22.12.2020 – Urlaub 2

Wer um acht im Bett ist, wacht früh auf und ist sehr ausgeschlafen – so könnte man meinen. Wer um acht im Bett ist aber vor zwölf nicht schlafen konnte und trotzdem früh aufwacht, ist nur so mittel ausgeschlafen. Hab ich für Sie getestet.

Wir wollten – Überraschung! – ein paar Meter laufen, wir fuhren also zum See. Am See regnete es und wir fuhren zurück. Über Menden war inzwischen der Himmel aufgegangen und uns erwartete blauer Himmel und Sonnenschein. Wir fühlten uns etwas verarscht.

Wieder zu Hause widmeten wir uns dem iPad, das die Liebste von der Schule als Arbeitsgerät bekommen hat und richteten es ein. Leider machten die Regeln für das Gerät das Einrichten nicht leichter – also wenn man sich wirklich daran halten wollte.
Eine unterhaltsame Stunde also.

Dann fuhr die Liebste los – sie traf sich mit einer Freundin zum Spazieren im Wald. Ich widmete mich wie angekündigt dem Fernsehmöbel (das Wort wollte ich schon immer mal schreiben). Teil eins: Alte nicht mehr benötigte Kabel und Geräte raus. Das wurde erschreckenderweise etwas mehr als ich gedacht oder befürchtet hatte, aber schon nach drei Stunden hatte ich alles einmal rausgenommen, auf Weiterverwertbarkeit geprüft und wieder reingestellt. Bzw größtenteils in eine Klappkiste gelegt und dann Richtung Elektroschrott in die Garage gestellt.
Besitzen wir die Dinge oder besitzen sie uns?

Und dann war der Tag auch irgendwie schon rum.


Heute vor drei Jahren wachte ich im Hotel in der Elbphilharmonie auf. Wir fühlten uns slightly fremd in dem relativ schicken Hotel – aber nur so, dass es noch ging und wir das Frühstück und den Blick aus dem seltsamen runden Fenster auf den Hafen sehr genießen konnten. Wir frühstückten und gingen dann noch einmal raus auf die Plaza und eine Runde durch die Speicherstadt und ich weiß noch, es war so kalt, dass man den Wind vom Hafen im Gesicht kaum aushielt. Wir waren immer noch ziemlich still und dankbar, denn am Abend vorher hatten wir Freunde getroffen, die wir vorher kannten und Freunde getroffen, die wir vorher nicht kannten. Wir hatten ein wunderschönes Konzert in einem der schönsten Räume der Welt gesehen und gehört und waren danach eingeladen gewesen und hatten in einem etwas zu geschäftsmäßigen Konferenzraum irgendwo in den Tiefen der Elphi weitere Freunde getroffen und gemeinsam mit vielen anderen diesen auch für Bands besonderen Abend gefeiert.

Am Ende von 2020 wirkt diese Erinnerung an vielen Stellen etwas surreal.

Am Ende von 2020 blicke ich darauf zurück und erinnere mich daran, wie schwer es mir 2017 fiel, unter so vielen Menschen zu sein. Die Freunde der Liebsten und meine alten Freunde und die beiden aus der Fanpage-Community unter einen Hut zu bekommen. Die anstrengende Fahrt und die Elphi und das Konzert und die Backstage-Einladung – das alles emotional unter einen Hut zu bekommen. Und weil das so war, erinnere ich mich nämlich kaum an das Konzert selbst, denn damals brauchte ich Beruhigungsmittel, um das alles zu schaffen und alle Erinnerungen sind etwas dizzy.

Am Ende von 2020 blicke ich auch darauf zurück, wie viel ich in den darauf folgenden Jahren bei meinen Sitzungen montags gelernt habe. Mich und meine Kräfte besser einzuschätzen und einzuteilen lernte; mich den Ängsten zu stellen und mit ihnen zu leben und viele Situationen, auch welche mit vielen Menschen einfach machen zu können. Und wie viel einfacher mir zum Beispiel der Konzertbesuch zu Beginn dieses Jahres fiel, als ich wieder in Hamburg war. Wieder in einem Hotel, wieder mit vielen fremden Menschen. Aber ohne Medikamente.

Am Ende von 2020 blicke ich auf ein Jahr, in dem ich seit Beginn dieses ewigen Märzes außerhalb von Zoom fünf Menschen getroffen habe. Und die nicht woanders, nicht in fremden Städten oder großen Hallen, nie irgendwohin gefahren – sondern hier im Garten und wir haben uns unbeholfen gegenseitig mit dem Füßen angestupst und Luftumarmungen angedeutet. Und wenn ich daran denke, dass es für mich auch immer bedeutet hat, sozusagen „im Training“ zu bleiben wenn ich rausfuhr und Menschen traf, dann hat dieses verfickte Jahr mir ganz nebenbei mehrere Jahre harte Arbeit genommen. Und ich halte diesen Gedanken vermutlich nur aus, in dem ich ihn tapfer verdränge, wenn alle sich darauf freuen, dass wir uns ja vielleicht nächsten Sommer schon wieder treffen können. Oder dann halt irgendwann anders. Denn ich weiß nicht, ob ich mich dann wieder einfach treffen kann, wenn sich alle wieder treffen können. Und natürlich ist das ein Luxusproblem weil ich riechen und schmecken kann und weder beatmet werde noch daran sterbe; aber wenn die Verdrängung morgens noch nicht angeschaltet ist, wenn ich mich durch Timehop scrolle und unvorbreitet darauf stoße, was heute vor drei Jahren war, dann trotzdem.

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3 Kommentare

  1. Vielleicht, ganz vielleicht können Sie das, was Sie „in den darauf folgenden Jahren bei Ihren Sitzungen montags gelernt haben“ in das Jahr 2021 mitnehmen und daran anknüpfen. Das wünsche ich Ihnen und natürlich ein gutes Neues Jahr für 2021.

    1. Ja, das hoffe ich natürlich und das denke ich auch schon. Es geht halt aber auch viel um stetige „Übung“. Und die fehlt mir.

  2. Wie sehr ich mich gerade „ertappt“ gefühlt habe… so angenehm das Jahr in der angstfreien Komfortzone auch war, so anstrengend wird es, wieder Dinge zu wagen, durchzustehen…
    Danke für das Wissen, dass es nicht nur mir so geht.
    Eine stille Mitleserin

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