23.11.2022 – the day the music died

Vor ein paar Tagen schrieb jemand mit einem etwas erhöhten Bekanntheitsgrad etwas auf Mastodon. Er schrieb etwas, was nicht vollkommen in die momentane „Jippie Jay Schweinebacke, Mastodon ist so super und wir sind das bessere Twitter“-Stimmung hineinpasste und da etwas größere Bekanntheit vor allem in Verbindung mit eigener Meinung ja auch etwas größeres Polarisierungs-Potential mitbringt, wurde sein Toot nicht nur beklatscht, sondern auch kritisiert.
Und natürlich – Mastodon ist ja schließlich das bessere Twitter – geschah dies so, wie wir uns alle Diskussionen wünschen: In wertschätzender Art und Weise, die Kritik richtete sich gegen den Standpunkt und nicht gegen die Person. Die Worte waren respetkvoll gewählt und zeigten, dass man sich mit der Position auseinander gesetzt hatte.

Äh nein.

Der Tenor war hämisch und herablassend: „Der ist doof“, „Was ein Scheiß“, „Der wird halt auch alt“ und „Brauchst ja nicht hier zu sein“.

Ich nahm das traurig in meiner inneren Liste, in der ich Momente für den „I told you so-Tanz sammele, als den Tag auf, an dem auch Mastodon bewies, dass es nicht das Medium ist, sondern die Menschen, die es benutzen. (Natürlich, aber man muss wohl gerade im Tech-Umfeld immer wieder darauf hinweisen)
Oder anders: 15 Jahre in dem Giftkeller, der Twitter sein konnte – die haben natürlich etwas mit uns gemacht. Und damit meine ich ausdrücklich uns alle, die wir da waren und sich dem Gift ausgesetzt haben. Wer in einem Umfeld ist, in dem (fast nur noch) gebölkt, hämisch gespottet, verletzend formuliert wird, bei der ändert sich der eigene Tonfall.
So lange es die verachtete CDU/Bild/Lanz/Precht/whatever sind, die den Tonfall von noch weiter rechts annehmen, wissen wir das sogar alle – aber Selbstreflexion ist natürlich immer etwas schwieriger*.

*) Falls Sie zufällig Lust haben, sich da im stillen Kämmerlein mal mit sich selber zu beschäftigen UND genügend Zeit haben UND Twitter gerade technisch in der Lage ist, Ihnen Ihr Archiv zur Verfügung zu stellen, dann lesen Sie doch mal Ihre ersten Tweets. Das ist ganz unterhaltsam. Things were really different back then.

Nur mal angenommen, wir wollten als Gesellschaft was (unter anderem) daraus lernen hätte ich eine bescheidenen Vorschlag: Hören wir auf zu glauben, technische Lösungen könnten soziale Probleme lösen.

Ach ja, #tagebuchbloggen, da war ja was. Der Hyperfokus immer noch stark ist, junger Padawan, aber heute hab ichs tatsächlich geschafft mal etwas anderes zu tun. Die Inbox ist auf Zero, Rechnungen sind überwiesen oder als erklärungsbedürftig angefragt* und eventuell gabs auch Auswärtsessen.

*) Dialog des Tages: Er: „Ja, 50,- für den XY und dann wolltest Du ja diesmal noch YZ dabei.“ – Ich: „Ja, XY hat sonst immer 100,- gekostet, deswegen versteh ich die Rechnung ja nicht“ – Er: „Ach guck.“
Ich bin zu gut für diese Welt.

Nachmittags Zoom über den Hyperfocus-Job. Die Stimmung bleibt gut, das wird richtig super.

Guter Burger, schlechtes Licht.

Gestern kam eine Mail vom Autohaus, sie boten mir einen „Wintercheck“ an. Also fürs Auto, bei mir ist eh alles zu spät – da hilft auch kein frischer Frostschutz mehr.
Heute rief ich also an, aber die Dame an der Terminvergabe kannte das Angebot nicht und dieses Jahr ist in der Werkstatt auch eh kein Termin mehr frei. Und wieder einmal wünsche ich mir eine Marketingabteilung, die mit den Leuten im operativen Geschäft mal spricht – und vor allem wieder einmal irgendeinen Rück-Kanal zum Marketing, ohne dass die Frau am Telefon als Botin fungieren muss – mit allen Nachteilen, die so ein Botenjob mit sich bringt.

Aber apropos „Auswärtsessen“: Gestern fragte mich plötzlich unsere Aarhus-Superhost per SMS, ob wir Interesse an ein paar Restaurants hätten, die über die Feiertage gute TakeAway-Menüs anbieten. Äh, ja, klar? Und überschüttete mich danach mit den verschiedensten Restaurants und Menüs.
Ich fühle mich wirklich, wirklich deeply blessed, da so ein Glück gehabt zu haben, auf dieses Super-Appartment und diese Gastgeberin gestoßen zu sein, die uns da wirklich ein Gefühl von Heimat in der Sehnsuchts-Stadt schafft.

Außerdem begrüße ich recht herzlich Frau Klugscheisser in ihrem neuen Zuahuse!


Und so sehr es mir eigentlich widerstrebt, dem einen verrückten Ami soviel Aufmerksamkeit zu schenken, finde ich eine Menge Dinge am Twitterkauf und an den Reaktionen darauf sehr spannend – zeigen sie doch zum einen, wohin uns eine neoliberale Gesellschaft und die Hyperreichen führen können bzw wollen und zum anderen auch, wie die Gesellschaft damit umgeht. Deswegen als wieder etwas monothematisches …

Zeugs

Der Exodus der Werbekunden […] Drei der größten Werbeagenturen – IPG, Omnicom und Group M – sehen Twitter mittlerweile als „Hochrisiko“-Plattform. Niemand könne vorhersehen, in welche Richtung Musk Twitter steuere. Die Massenentlassungen hätten Chaos ausgelöst. Es fehle an Expertinnen für IT-Sicherheit und Datenschutz sowie an Content-Moderatoren, die Inhalte prüfen und löschen. Die Agenturen vertreten Twitters wichtigste Anzeigenkunden, ihre Distanzierung könnte Musk Hunderte Millionen kosten. […] Bei Twitter werben aber kaum Friseursalons oder Autowerkstätten, hier dominieren große Marken. Wenn jetzt Chipotle, United Airlines, Audi und Balenciaga abwandern, wirkt sich das unmittelbar auf die Bilanz aus.

socialmediawatchblog.de: Wie Elon Musk Twitter ruiniert

[…] stellen fest: So einfach ist das auch nicht, denn wenn kein Konzern die Regeln vorgibt, müssen wir sie ausdiskutieren und auch selber reparieren, was kaputt geht. Es ist natürlich viel gemütlicher, aber bislang sind die Nazis, Maskulisten und Schwurbler*innen auch noch nicht alle da. Mastodon hat ein paar Instrumente, die es einfacher machen, sie vor die Tür zu setzen, aber die verschiedenen Aushandlungsprozesse werden mühsam werden.

Anne Roth auf akweb.de: Twitter: Wollen wir hier bleiben?

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