und so bestanden die letzten Wochen aus an-den-Schreibtisch-kriechen und vom-Schreibtisch-erschöpft-sein. Ich nehme an, es ist auch super gesund und hat wesentlich zur Heilung beigetragen, dass ich 105% der wiederkehrenden Energie sofort wieder ins Funktionieren gesteckt habe… oh, wait.
Aber seit ein paar Tagen gehts langsam wirklich wieder und wir haben begonnen, die Schäden zu sichten – das Haus sieht zum Beispiel aus, als wären ein paar Reiterhorden durchgezogen und mein Schlafrhythmus ist jenseits von gut und böse. Beides total egal.
In der Zwischenzeit hat ein neues soziales Netzwerk aufgemacht und ich bin wieder einmal erstaunt, was Menschen so an Gedanken haben (und sich nicht scheuen, sie auch laut zu sagen/schreiben). Vielleicht war es doch keine gute Idee, Menschen erst über Jahre daran zu gewöhnen, dass das selbstoptimierte Selfie mehr zählt als alles andere auf der Welt und dann diesen Menschen die Möglichkeit geben, ihre Restgedanken zu äußern?
In einer Sub-Bubble diskutiert man ernsthaft ob man eine Petition braucht, um Threads im eigenen Interesse zu regulieren – in der anderen ist man schon entschlossen und überlegt nur noch, ob man fordern soll, das Menschen über 45 ausgeschlossen werden sollen. Oder besser schon die über 40.
Dann gibt es noch die Follow-für-Follow-Bubble, die auch gleich blockt, wenn man nicht mitmacht und es ist unfassbar spannend, wie Gewohnheiten aufeinander prallen; last but not least noch die Bubble die eigentlich nur Twitter zurück in den Grenzen von … oops, sorry: Twitter wie 2007 will und über alles andere empört ist – und wir haben das echt alles verdient.
Es ist also auch dort wieder sehr furchtbar und natürlich finden Sie mich dort unter smalltownsnapshots@threads.net. Und am aller-furchtbarsten sind natürlich die, die nach einer Woche schon genau wissen, was dort funktioniert und was nicht und was am furchtbarsten ist.
Ebenfalls in der Zwischenzeit gab es einen Tag, an dem ich bei einer 14-jährigen in der Küche saß und ihr – von gelegentlichem Husten unterbrochen – etwas über Design erzählte. Ihre Schule hatte die glorreiche Idee gehabt, am 19.12. ein Tagespraktikum anzusetzen und vollkommen überraschenderweise hatte sie haufenweise keine Antworten und fast ebensoviele Absagen bekommen. Oder, wie es eine Freundin ausdrückte: „Am 19?? Da hat die eine Hälfte doch Weihnachtsfeier und die andere Hälfte erholt sich davon??“ Den Eltern – Freunden von uns – fiel dann ein, dass ich ja auch was mit Design mache und sie trauten sich zu fragen, ob ich trotz unpassender räumlicher Verhältnisse wohl ein paar Stunden Zeit fürs Kind habe? Vielleicht in ihrer Küche und nicht in meinem Büro?
Jetzt müssen Sie wissen, dass eines der Dinge, die mir nach dem Ende meiner Agentur und dem Umzug ins heimische Obergeschoss am meisten fehlen, Praktikantinnen sind – und so hatte ich Zeit und habe kurz eine kleine Präsentation mit 30 Folien vorbereitet, um dem Kind fundiert etwas über Design zu erzählen.

Mein Lieblingsmoment war der, als ich zu diesem Slide kam:

… und sie las, nochmal las, verwirrt guckte und dann exakt genau so angepisst guckte wie ich beim ersten mal, weil sie sich so sehr manipuliert fühlte.
Tja: Ein gutes Beispiel dafür, was für einen Einfluss wir Gestalter haben. Wir haben viel Macht darüber, wie Infos wahrgenommen werden. Warum ich das erzähle – also außer weil ich will, dass Sie mich alle für einen superguten Menschen halten?
Im Ernst: Während wir darüber sprachen, dass ich manchmal auch für Kunden Informationen verstecke, weil sie zwar da sein müssen aber nicht wahrgenommen werden sollen – was sie sehr erstaunte – kamen wir auch darauf, dass das ja außer mir auch andere Gestalter machen könnten. Und ich dachte so weiter: Während wir in Zeiten von Propaganda und AI-Bildern gerade langsam lernen, Bilder zu misstrauen, sollten wir auch lernen, Gestaltung zu verstehen. Zu verstehen, was Text-Layout kann, warum es uns so leicht fällt, manches zu lesen und manches nicht. Nein, oft genug kein Schelm, wer Absicht vermutet.
Außerdem ein freundlicher Hint an Lehrerinnen unter Ihnen: Auch Schul-Texte kann man gut und weniger gut anbieten.

Als wir nach meiner kleinen theoretischen Einführung an den praktischen Teil kamen, begann sie zu überlegen, wer denn ihre Zielgruppe sein wollte und welche Intention sie mit ihrem Werk transportieren wollte und ich denke, mehr kann man nicht erreichen an einem Tag.
Ich wiederum fuhr glücklich wieder nach Hause, denn sie hatte für mich genau das getan, was ich mir von dem Tag erhofft hatte: Sie hatte mir Fragen gestellt, die schon viel zu lange unter all dem Alltagsgeschäft nicht mehr gestellt worden waren. Win-win, so eine Praktikantin.
Musik des Tages: Trevor Horn, der „Mann, der die Achtziger erfand“ hat ein Album gemacht mit neu eingesungenen 80er-Hits. Neue Versionen, eingesungen von Menschen, von denen man es nicht erwartet hatte. Oft gut, manchmal seltsam, manchmal richtig gut. Hier singt Andrea Corr (ja, die von der pseudo-Irish-Folk-Truppe) „White Wedding“. Ganz groß.
Unser Kühlschrank ist voll, die Wohnung nicht geschmückt, die Streaming-Dienste loaded und ready to entertain. Kann (nicht-)losgehen.
Danke fürs Teilhaben und Dabei-sein. Wenn Sie wollen:
Hier können Sie mir ’ne Mark in die virtuelle Kaffeekasse werfen,
Oder – wenn Ihnen Geld zu unpersönlich ist – hier ist meine Wishlist. Sie finden dort formschöne und Freude-spendende Geschenke für wenige oder auch sehr viele Euro.
Ich wünsche Ihnen, dass der Kühlschrank nach und nach leer wird und die Streamingdienste was Spannendes anzubieten haben. Eine nicht geschmückte Wohnung muss man hinterher nicht aufräumen. Win-Win.
Weiterhin gute Besserung und ein bisschen frische Luft bei erträglichem Wetter.
Der letzte Satz … genau meins!
Den Workshop hätte ich gern mitgemacht, zur Auffrischung, um wieder achtsamer mit Inhalten umzugehen.
Oh. Danke :)
(Ja, das ist exakt, weshalb ich Praktikantinnen so gemocht habe)